Wie kann man sich im Jahr 2013 die Arbeitsweise eines Automobildesigners vorstellen? Hat der Zeichenstift zugunsten von Computern ausgedient?
Am Anfang des Design-Prozesses steht die „emotionale Phase“. Sie ist wichtig, um die gestalterischen Potenziale eines neuen Fahrzeugprojekts auszuloten und die verschiedenen Design-Ideen in die richtigen Bahnen zu lenken. In dieser Phase sind Zeichenblock und Farbstift nicht wegzudenken um Visionen zu fixieren und neue Formen zu skizzieren. Immer häufiger greifen wir auch zu elektronischem Stift und „Drawing Board“. Die Technik erweitert unsere kreativen Möglichkeiten und erlaubt es uns, viele Varianten eines neuen Autos zu gestalten, sie mit geringem Aufwand zu verändern und die Ergebnisse rasch mit den Vorgaben des konzeptionellen Lastenhefts zu vergleichen.
Welchen Aufgabenbereich hatten Sie während der Entwicklung des CLA inne? Wieviele Menschen waren in den Entstehungsprozess involviert?
Mein Verantwortungsbereich war die Gestaltung des Exterieursdesigns. Zum Projektstart arbeitet nur ein kleines Team aus Design, Vertrieb, Entwicklung und Produktion an einem neuen Auto. Später sind es mehrere hundert Menschen, die sich um die Einführung eines neuen Modells kümmern.
In den Entwicklungsprozess eines neuen Autos fließen enorm viele Aspekte ein – von Sicherheitsauflagen bis zu ökonomischem Treibstoffverbrauch. Welche Rolle spielt der Designer bei solchen Fragen?
Technische und gesetzliche Anforderungen sind manchmal nicht kompatibel mit den Visionen der Designer, daher müssen die Designer ihre Vorstellung ständig aus verschiedenen Perspektiven kritisch hinterfragen, neue Lösungsansätze erarbeiten und diese gemeinsam mit Projektpartnern in den Entwicklungs- und Fertigungsbereichen diskutieren und abstimmen.
Wie lange hat es von den ersten Entwürfen bis zur Präsentation des Autos gedauert?
Von der ersten Skizze bis zur Abgabe der Seriendaten dauert der Designprozess ungefähr 2-3 Jahre.
Jede neue Serie soll sich formal weiterentwickeln und trotzdem als „typischer“ Mercedes erkennbar bleiben. Wie schwierig ist diese Gratwanderung?
Es ist eine spannende Herausforderung, denn die Tradition ist ein elementarer Aspekt, der auch in die Gestaltung unserer Fahrzeuge einfließt. Dabei bedeutet Tradition nicht Last, sondern Motivation unser Produktdesign weiterzuentwickeln und in neue, aufregende Dimensionen zu führen.
Wie intensiv studieren Sie zuvor die älteren Modelle?
Tradition und das Wissen um die Geschichte unserer Automobile sind sehr wichtig. Als Designer muss jedoch die Kunst darin bestehen, Revolution und Evolution zu synchronisieren. Ein Mercedes ist immer auch ein Stück weit zeitlos, er steht für unsere Markenwerte wie Solidität, Qualität, Stil und Innovation.
Wenn Sie sich Wagen von Mercedes aus früheren Jahrzehnten ansehen und sie mit heutigen Wagen vergleichen, sehen sie eine logische Weiterentwicklung der Form?
Absolut, wenn man sich beispielsweise die neue S-Klasse anschaut, sieht man deutlich wie sich das Design über Jahrzehnte weiterentwickelt hat. Typische Stilelemente stellen über die Generationen hinweg eine formale Verwandtschaft her, wobei jedes Modell mit seinem eigenständigen Design die Werte und Stärken von Mercedes-Benz perfekt auf den Punkt bringt.
In Presseaussendungen wird der CLA unter anderem als „avantgardistisch“ beschrieben. Können Sie diesen Aspekt näher erläutern?
Der CLA ist extrem in seiner Ausprägung; in der Proportion, mit dem kleinen Greenhouse, der hohen Schulter und dem unverwechselbaren Gesicht. Überhaupt das ganze Design ist sehr expressiv und unverwechselbar und zeigt, dass Mercedes in diesem Segment die progressivsten Ideen liefert.
Sieht man sich in einschlägigen Automobilforen um, ist die Meinung geteilt. Die einen sind begeistert von den neuen Aspekten, die anderen kritisieren die Veränderung. Verfolgen Sie solche Diskussionen? Wie sind Sie mit dem Feedback bisher zufrieden?
Als Designer muss man einerseits kritikfähig sein, sich andererseits aber auch nicht alles zu Herzen nehmen. Wichtig ist schlussendlich die Akzeptanz bei den Kunden und der Verkaufserfolg, denn darauf haben wir mehrere Jahre hingearbeitet.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Endresultat? Gibt es Dinge, die Sie anders gemacht hätten?
Sehr zufrieden, der CLA ist mit seiner radikalen Formensprache das progressivste Fahrzeug in der Mittelklasse und wirft gleichzeitig ein Schlaglicht auf die sportliche Seite der Marke Mercedes-Benz. Und dass er Anziehungskraft hat, zeigt sich auch an seinem Erfolg im Markt. Trotzdem ist man Jahre später immer schlauer, denn die Welt verändert sich und man entwickelt sich weiter. Das Tolle daran ist, dass man diese ganzen Erfahrungen in zukünftige Projekte einbringen kann, zum Beispiel dem Nachfolgemodell.
Werden Sie auch beim Entwurf kommender Serien dabei sein?
Als Leiter des Exterieur Designs verantworte ich die Entwürfe aller Baureihen und freue mich schon auf die zukünftigen Projekte.
Robert Lesnik wurde 1971 in Maribor, Slowenien geboren und machte an der dortigen Universität sein Diplom in Maschinenbautechnik. 1998 folgte das Diplom in Transportation Design an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim. Von 1998 bis 2006 war Lesnik als Designer für die Volkswagen AG tätig, von 2007 bis 2008 arbeitete er als Design-Manager im Bereich Exterieur für KIA Motors. Seit 2009 steht Lesnik im Dienst der Daimler AG.