Wir machen Practical Couture
Franziska Fürpass und Sia Kermani arbeiten an ihrer Vision von eleganter Mode – für die Frau mit Ecken und Kanten.
„Warum immer von der Femme Maison-Frau, die Ecken und Kanten hat, reden und dann mit einem perfekten Model shooten?“ Sia Kermani, die männliche Hälfte des Modeduos Femme Maison, sinniert laut über dise Frage, die er und die Modedesignerin Franziska Fürpass sich in den letzten Monaten gestellt haben. Und er erzählt von den Entwicklungen, die das Label in den letzten Jahren stückweise genommen hat. Während die Lookbooks vor einigen Saisonen noch mit einem Model geschossen wurden, ist diesmal eine Schauspielerin, die Italienerin Elettra Mallaby, vor Sia Kermanis Kamera gestanden. Die sieht zwar in den teils geprinteten, meist überknielangen Seidenkleidern von Femme durchaus wie ein Model aus, verfügt aber nicht über entsprechende Maße. Das Lookbook mag das eine sein. Wen aber haben die beiden Labelbetreiber vor Augen, wenn sie Mode machen? „Wir lieben elegante Charakterfrauen“, entgegnet Sia Kermani wie aus der Pistole geschossen.
Ada Kokosar ist für die Designerin Fürpass zum Beispiel so eine. Die Stylistin, die mittlerweile auf den internationalen Streetstyleblogs eine Art Celebrity ist, inspiriert Fürpass. Diese Zuneigung ist offenbar gegenseitiger Natur. Kokosar wurde schon des öfteren in Kleidungsstücken von Femme Maison abgelichtet. Mit ihr stehe man in losem Kontakt, erzählt Kermani – und offenbar in einem fruchtbaren Dialog. Kokosar habe Franziska auf die Modedesignerin Valentina Schlee hingewiesen, deren Design sie an das von Franziska erinnere. Doch was macht denn eigentlich die Mode des im 9. Wiener Gemeindebezirk ansässigen Labels aus? Die „Practical Couture“ sei ihr Kernthema, erläutert Kermani: Kleidung darf nicht nur schön und elegant aussehen, sondern sollte auch zu tragen sein. Deshalb hat Franziska Fürpass irgendwann begonnen, ihre Entwürfe ganz bewusst anzuziehen und auf Alltagstauglichkeit zu testen. „Drapierungen sehen auf der Puppe oder bei einem Fotoshooting super aus. Aber wenn man für einen Mantel mehr 1000 Euro zahlt, will man natürlich, dass das alles praktikabel ist“, erklärt Sia. Dabei sind es oft die kleinen Dinge, die das große Ganze rund machen. Franziska habe für ein aufwendig drapiertes Stück zum Beispiel einen Gürtel entwickelt, der die Drapierung beim Schließen perfekt aussehen lasse. Eine Frau geschmackvoll und so zu kleiden, dass sie sich trotzdem bewegen könne, sei im Moment für Femme Maison relevanter, als die nächsten Kollektionen rauszuwerfen. „Es ist ein Blödsinn, auf Big Player zu machen.“ Stattdessen besinnen sich Franziska Fürpass und Sia Kermani zunehmend auf ihre eigene modische Identität und versuchen auch zu zeigen, was diese ausmacht: „Wir möchten für qualitativ hochwertige Mode stehen und betreiben hinsichtlich des Handwerks einen regelrechten Fetischismus.“ Da versteht es sich fast von selbst, dass Femme Maison sich als ein „ganzheitliches Unternehmen“ versteht. Über die Zeit entwickelte sich ihre Idee zu einer Art Familienunternehmen – dazu gehören mittlerweile auch die Zulieferbetriebe. Und die beiden haben noch einiges vor: „Es sind einige Projekte geplant, die unser Label ergänzen sollen.“ Tatsächlich versuchen Femme Maison eine Struktur aufzubauen, die längerfristig Geld hereinbringt.
