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Schwierige Verhältnisse

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Archiv

Die Bedeutung von Alfred Hitchcock für die Filmgeschichte braucht man wohl nicht mehr näher zu erläutern, hat der geniale Regisseur doch laut Michael Haneke „die Bildsprache des Kinos so entwickelt, dass man gar nicht umhin kommt, von ihm beeinflusst zu sein.“ Psycho (1960) ist nur einer der von Meister Hitchcock in Szene gesetzten, ewigen Klassiker des Weltkinos. Die schwierige, von Finanzierungsproblemen geplagte Entstehungsgeschichte steht im Mittelpunkt des von Sacha Gervasi inszenierten Biopics Hitchcock. Doch dabei wirft der Film nicht nur einen ausführlichen Blick auf die Dreharbeiten von Psycho sondern rückt auch die komplexe und nicht immer friktionsfreie Beziehung von Alfred Hitchcock und seiner Frau in den Mittelpunkt. Obwohl zumeist sehr diskret im Hintergrund agierend, war Alma Reville nicht nur knapp sechs Jahrzehnte lang Hitchcocks Lebenspartnerin, sondern auch Beraterin und Mitarbeiterin an vielen seiner Filme. Zumeist ungenannt leistete die gelernte Cutterin einen in der Öffentlichkeit weitgehend unterschätzten Beitrag bei der Entstehung zahlreicher Klassiker. Mit Anthony Hopkins und Helen Mirren in den Rollen von „Hitch“ und Alma Reville stehen sich zwei absolute Schauspielgrößen gegenüber. Auch für die Rollen der Stars aus Psycho konnte Regisseur Gervasi prominente Namen gewinnen: Janet Leigh und Vera Miles werden von keinen Geringeren als Scarlett Johansson und Jessica Biel gespielt, James D’Arcy agiert als Anthony Perkins.

Wie erst unlängst Arnold Schwarzenegger, versucht nun auch Sylvester Stallone mit einer Reminiszenz an die schlag- und tatkräftigen Actionhelden der achtziger Jahre an seine großen Erfolge aus dieser Zeit anzuknüpfen. In Shootout spielt Stallone einen in die Jahre gekommen Profikiller, der jedoch trotz seiner eher rüden Profession mit einem ausgeprägten Ehrenkodex agiert. Das bringt ihn jedoch in Konflikt mit seinen Auftraggebern, die wenig Sinn für irgendwelche Skrupel haben. Und so muss sich der professionelle Hitman mit einem Cop zusammentun, um ein Komplott, das bis in höchste Kreise aus Wirtschaft und Justiz hineinreicht, aufzudecken. Nachdem er mit The Expendables schon auf Retro-Action im Stil der achtziger und neunziger Jahre gesetzt hat, tritt Sylvester Stallone nun erneut als einsilbiger Macho-Held Schurken aller Art gegenüber. Innovative Elemente wird man in Shootout vergeblich suchen, doch für die Inszenierung zeichnet mit Walter Hill ein Regisseur verantwortlich, der gerade im Action-Genre der achtziger Jahre einer der angesagtesten Namen des US-amerikanischen Kinos war. Mit Filmen wie The Warriors, Southern Comfort oder Streets of Fire entwickelte Hill auch eine ausgeprägte Handschrift, die über gängige Genre-Ware weit hinausreichte. Der hier propagierte Typus des Actionhelden erscheint mittlerweile allerdings ein wenig antiquiert.

Thomas Vinterberg zählte mit Lar von Trier zu den führenden Köpfen der 1995 entstandenen Dogma-Bewegung. Obwohl die Proponenten ihre puristischen Gebote für die Filmproduktion zuweilen selbst unterliefen – und dies auch durchaus selbstironisch eingestanden – kann man ihrem Dogma-Manifest einen gewissen Einfluss nicht absprechen. Vinterbergs Festen war einer der ersten und erfolgreichsten Filme, die diesem Konzept folgten. Auch wenn es mit der Dogmatik mittlerweile auch wieder vorbei

ist, dürfte Vinterbergs neuer Film mit seiner brisanten Thematik doch für einiges Aufsehen sorgen. Im Mittelpunkt von Die Jagd steht Lucas (gespielt von Mads Mikkelsen), der nach einer schwierigen Scheidung einen Neuanfang in einer dänischen Kleinstadt versucht. Doch er gerät fälschlicherweise in Verdacht, die Tochter seines besten Freundes missbraucht zu haben. Der Teufelskreis aus Misstrauen und Anschuldigungen mündet schon bald in einer Hexenjagd, die zu eskalieren droht.

Mit einem gesellschaftlich ebenfalls durchaus brisanten Thema setzt sich David Sieve-king in seiner berührenden Dokumentation Vergiss mein nicht auseinander. Sieveking hat dabei den Weg seiner Mutter Gretel begleitet, die aufgrund ihrer Demenzerkrankung eine tiefgreifende Veränderung in ihrem Leben erfährt. David Sievekings sehr persönlicher Film berichtet von den vielen Schwierigkeiten und Belastungen die auf seine Mutter – und auch den Vater – zukommen, aber auch von Erfahrungen positiver Natur, die die ganze Familie einander näher bringt.

Ulrich Seidls Paradies-Trilogie erfährt nun mit Paradies: Hoffnung ihren Abschluss. Ins Zentrum des Geschehens rückt dabei die 13-jährige Melanie (großartig gespielt von Melanie Lenz), die ihre Ferien in einem rigoros geführten Diätcamp im Wechselgebirge verbringt. Als sie sich in den Leiter des Camps, einen um mehr als 40 Jahre älteren Arzt, verliebt, bringt dies naturgemäß Probleme mit sich. Seidls Blick auf diverse Bruchstellen unserer Gesellschaft findet auch hier wieder die für den Regisseur gewohnt eindringlichen und zuweilen auch provokant überhöhten Bilder.

Mit Ulrich Seidls Paradies: Hoffnung wird die diesjährige Diagonale, die vom 12. – 17. März in Graz stattfindet, eröffnet. Das Festival des österreichischen Films bietet neben dem gewohnt umfassenden Querschnitt heimischen Filmschaffens einen ganz besonderen Stargast auf: Dominik Graf zählt seit mehr als drei Jahrzehnten zu den wenigen deutschen Regisseuren, die es geschafft haben, im Genrefilm eine ausgeprägte Autorenschaft zu entwickeln.

Bereits seine zehnte Auf-lage erfährt das Linzer Crossing-Europe-Festival (23. – 28. April). Neben bewährten Programmsektionen wie dem Wettbewerb und dem Panoramen, die europäisches Kino abseits des Mainstream präsentieren, sind diesmal mittels Publikumsabstimmung ermittelte Highlights aus allen bisherigen Festivals wieder zu sehen.

15 Filme von Dominik Graf sind bis Anfang April übrigens auch im Österreichischen Filmmuseum zu sehen. Schwerpunkt im März ist jedoch eine Retrospektive des Gesamtwerks von Robert Bresson, einem unbestrittenen Großmeister der Filmgeschichte, den der nun auch mit dem Oscar ausgezeichnete Michael Haneke als eines seiner frühen Vorbilder nennt.

Hitchcock

Kinostart 15. März

Shootout – Keine Gnade /Bullet to the Head

Kinostart 8. März

Die Jagd / Jagten

Kinostart 5. April

Vergiss mein nicht

Kinostart 22. März

Paradies: Hoffnung

Kinostart 15. März

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