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FAQ Art

Die Damen, „DAMEN Kalender“ im Auftrag der Austria Tabakwerke, Variante Oktober, 1990 Foto: Wolfgang Woessner, VBK 2013

Ein Gulasch muss her! Und am besten gleich in der Früh. Zumindest wenn sich der Abend wieder mal bis in den Morgen gezogen hat. Dazu ein kräftiges Reparaturseidl: DAMEN Bier EXTRA STARK auf passendem Bierdeckel. Bald ist die Welt wieder in Ordnung. Unglaublich, wie viele zu so früher Stunde im Café Alt Wien auf DIE DAMEN anstoßen. Allein die Anzahl ehemaliger Museumsdirektoren! Wie heißt doch ein alter Spruch spätestens nach dem ersten Glas: „Männer altern, Frauen reifen.“ Ehre, wem Ehre gebührt!

Mit dem Alt Wien in der Wiener Bäckerstraße nahmen DIE DAMEN einen symbolischen Ort der männlich geprägten Kunstszene für sich Anspruch. Nach 25 Jahren sind die Pionierinnen, die mit ihren Performances das Genre des Tableau vivant, des lebenden Bildes, ins Medienzeitalter übersetzt haben, wieder zusammengekommen: Aus Anlass der Aufarbeitung der künstlerischen Projekte der vier in der Landesgalerie für zeitgenössische Kunst St. Pölten. Ihre „Live-Interpretationen vom Rollenspiel der Geschlechter, die Kommentare zum Status der Frau im Kunstbetrieb und in der Gesellschaft sind pointiert und kritisch, humorvoll und voll Selbstironie.“ Wie leicht doch das Zitat von der Zunge geht!

Als Agentur für selbstbewusste Kunst von Frauen formierten sich DIE DAMEN Ona B., Evelyne Egerer, Birgit Jürgenssen († 2003) und Ingeborg Strobl 1987 unter dem Zeichen eines lässigen, spöttischen Feminismus. Ihre emanzipatorische Haltung war weder schmuddelig, noch kam sie in indischen Kleidern daher, sondern als cooler Lifestyle mit visuellen Botschaften aus dem Kontext aktueller Kunst. Und genau deren Szene war klassisch männlich dominiert. Ständiger Treffpunkt für Christian Ludwig Attersee, Walter Pichler, Dominik Steiger oder den Galeristen und Lokalbetreiber Kurt Kalb waren eben die Beiseln und Galerien der Bäckerstraße. Mit ihrer Bildpolitik kommentierten DIE DAMEN etwa ein altes Plakatsujet des Fotografen Christian Skrein, das einige der damaligen Hauptprotagonisten der Kunstszene zeigte. Deren Macho-Manier begegneten DIE DAMEN auf einem Postkartensujet – fotografiert von Leo Kandl – als die „vier neuen Mitglieder des Ersten Wiener Männergesangvereins“. Die Präsentation inszenierten sie im damaligen Bahnhofsrestaurant des Wiener Westbahnhofs. „Was Mode und Look betrifft, geben Ona B. in Bustierkleid und Lackhandschuhen, Ingeborg Strobl in der Lederkluft, Evelyne Egerer im modischen Jumpsuit und Birgit Jürgenssen in Pulli und Bleistiftrock einen variantenreichen Querschnitt durch weiblichen Lifestyle.“

So Kunstkritikerin und Kuratorin Brigitte Huck zur Strategie weiblicher Selbstermächtigung, wie sie DIE DAMEN verfolgten. In der Wiener Secession zelebrierten sie 1989 in Businesskostümen, in Hosenanzügen, in weißen Hemdblusen, Krawatten und Brillen den neuen „executive style“ der Frau. Danach ließen sie ihre Reise zur Vorbereitung ihrer Teilnahme an der Asian-European Biennale in Ankara in Form einer Serie fein abgestimmter Gruppenbilder dokumentieren. „Ein Schauplatz war die Bar in der Hotelspelunke Yeni, (…) eine versiffte Variante von Édouard Manets ,Eine Bar in den Folies-Bergère’ von 1882.“ Dazu war die Gazette Paul Ankara meets DIE DAMEN als kabarettistischer Fotoroman angelegt, der Mode-, Lifestyle- und Kunstzeitschriften von Vogue bis Artforum persiflierte. Lediglich als Steigerung solch subversiver Muster ist es zu verstehen, dass nach dem Ausscheiden von Ingeborg Strobl 1992 das Quartett neu gemischt und der New Yorker Konzept-Künstler Lawrence Weiner zur DAME wurde.

