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It takes four, baby!

Wenn der erste Eindruck tatsächlich der entscheidende ist, wie eine Volksweisheit nahelegt, versteht es das Showcar des smart fourjoy von Anfang an, für sich einzunehmen. Als sich Ende August in einer Halle in Sindelfingen für eine kleine Schar internationaler Journalisten der schwarze Vorhang hebt und den Viersitzer enthüllt, meint man zunächst, in ein freundlich lächelndes Gesicht zu blicken: Die Scheinwefer gleichen Augen, das Markenlogo am Grill könnte als Nase durchgehen und eine geschwungene Linie erinnert an einen Mund. Stärker noch als die Vorgängermodelle strahlt der Wagen eine geradezu comicartige Persönlichkeit aus, die Asso-ziationen zu Animationsfilmen weckt. Ein Eindruck, den Michael Gebhardt, Designer des Exteriors bestätigt: „Smart hat mit Comics zu tun und immer schon ein freundliches Gesicht gehabt – das wollten wir weiterentwickeln.“ Doch der erste Eindruck ist nicht alles – die Dinge sind komplexer und durchaus in der realen Welt verankert, wie Kai Sieber, Leiter der Designabteilung, ergänzt: „Viele Designer lassen sich von Masken inspirieren. Wir haben uns Fotos von Menschen angesehen und Gesichtsausdrücke diskutiert und analysiert. Ausgangspunkt war das Foto eines Mädchens mit Sommersprossen. Danach haben wir geschaut, wie wir davon ausgehend erwachsener werden können.“

Die Thematik des Erwachsenwerdens lässt sich dabei nicht nur auf das Auto selbst, sondern auch auf die potenzielle Zielgruppe umlegen: Viele, die mit früheren Modellen der Kultmarke sozialisiert wurden, haben mittlerweile Familie und somit auch Bedarf an einem urbanen Viersitzer. Wird bei den smart-Zweisitzern aus dem Hause Daimler auch weiterhin die magische Zahl von 2,69 Metern hochgehalten – eine in unzähligen internationalen Fanclubs geradezu heilige Größe, die es dem smart erlaubt, auch auf Flächen zu parken, auf denen die Konkurrenz keinen Platz mehr findet – so wird der Viersitzer um 80 Zentimeter länger werden. Sieber: „Wir haben uns gefragt, wie wir mit den Proportionen spielen können. Es sieht aus, als hätte der smart ein wenig Bodybuilding betrieben.“

Bereits vor einigen Jahren hat man es mit einem Viersitzer probiert – von 2004 bis 2006 wurde der fünftürige smart forfour produziert. Doch im Vergleich zum eher funktionalen Vorgänger wirkt der Neue – zumindest in der vorgestellten Studie – um einiges verspielter, was durchaus zu den poppigen Anfängen der Marke passt, die noch stark vom Engagement des 1998 wieder aus dem Projekt ausgeschiedenen Swatch-Gründers Nicolas G. Hayek geprägt war. Wer eigene Wege geht, genießt nicht immer ungeteilte Zustimmung, was sich in so manchem polemischen Kommentar (der ehemalige VW-Vorstand Ferdinand Piëch etwa sprach vom „Elefantenschuh“) zeigte. Doch dass die Marke polarisiert, sieht Dr. Annette Winkler, Head of smart, nicht als Handicap – ganz im Gegenteil: „Dadurch bleibt smart sozusagen ‚forever young‘. Unsere Wagen sind ikonisch und stehen für etwas. Vor allem in China habe ich das stark mitbekommen – das ‚four‘ etwa hat sich erst durch Gespräche dort ergeben. Chinesische Kunden erzählten mir, dass sie einen smart fahren, weil sie zeigen wollen, dass sie für das Andere, Besondere stehen. Und das muss sich eben nicht durch den Kauf einer Luxuslimousine ausdrücken, sondern dadurch, dass man einen innovativen, visionären Wagen fährt – ein Premiumauto, das im Wortsinn smart ist. Im Moment sind unsere 17.000 Autos in China noch eine Nische. Aber eine Nische in China ist überaus interessant.“

