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FAQ–Music

Unglaublich wie die Zeit verfliegt! Jetzt ist es schon fast zehn Jahre her, dass die schottische Art-School-Truppe Franz Ferdinand mit ihrem Debüt die Popszene aufmischte. Nach vierjähriger Veröffentlichungspause meldet sich das Quartett um Sänger Alex Kapranos und Gitarrist Nick McCarthy mit Right Thoughts, Right Words, Right Action (Domino) nach endlosen Tourneen wieder zurück – und enttäuscht dabei nicht. FF hatten sich für die Aufnahmen eingeigelt um möglichst wenig gestört zu werden, und das Resultat ist – nachdem sie mit Tonight (2009) einen Abstecher Richtung Discokugel gemacht haben, der nicht unbedingt goutiert wurde – eine Rückkehr zu den Kernkompetenzen. Eckige Gitarren, knackige Arrangements mit Tempo- und Tonartwechseln und natürlich mitgröhltauglichem Harmoniegesang. Support hat man sich bei Hot Chip, Bjorn Yttling (Peter, Bjorn&John) und dem norwegischen Disco-Trickser Todd Terje geholt. Heraus sticht am ehesten der Song „Fresh Strawberries“, der mit seinen Sixties-Referenzen (hymnischer Chorgesang!) einen musikalischen Gruß an die Beach Boys und die Beatles schickt. „Goodbye Lovers and Friends“ heißt das Stück am Ende der kurzweiligen 35 Minuten. Ob uns die Band damit etwas sagen will? Konsolidierung auf hohem Niveau gelungen.

Anders gelagert sind die Aktivitäten des seit 2006 bestehenden Tuareg-Kollektivs Tamikrest. In der Sprache des nomadischen Saharavolkes Kel Tamashek, das international Tuareg genannt wird, heißt Tamikrest „Bündnis/Verbindung/Knoten“. Dies steht einerseits für die Verbindung des Volkes untereinander, und anderseits für die musikalische Kreuzung von Melodien, die bereits die Ahnen der Nomaden am Lagerfeuer gesungen haben mit dem Tamasheq Blues sowie westlicher Gitarrensounds. Das bereits dritte Album der Söhne und Töchter im Geiste der Band Tinariwen heißt Chatma (glitterbeat/Hoanzl), was „Schwestern“ bedeutet, und ist monothematisch den mutigen Tuareg-Frauen gewidmet. Das aufgrund der politischen Konflikte (Verfolgung und Einführung der Scharia in ihrer Heimat Mali) im algerischen Exil lebende, vielgereiste Septett besingt poetisch Ungerechtigkeit, Trauer, moralische Entrüstung und das einfache Leben auf Basis eines erstaunlich luftigen Sounds, angesiedelt zwischen hypnotischem Desert-Blues, Dub und Art Rock, meist von treibenden Percussions grundiert. Der charismatische Gesang von Gitarrist Ousmane Ag Mossa und Sängerin Wannou Wallet Sidaty entwickelt dabei besondere Strahlkraft. Eine Hommage an das Wish You Were Here-Album von Pink Floyd findet sich in „Assikal“ – instrumental immer wieder zitiert, oder zumindest angedeutet.

Fast schon Stammgäste auf dieser Seite sind die fantastischen Briten Tindersticks, die aktuell das 20-jährige Jubiläum seit der Veröffentlichung ihres ersten, epochalen Albums begehen. Und – ganz Gentlemen – drücken sie den Fans nicht einfach eine neue „Best Of“-Koppelung aufs Aug‘, sondern haben sie sich entschlossen gewisse Stücke, die „in den vergangenen 20 Jahren verloren gegangen sind“ (so Sänger Stuart Staples), neu einzuspielen. Aufgenommen wurde across six leap years (Lucky Dog/City Slang) live parallel zu den Aufnahmen für The Something Rain vergangenen März im Abbey Road Studio 2. „Neu erschaffen und verwirklicht“ (Staples) wurden zehn Stücke, darunter Klassiker wie „Dying Slowly“, „Say Goodbye To The City“, „She’s Gone“, „A Night In“ und andere Großtaten. Es sei dabei darum gegangen, den wiedergewonnenen emotionalen Zugang zu den Songs zu dokumentieren, und das Resultat sich selber und den Fans zum Geschenk zu machen. Und wer die alten mit den aktuellen Aufnahmen vergleicht, wird hören, dass sich da eine andere Energie – jenseits von besser oder schlechter – entfaltet. Sowohl für Kenner/Besitzer des Gesamtwerkes der Dandytruppe als auch für Frischlinge absolute Pflicht!

Verändert hat sich auch die Energie in den Stücken des Grazers Georg Altziebler, besser bekannt unter dem Projekt-Alias Son of the Velvet Rat. Mit Firedancer (monkey/Rough Trade) legt Altziebler sein fünftes Album vor, das Folgealbum von Red Chamber Music (2011) mit Gast Lucinda Williams, seinem erfolgreichsten bisher. Mit „Firedancer“ – aufgenommen in Graz, LA, und Nashville – bewegt sich SOTVR weg von Americana, das der Songwriter für sich vorerst als ausgereizt ansieht, hin zu einer breiteren Palette an Sounds. Phette Bläserarrangements wie auch leise Balladen finden Einzug ins Universum der Samtratte. Wobei die Verschiebungen im Klangbild auch mit den wechselnden Aufenthaltsorten zusammenhängen dürften: Altziebler und sein Frau und musikalische Partnerin Heike Binder pendeln nämlich samt Nachwuchs aktuell im Halbjahrestakt zwischen Graz und einer kalifornischen Kleinstadt. „Die Platte hat viel mit dem Tod meines Vaters zu tun“, erklärt Altziebler in einem Interview. „Einige Lyrics sind unmittelbar danach entstanden. Das Widersprüchliche, das so ein Ereignis auslösen kann.“ Und so wurde Firedancer ein zehnteiliger, sehnsüchtiger Marche funèbre, der mit seinen vielen Zwischentönen auch beim Publikum kathartische Wirkung entfalten könnte.

Weniger Innigkeit kann die Band Slut aus Ingolstadt um Sänger Chris Neuburger, die auch schon 20 Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel hat, erzeugen. Trotz beständig guter Platten ist eine der besten englischsingenden Bands from Germany international erstaunlich unbekannt geblieben. Alienation (Cargo) ist ihr siebtes Album, auf dem die Gitarre nur mehr ein Instrument unter vielen ist, Postrock mit Popschlagseite und zurückhaltendem Gesang. The Notwist oder auch Atoms for Peace drängen sich als Referenzen auf, wobei Slut schon ihr eigenes Soundsüppchen kochen. „Anybody have a Roadmap“ zum Einstieg etwa schüttelt zu differenzierter Elektronik eine Traummelodie aus dem Ärmel, im spartanischen Titelstück singt Neuburger berührend über die Menschen in Ingolstadt („Most of us turn petit bourgeois“) und in „Never say Nothing“ zitiert Neuburgers helle Stimme wiederholt „She’s lost Control again“ vom früh verstorbenen Ian Curtis Sänger. Ein wunderbares, nachdenkliches Album.

| FAQ 24 | | Text: Koroschetz Stefan 2
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