Und zwischendurch klassische Musik? Nein, neu interpretiert. Auch nicht das! Sondern die Aneignung eines alten künstlerischen Verfahrens. Keine schrillen Auftritte, sondern die Vertiefung in Material und Struktur. Gunter Damisch, der in den 1980er-Jahren zu einem der Neuen Wilden in der Malerei avancierte und – wenn schon von Sound die Rede ist – gemeinsam mit Künstlern wie Gerwald Rockenschaub oder Fritz Groß Mitglied der New Wave Band Molto Brutto war, arbeitet seit 2009 intensiv auf großformatigen Druckplatten.

Auffallend, wie schnell es Konvention wurde, in so einem Fall von einer „analogen“ Technik zu sprechen. Die Online-Gesellschaft rechnet ihre Bilder bloß noch in Bits und Pixel. „Ich gebe zu, dass ich ein Mensch aus dem prädigitalen Zeitalter bin“, merkt Gunter Damisch mit reflektiertem Abstand zum schnellen Drive von einstmals hingegen an. „Ich liebe Literatur oder Feuilletons, über die ich mir ein Weltbild verfügbar machen kann. Meine geistige Auseinandersetzung findet stark über Zeitungen und Druckwerke statt. So trifft man in meinen Collagen auf Bilder oder Auszüge aus Texten von und zu Dürer, Warhol, David Bowie, Jean Paul, Diderot und andere. Über Literatur, Musik und Philosophie wird mir ein intellektuelles Gebäude zugänglich.“

Rund 60 Arbeiten aus einem neu entstandenen Werkzyklus von bisher über 100 Holzschnitten, farbi-gen Unikatdrucken und Collagen zeigt Gunter Damisch nun in seiner Ausstellung „Macro Micro“ in der Albertina. Aus der Sichtweise des postmedialen Zeitalters eröffnet sich der Blick auf ein Netzwerk visueller Strukturen, Schichtungen und Überlagerungen von Informationseinheiten – festgehalten in einer traditionellen künstlerischen Technik. Gunter Damisch ist Sammler. Unentwegt akkumuliert er Zeichensysteme aus dem Alltag, aus Beobachtungen, die er als Materialsammlungen in Skizzenbüchern anlegt oder in Form gesammelter Fotos aus Zeitungen, Zeitschriften oder Zeitungsausschnitten in Künstlerbüchern zusammenführt. Ein Schnitt durch die Zeiten und Formen der Aneignung solcher Speichersysteme, die in der Überlagerung den Charakter von Notationen annehmen, manifestiert sich in seinen neuesten Werken. Im postmedialen Zeitalter steigern sich die Versuche, unterschiedliche bildgebende Verfahren miteinander zu verschneiden.

Aus der Ferne klingen noch ein paar Takte „ROCK ´N´ ROLL?“ auf. Roh und inszeniert ungeschliffen wie einst. Warum nicht in Wien bleiben, wenn es sogar zu heiß ist, um rauszufahren aus der glühenden Stadt. Als Idiosynkrasie funktioniert die Ausstellung „ROCK ´N´ ROLL?“ im Projektraum Viktor Bucher gerade jetzt. Keine Fragen stellen und hingehen. Badeschiff später. Ist ohnehin gleich in der Nähe. Einem diverse Images und Codes aus der Populärkultur entgegenschleudernd, erinnert die vom Künstler Andreas Leikauf kuratierte Ausstellung fast an die Frische von Projekten wie „L.A. on Paper“ einst in der Galerie Krinzinger. Dass Leikauf selbst als Künstler das visuelle Material für seine Malereien von Fotografien, aus Zeitungen oder einschlägigen Magazinen bezieht, ist als Methode nicht neu, doch gelingt es ihm, Pop und Pop Art wiederzubeleben. Es schleicht sich die Bereitschaft ein, sich mit dem Nostalgischen in seiner Kunst, die Glamour und Street-Style ins 21. Jahrhundert transformieren möchte, zu versöhnen. An Rebellion und Transgression zu glauben ist eben doch viel schöner.

Der in Milan und Paris lebende Italiener Nicola di Caprio bringt Mythen des Pop – wie etwa Zeichen für das Satanische – ins Spiel, während sich der in Wien lebende Künstler und Musiker Stephen Mathewson mit Malerei und Comic zwischen Textkunst und Trivialprosa bewegt. Schön, dass auch der US-amerikanische Künstler Jad Fair, der einigen noch aus dessen Band Half Japanese als Rock-Dekonstruktivist in Erinnerung sein dürfte, dabei ist. Ja, wir bewegen uns entlag von Oberflächen. Sie bleiben jedoch verführerisch.

DIE DAMEN

Landesgalerie für zeitgenössische Kunst ST. PÖLTEN

Landesmuseum Niederösterreich,

Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten

bis 03. November 2013

Gunter Damisch „Macro Micro“

Albertina

Albertinaplatz 1, 1010 Wien

bis 22. September 2013

ROCK ´N´ ROLL?

projektraum viktor bucher

Praterstrasse 13/1/2, 1020 Wien 

| FAQ 23 | | Text: Schöny Roland
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