Das anwesende smart-Team, dem man den Stolz auf das Concept Car durchaus anmerkt, will ehrliche Meinungen zum neuen Auto hören, ist auf Feedback gespannt und verströmt bei der Erläuterung des Konzepts Begeisterung (Das Zusammengehörigkeitsgefühl zeigt sich auch darin, dass Peter Balko, Designer des Interieurs, darum bittet, im Artikel auch seine abwesenden Kollegen Zimo Yang und Christopher Ottersbach zu erwähnen). Michael Gebhardt erklärt, auf welche Weise das Concept Car Aufmerksamkeit auf sich ziehen soll: „Natürlich ist der Wagen in dieser Form noch nicht das Endprodukt, das man 2014 auf den Straßen sehen wird, aber es fehlt nur noch ein kleiner Schritt – Silhouette und Proportionen sind schon sehr nahe an der Finalversion. Bei unserem Entwurf hier haben wir auf Türen, Dach und Heckscheibe verzichtet. Man kann also ganz ohne Hindernisse in den Wagen blicken.“ Für Aufmerksamkeit sorgt auch das auf Hochglanz polierte Aluminium, das sich von den Außenrahmen bis hin zu den Pedalen zieht und den Premiumcharakter der Marke unterstreicht. Eyecatcher sind auch einige extra für das Showcar kreierte Spezialeffekte – so macht beispielsweise ein alltäglicher Vorgang wie das Aufladen des sich im Heck befindlichen 55-kW-Permanentmagnetmotors Spaß: Steckt man das Ladegerät an, startet am Seitenspiegel eine flashige Lichtshow, die den Ladestand anzeigt. Das turbinenartige Rücklicht ist direkt in die legendäre „tridion Zelle“ eingelassen, die auch schon im ersten smart vorhanden war und die Insassen im Fall eines Aufpralls schützt. Die smart-DNA wurde also logisch weiterentwickelt, der fourjoy ist gleichzeitig Hommage an und Weiterentwicklung des Urmodells.

„Mit diesen Concept Cars könnt ihr Designer zeigen, wie superkreativ ihr seid“, spielt Winkler lachend auf die vielen Details an, fügt aber sogleich seufzend hinzu: „Es ist wirklich schade, wieviel Kreativität der Designer durch Versicherungsvorschriften verloren geht. Da heißt es oft um Zulassungsvorschriften herum designen.“ Gebhardt stimmt zu, sieht in diesem Umstand aber durchaus eine spannende Herausforderung: „Es macht Spaß, sein Design trotzdem umzusetzen. Man fragt sich, was man tun muss, um den Entwurf am Leben zu erhalten.“ Zu den weiteren Specials des Concept Cars gehören übrigens auch ein Elektroskateboard, das sich an Halterungen am Dach befestigen lässt, Helme sowie eine Handkamera, mit der man während des Skatens filmen kann. Der Fun-Charakter des Autos findet in diesen Details einen ebenso verspielten wie urbanen Ausdruck. Auf die Frage hin, ob man im Auto Platz nehmen dürfe, heißt es nach Rücksprache: „Ja – aber bitte sehr, sehr vorsichtig.“ Ein verständlicher Hinweis, wenn man bedenkt, dass es sich hier um das Originalmodell handelt, das einige Tage später auf der IAA präsentiert werden wird.

Im Inneren macht eine Vielzahl origineller Details Eindruck, die sich so wohl leider nicht in der Endversion finden werden. Dazu Peter Balko: „Man könnte sagen, dass wir als Designer in dieser Entwicklungsstufe beinahe Künstler sind.“ Man ist geneigt, Balko recht zu geben: Die Plexiglas-Schalttafel weist dreidimensionale Hexagone auf, die Formensprache ist rundlich und elliptisch. Der Weg in die Serie wird somit auf abstrakt-künstlerische Weise veranschaulicht. „Die Multimedia-einheit in der Mitte der Schalttafel wurde bewusst als Smartphone-Halterung gestaltet, um die urbane Mobilität zu Ende zu denken. Am Smartphone hat man heutzutage alles dabei, von Navigation bis Radio. Und wenn man nach dem Parken zu Fuß weitergeht, nimmt man es einfach mit“, so Balko. Die Sitze, die sich mit touchsensitiver Bedienungsfunktion verstellen lassen, sind sowohl emotional als auch ikonisch und durch eine einfache Linie komplett beschrieben. Hat man zunächst noch Zweifel, ob der Designerchic auch bequem ist, wird man beim Test eines Besseren belehrt – man sitzt überaus komfortabel.

Individualismus wird bei smart jedenfalls nicht nur auf der Ebene von Design und Lebensgefühl großgeschrieben, sondern auch, was die Leistbarkeit betrifft, so Annette Winkler: „Der Viersitzer wird einen wettbewerbsfähigen Einstiegspreis haben und sich im Konkurrenzumfeld gut sehen lassen können. Wir haben einen großen Spread – es geht bei 10.000 los, aber Sonderanfertigungen können schon mal 40.000 Euro kosten. Schließlich fährt der Konzernchef damit ebenso gern in die Stadt wie der Student.“

Auch wenn der Release erst 2014 erfolgen und es gegenüber dem Showcar noch Änderungen geben wird, konnte „der Neue“ mittlerweile auf der IAA positives Feedback generieren. Zu Recht – der smart fourjoy verspricht ein Auto zu werden, das Fahrspaß garantiert.

| FAQ 24 | | Text: Oliver Stangl
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