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Wiener Wille zur Weltklasse

Text: Daniel Kalt | Fotos: Martin Stöbich

Mit dem Focus Call Kunst und dem Ausstellungsprojekt „curated by“ hat departure 2009 ambitionierte Akzente in Richtung der bildenden Kunst gesetzt – eine Richtungsentscheidung?

Worum es uns gegangen ist, war die Tatsache, dass die bildende Kunst seit Mai 2006 als Förderbereich von departure festgelegt ist. Aber bislang ist hier sehr wenig passiert, weniger noch als zuvor in der Architektur. Und es hat keinen Sinn, solche Sparten nur am Papier zu führen. Also war die Zeit reif, starke Akzente zu setzen. Nun haben wir die Möglichkeit, einmal pro Jahr einen Focus Call zu machen, also einen thematisch größer aufgezogenen Förderwettbewerb, den wir in den vergangenen zwei Jahren für Architektur und Kunst genützt haben. Dazu ist dann die Überlegung gekommen, wie man über andere Initiativen wie „curated by“ zur Schärfung und Profi lierung dieses Bereichs beitragen kann – auch im Zusammenhang mit der Wiener Kunstmesse, die wir weiterhin stärken wollen. Das heißt aber nicht, dass wir die Kunst in den Vordergrund stellen. So ist und bleibt etwa der Bereich des Designs ein großes Thema, dem wir auch den nächsten Themencall widmen: Es gibt ja die hochinteressante Diskussion darüber, im Design, in der Kunst und in der Architektur, wie Kreativleistungen die für mich zentralen Themen der sozialen und der ökologischen Innovation vorantreiben können.

Wie kann departure derlei Entwicklungen konkret steuern?

Indem wir begleitend zu den Themencalls ein White Paper erarbeiten, bei dem es um diese grundlegenden Fragestellungen geht und das wir als einen Impuls sehen, zu dem sich erstklassige Designerinnen und Designer ihre Gedanken machen. Denn letztlich reden wir ja nicht von irgendwelchen peripheren Themen, sondern von den Dingen, die uns in den nächsten Jahren wesentlich bestimmen werden. Wir nennen den nächsten Call darum „Focus Design – Innovation für Mensch und Gesellschaft im Wandel“. Dabei soll es aber auch um Spaß und Freude gehen im Sinne von Strategien bzw. Tools, die Verantwortung spielerisch vermitteln.

Im Vorwort zum aktuellen departure Look/Book kündigen Sie an, dass 2010 neue Akzente gesetzt werden sollen – und es zum Beispiel ein Kreativlabor zum Bereich des Kunstliedes geben wird. Intendiert man auch hier längerfristig die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle?

Es gibt da mehrere Hintergedanken: Zum Einen, dass wir eine ausgezeichnete Szene der Visualisierung elektronischer Musik haben – wie zum Beispiel das sound:frame Festival zeigt. Es ist also nur ein logischer Schritt in einer Stadt, die ein starkes klassisches Musikimage hat, Synergien zu ermöglichen und zu versuchen, jene Visualisten, die auch für klassische Musik empfänglich sind, in eine Laborsituation zu holen. Ein diesbezügliches Problem in der Vergangenheit war, dass in der Klassik häufi g mit schlechten Visualisten gearbeitet wurde, weil es auch keinen Markt gab. Wir wollen hier mit Spezialisten kooperieren, die verschiedene Ansätze vertreten und offen dafür sind, mit Experten und Expertinnen aus einem anderen Bereich zusammenzuarbeiten.

Idealerweise gibt man durch solche Laborsituationen neue Impulse?

Und eröffnet nicht zuletzt neue Geschäftsfelder. Wobei uns auch daran gelegen ist aufzuzeigen, dass Visualisierung immer wichtiger wird: Auch weil Musikbereiche, gerade wenn sie nicht so einfach zugänglich sind, durch gut gemachte Visualisierung wesentlich besser vermittelt werden und so auf größeres Interesse stoßen können. Wobei ich aber das aber nicht nur als Vermittlungswerkzeug abtun will: Daraus können sehr eigenständige, hybride neue Kunstformen entstehen.

Eine Facette von dem, was Sie „Interkreativität“ nennen?