Von Vorteil ist dabei sicherlich, dass Kermani und Fürpass aus unterschiedlichen Bereichen kommen. Sie ist Absolventin der Modeklasse der Angewandten unter Veronique Branquinho und Raf Simons, er war einige Jahre Software-Entwickler, arbeitete in Mailand als Modefotograf und studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien. Der unterschiedliche Background der beiden, insbesondere Kermanis Abstand zur Mode hat für die Aufgabenteilung der Beiden sehr wohl Vorteile: „Ich fühle mich das erste Mal wohl mit Excel-Tabellen, ich muss hier meinen kreativen Part nicht ausleben. Das beruhigt mich und gibt mir Sicherheit.“ Auf Franziska habe das wiederum abgefärbt. Sie sei in wirtschaftlichen Belangen sehr stark geworden. Und Sia Kermani, wie hat er in die Mode hinein gefunden? „Ich hatte am Anfang Nachholbedarf, was die Stoffe und Materialien anging. Ich bin eben kein Designer, versuche mich aber nahtlos dranzuhängen, wenn Franziska mich braucht.“ Die hat übrigens einmal erklärt, Femme Maison stehe „für den weiblichen Körper, das Bedürfnis nach Schutz und die Notwendigkeit des Aufbruchs.“ So wie sich das im Frühjahr 2014 anhört, sind Femme Maison gerade mitten im Aufbruch.
Von Camouflage und Fischgrät
Tanja Bradaric und Taro Ohmae arbeiten zielstrebig an ihrer Vorstellung von Mode.
Gerade erst sind sie dabei, sich wieder in Wien zu akklimatisieren. Hinter Tanja Bradaric und Taro Ohmae liegen zwei anstrengende Monate, in denen sie über Paris nach Tokio und wieder retour gejettet sind. Seit gut zwei Wochen sind sie nun zurück und gewöhnen sich daran, dass hier alles so ganz anders ist als in Tokio. „Es war wahnsinnig interessant, zu sehen, wie Mode in Asien konsumiert wird und wie die dortigen Netzwerke funktionieren“, sagen die beiden rückblickend. Ihrer Mode wird das Hin und Her wieder einmal gut tun, denn die lebt von ihrem feinen Culture Clash. Die Kroatin und der Japaner machen in Wien seit drei Jahren zusammen Mode, und sie liefern seit einigen Saisonen ziemlich coole, ziemlich ausgesuchte Looks mit dem gewissen Etwas ab. Dabei, das werden Tanja Bradaric und Taro Ohmae nicht müde zu betonen, jonglieren sie gerne mit den Zuschreibungen und Stereotypen ihrer Herkunftsländer. Im letzten Herbst haben sie sich den Lodenmantel vorgeknöpft, für diesen Winter haben sie sich von den Verlegemustern von Parkettböden anregen lassen. „Europäische Fußböden sehen anders aus als japanische und diese wiederum anders als die in anderen Kulturen und auf anderen Kontinenten.“ Dass der Kollektion die Verlegemuster von Holzfußböden Pate standen, erahnt man schon, wenn man sich die farblich voneinander abgesetzten geometrischen Elemente und die verwendete Farbpalette ansieht. Einmal darauf gestoßen, meint man die Strukturen der Holzbretter aus einigen Kleidungsstücken heraus-lesen zu können. Die ineinander verschlungenen geometrischen Muster in Moosgrün, Braun, hellem Grün und Grau ziehen sich über Kleider, Oberteile und Röcke, doch damit nicht genug. Weil Kroatien meist unweigerlich mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien assoziiert wird, haben Bradaric Ohmae uns diesmal Elemente aus der Armeekleidung untergejubelt. Da treffen dann Camouflagemuster-Farben der Uniformen auf Kimono-Elemente, die im Westen so gerne als stereotype modische Elemente herhalten dürfen. Dazu wurde wie