In den Listen der besten Filme aller Zeiten stand er jahrzehntelang ganz weit oben: Citizen Kane von Orson Welles aus dem Jahr 1941. Das Porträt eines Medienmagnaten, der am Ende einsam in seinem Palast Xanadu von einem Schlitten aus seiner Kindheit träumt. Und von einem Wort, dessen Bedeutung bis heute nicht gelöst ist: „Rosebud“. Orson Welles, das Wunderkind der amerikanischen Kultur der dreißiger Jahre, spielte damals selbst die Hauptrolle; mit seiner markanten Stimme hatte er schon Bühne und Radio erobert, nun sollte er in Hollywood eine große Karriere beginnen. Citizen Kane gilt heute als ein Meilenstein des klassischen Hollywood: ein genialer Film auch deswegen, weil alle Beteiligten daran exzellente Vertreter ihres Fachs waren, der Kameramann Gregg Toland zum Beispiel, oder der Komponist Bernard Herrmann. Der Cutter Robert Wise wurde später selbst ein erfolgreicher Regisseur. Bleibt noch, den Drehbuchautor zu nennen: Herman J. Mankiewicz. Ein Journalist aus New York, der in Hollywood nie den ganz großen Durchbruch schaffte und 1953 relativ jung an den Folgen seines Alkoholismus starb. Für Citizen Kane wurde er mit einem Oscar ausgezeichnet, allerdings gemeinsam mit Orson Welles.
Amanda Seyfried als Marion Davie
Die Frage, wem die herausragende Qualität von Citizen Kane wirklich zuzuschreiben ist, gehört zu den großen Debatten des amerikanischen Kinos. Die streitbare Kritikerin Pauline Kael hat in einem Buch mit dem Titel Raising Kane versucht, den Beitrag von Mankiewicz deutlich aufzuwerten. In David Finchers Mank ist diese Kontroverse im Hintergrund immer präsent. Im Zentrum des biografischen Films stehen die Wochen, in denen Mankiewicz das Drehbuch zu Citizen Kane schreiben muss: unter großem Zeitdruck und in einem Haus in der Mojave-Wüste, wohin ihn der Produzent John Houseman bringen lässt, damit er sich ganz auf seine Aufgabe konzentrieren kann. Eine Schreibkraft und eine Haushälterin sollen ihn bewachen, und dafür sorgen, dass Mankiewicz sein tägliches Pensum erfüllt. Der schreibt im Bett, und weiß nebenbei sehr wohl, wie er sich die Aufputschmittel verschafft, die er für seine Kreativität braucht.
Lily Collins als Rita Alexander and Gary Oldman als Herman Mankiewicz
David Fincher kam zu diesem Projekt durch seinen Vater Jack, einen Journalisten, der 2003 starb und das Drehbuch zu Mank hinterließ. Es ist keine Geschichte, die man sofort mit David Fincher verbinden würde, der als Regisseur seine Stärken vor allem im Genre des Thrillers hat: Se7en, Fight Club, Panic Room sind seine besten Filme. Und nun also Mank für Netflix, ein Schwarzweißfilm über das alte Hollywood, mit einem füllig gewordenen Gary Oldman in der Hauptrolle, und mit einem Zeitsprung in eine Ära, die mit der heutigen Filmindustrie kaum noch etwas zu tun hat. Es sind aber genau solche Stoffe, mit denen Netflix sich gern schmückt: Reminiszenzen an ein anderes goldenes Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, als die Studio-Bosse noch Charisma hatten oder zumindest einen Hang zum Größenwahn. Mank ist zugleich ein Produkt der Nostalgie wie auch von deren Überwindung: denn Fincher hat einen höchst künstlichen Film abgeliefert, einen Breitwandfilm über eine Zeit, in der es dieses Format noch gar nicht gab …
Lesen Sie den vollständigen Artikel in der Printausgabe des FAQ 59
MANK
Biopic/Drama, USA 2020 – Regie David Fincher
Drehbuch Jack Fincher Kamera Erik Messerschmidt
Schnitt Kirk Baxter Musik Trent Raznor, Atticus Ross
Production Design Donald Graham Burt Kostüm Trish Summerville
Mit Gary Oldman, Lily Collins, Amanda Seyfried, Arliss Howard,
Charles Dance, Tom Burke, Tom Pelphrey
Filmstart ab 4. Dezember bei Netflix, Kinostart tba.