Ich sehe die Rolle von departure – abgesehen von der Tätigkeit im Rahmen des Wirtschaftsförderungsprogramms, wo mehrmals jährlich juriert und an ausgezeichnete Projekte Geld vergeben wird – darin aufzuzeigen, wo aus unserer Sicht interessante Entwicklungen in Wien stattfi nden oder stattfi nden sollten, und genau da mit unseren Möglichkeiten für neue Dynamik zu sorgen. Wo immer uns auffällt, dass trotz des Vorhandenseins guter Szenen zu wenig passiert, wollen wir darauf achten, dass Talente miteinander vernetzt werden.

Ein anderes Thema, bei dem Sie sich zu Wort gemeldet haben, betrifft ein weiterhin ausständiges Designmuseum. Sie haben dabei das Flugfeld Aspern als möglichen Standort ins Spiel gebracht?

Das habe ich vor längerer Zeit einmal vorgeschlagen, und ich würde sagen: Klar ist, dass Wien früher oder später so eine Institution braucht. Ich würde sie aber gar nicht als Museum bezeichnen – denn es gibt das MAK, das in Bezug auf Design museale Funktionen wahrnimmt –, sondern es geht eher um ein lebendiges, auch mit der Wirtschaft eng verknüpftes Design Centre, das auf der Höhe der Zeit ist und beobachtet, was passiert, wo mehr passieren müsste, wo Chancen liegen. Dieses Zentrum sollte in einem internationalen Netzwerk agieren und erstklassige Designansätze mit anderen Kreativen, aber auch der Wirtschaft vernetzen. Eines der Hauptprobleme im Designbereich besteht noch immer darin, dass das Zusammenkommen zwischen den Kreativen und der Nachfrage der Wirtschaft nicht leicht ist und dass es lange dauert, bis die entsprechenden Aufträge vergeben werden. Meiner Meinung nach könnte ein Design Centre maßgeblich dabei helfen, Prozesse anders anzugehen.

Das heißt, es würde sich dabei um ein Zentrum handeln, das verschiedene der von departure geförderten Sparten beherbergen würde?

Im Wesentlichen sehe ich dort das Design gut aufgehoben. Das heißt aber nicht, dass departure seine Rolle im Designbereich aufgeben würde. Es könnte allerdings bedeuten, dass unsere Netzwerkaktivitäten im Designbereich ein bisschen zurückgefahren werden, wenn es eine Institution gibt, die hier eine bestimmte Dynamik zu erzeugen versucht. Wichtig ist das Motivationsniveau, mit dem man Dinge in Angriff nehmen muss: von Ausstellungen angefangen, über Diskussionen, Vorträge und Symposien bis hin zu Laborsituationen mit der Wirtschaft, wo in ausgewählten Bereichen bestimmte Projekte auf Schiene gebracht werden. Sowie natürlich in der Vernetzung mit der lokalen Bevölkerung, wo auch immer das Designzentrum entstehen würde. Das sind lauter sehr wichtige Punkte.

Es würde sich also um einen zentralen Punkt im Nervensystem der Stadt handeln?

So ist es, und natürlich würde eine exzellente architektonische Struktur die Möglichkeit eröffnen, ein breiteres Publikum anzuziehen. Dafür gibt es in Wien einige spannende Orte: Doch es ist erfahrungsgemäß leichter, ein wenig außerhalb des Stadtzentrums solche neuen Gebäudestrukturen zu errichten. Schließlich kann man dort ganz anders an ein Projekt heranzugehen. Wenn man bedenkt, welche Dichte an guten Architektschaffenden es in der Stadt gibt, wäre es zweifellos von Vorteil, mit der Architektur zu punkten.

Ist für Wien übrigens denkbar, was gerade in Graz unternommen wird? Die Stadt profi liert sich ja durch ihre Bewerbung als City of Design im UNESCO Creative Cities Network.

Ich sehe die Stärke von Wien sicherlich darin, dass es in einer Reihe von Bereichen Weltklasse ist und in anderen das Potenzial hat, Weltklasse zu werden. Das ist bei einer Stadt dieser Größe, die aber einen überproportionalen Wert in den Bereichen Kultur und Kreativität hat, sicherlich etwas Anderes als bei einer Stadt in der Größe von Graz – wobei ich Graz sehr bewundernswert finde. Man wird sehen, wie dieser Prozess weitergeht. Es ist jedenfalls ein ambitionierter Schritt in eine bestimmte Richtung. Bei Wien geht es um anderes, um einen wesentlich breiter ansetzenden Anspruch.

| FAQ 05 | | Text: Daniel Kalt | Fotos: Martin Stöbich
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