immer eine feine Taschenkollektion entwickelt, die gleich zum Mitnehmen animiert: Glücklicherweise meint man der Mode des Duos den Spaß, den es bei seiner Arbeit hat, einfach anzusehen. Und das seit der ersten Kollektion – auch wenn am Anfang Accessoires, also Armbänder, Ketten und schmale Clutches standen. Was Bradaric Ohmae so eigen macht? Sie nehmen ihre Sache ernst und sie ziehen an einem Strang. Kennengelernt haben sie sich während ihres Studiums an der Modeklasse der Universität für angewandte Kunst. Damals stand er noch am Anfang seines Studiums und sie steuerte schon auf den Abschluss zu. Doch das alles sollte kein Hindernis sein. Bevor Tanja Bradaric und Taro Ohmae 2011 ihr gemeinsames Label gründeten, haben beide Erfahrungen in großen französischen Modehäusern, nämlich denen von Balenciaga und Chloé, gesammelt. Wahrscheinlich ließen sich deren Einflüsse auch heute noch in der Designsprache des Labels Bradaric Ohmae nachvollziehen. Doch vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist: Wer so lange zusammen-arbeitet, ist nicht mehr nur Labelpartner, sondern auch Freund und Vertrauter. Sie seien ja schon fast wie Geschwister, meint Tanja Bradaric. Die intensive Zusammenarbeit der beiden macht sich aber auch bezahlt: Längst verfügen ihre Taschen über eine unverwechselbare Handschrift. Dazu gehört das Geflecht aus Rattan ebenso wie die Nylonschnüre, die in Makraméetechnik geknüpft werden und die in immer wieder neuen Variationen aufgelegt werden. Und weil es an der Funktionalität immer etwas zu verbessern gibt, haben die beiden bereits an zusätzlichen Möglichkeiten, Handys, Schlüssel und ähnlichen Klimbim zu verstauen, gefeilt.
Aus dem Mund von Taro Ohmae klingt die Erklärung für das unendliche Bemühen um Perfektion ganz einfach: Die Kunden sollen mit den Taschen von Bradaric-Ohmae glücklich werden. Im Moment allerdings kümmern sich die beiden Designer erst einmal um das Bradaric Ohmae-Universum: „Wir gestalten gerade unser Studio im Arsenal. Dieser Raum soll unsere Ideen mittels Möbeln und anderen Details transportieren.“ Alles Gute dabei, Tanja Bradaric und Taro Ohmae!
Alpin trifft auf Streetwear
Ida Steixner und Lena Krampf realisieren mit ihrem Label Meshit tragbare Trends – für ihre Winterkollektion haben sie sich auf neues Terrain gewagt. Diesmal warten sie gar mit Bommelpullovern und Struktur-Strick auf.
Wer auf die Facebook-Seite des Wiener Modelabels Meshit klickt, bekommt ein Gefühl dafür, wie dieses Modelabel funktioniert. Über 3500 Mal wurde für Meshit der „Gefällt mir“-Button gedrückt. Die beiden Designerinnen Ida Steixner und Lena Krampf bekommen ohne Zweifel eine Menge Zuwendung. Und diese Zuwendung mag auch erklären, wie sehr die Mode
des Wiener Labels die Bedürfnisse mode-bewusster Twentysomethings (und derer, die sich als solche fühlen) trifft. Denn Meshit haben in den letzten vier Jahren die Herzen einer jungen Konsumentenschaft erobert, die genug hat von austauschbarer Massenware. Einer
Konsumentenschaft, die gleichzeitig auf der Suche nach einer lässigen wie hochwertigen und zugleich leistbaren Alternative ist. Während so manch anderes österreichisches Label
als verkopft gilt, machen Ida Steixner und Lena Krampf einfach. Und zwar ganz schön zügig. Die beiden Absolventinnen der Modeschule Hetzendorf haben sich bereits nach der Matura in Windeseile gemeinsam selbstständig gemacht. „Alleine“, sagt Lena, „würde das wohl keine von uns machen.“ Denn es sei wichtig, dass man sich gegenseitig motiviere. Das scheint bisher recht gut zu klappen. Die Mode von Steixner und Krampf kommt cool und unangestrengt und mit dem richtigen Riecher für tragbare Trends daher. Dabei wurde die Herbst/Winter 2014-Kollektion von Meshit
diesmal nicht wie in der Vergangenheit von Pop- und Jugendkulturen beeinflusst. Diesmal haben sich die beiden an den Gewändern und der Arbeitskleidung von Hirten, insbesondere dem „Lagenlook“ schützender Hirten-Umhänge orientiert. Dazu ausgefranste Säume, hier und da Einsätze von Kunstleder oder die heiß geliebten Plüschdetails. Farblich haben sich Meshit natürlich an „Weiden, Wiesen und Bergen“ orientiert: Zu überwiegend hellen Tönen wie Weiß, Creme und Beige gesellen sich ein helles Pistaziengrün, Grau und dunkle Grün-Töne. Unschwer lässt sich aus dem Lookbook das Hirtenmotiv herauslesen: Die Models stützen sich auf Holzstöcke und tragen Hüte. Was man nicht sieht: Die Hüte wurden in Wien gefertigt, die Kappen im Waldviertel. Nicht zuletzt dieser Kollektion merkt man schnell an: Für Strick haben die beiden Designerinnen ein besonderes Faible: Die Kollektion besteht aus einigen feinen Strickstücken, darunter auch unübersehbar ein Schaf-Muster. „Diesmal haben wir mit Struktur-Strick experimentiert“, erklärt Lena Krampf. Gefertigt wurde der im Burgenland. Ein besonders kompliziertes Stück, ein weißer Pullover mit Bommeln, wurde gar in Polen handgestrickt. „Wir haben uns mittlerweile ein ganz gutes Produktionsnetz aufgebaut“, erklärt die Designerin. Die Strick-Experimente und aufwendigeren Accessoires haben dem Label
auch den Produktionspreis für Mode der Wirtschaftskammer Wien, den die beiden letztes Jahr erhalten haben, eingebracht. Das alles haben die Designerinnen sich aber auch erarbeitet, sie können schon jetzt auf einige gemeinsame Jahre zurückblicken. Dabei begann das ganze auch mit einem Quäntchen Glück: Auf der Pariser Modemesse Rendezvous wurden die beiden von einer Einkäuferin der britischen Modekette Topshop entdeckt. Damit landete Meshit damals in deren Emerge-Sektion, der ambitionierten Nische für Nachwuchsdesigner. Nicht zuletzt dieser Coup scheint die österreichische Mode- und Presse-landschaft damals wachgerüttelt zu haben: Es folgte 2011 der Gewinn des mit 10.000 Euro dotierten Modepreises der Stadt Wien.
Nicht zuletzt aber macht sich die breit aufgestellte Ausbildung der beiden Hetzendorf-Absolventinnen immer auch an Details bemerkbar: Lena Krampf hat sich mit der Verarbeitung von Leder, insbesondere der Fertigung von Schuhen, auseinandergesetzt. Diesmal haben sich Ida und Lena gemeinsam mit einem Schuhmacher an grauen geflochtenen pantoffelartigen Schuhen und welchen mit Plateau versucht – Lena Krampf nennt das Endergebnis ein „aufwendiges Testprojekt“. Doch egal, wie es mit den Schuhen weiter geht, der nächste Neuanfang steht den noch so jungen, selbstständigen Modedesignerinnen ins Haus. Anfang Mai gehen sie nämlich ein neues Projekt an. Im siebten Bezirk, in der Westbahnstraße eröffnet Anfang Mai der erste eigene Shop. Dafür legen Ida Steixner und Lena Krampf auch selber ordentlich Hand an. Und wer mehr wissen will: Die Schufterei im Shop dokumentieren Meshit selbstverständlich auf Facebook.