Dass das reguläre Kino in diesem Sommer ein wenig schwächelt, ist kein großes Geheimnis. Potenzielle Blockbuster sind großteils enttäuschend und im Arthouse-Kino läuft – mit wenigen Ausnahmen – gerade auch nichts wirklich Aufregendes. Eine Alternative kann möglicherweise „Kino wie noch nie“ bieten: Das Freiluftkino im Herzen des Wiener Augartens präsentiert wieder wie gewohnt einen traditionellen Mix aus Klassikern und Aktuellem. Zu den erwähnten Klassikern zählt François Truffauts Jules et Jim (1962), einer der bekanntesten Filme der Nouvelle Vague. Nach dem Roman von Henri-Pierre Roché erzählt Truffaut die Geschichte einer Jahrzehnte andauernden, ebenso lebensfrohen wie tragischen Menage à trois zwischen Freunden, die von Oskar Werner, Jeanne Moreau und Henri Serre verkörpert werden. Der Film ist dabei Teil eines Programms, dass Schauspiellegende Werner (1922–1984) zum 100. Geburtstag gewidmet ist. Einen weiteren Werner-Klassiker kann man am 1. August sehen: In Stanley Kramers Ship of Fools (1965) ist der Österreicher Teil eines großartigen Ensembles, das unter anderem aus Lee Marvin, Vivien Leigh, Simone Signoret und Heinz Rühmann besteht. Die verschiedenen Passagiere an Bord eines Liniendampfers stehen dabei stellvertretend für eine moralisch vom Weg abgekommene Gesellschaft kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Für seine Leistung als Schiffsarzt wurde Werner in jener Zeit, als der Preis abseits von Watschen noch relevant war, für einen Oscar als Bester Hauptdarsteller nominiert.
Die dystopische Schiene „End of Days?“ lässt mehrere Höhepunkte des Science-Fiction-Kinos Revue passieren: In Richard Fleischers Soylent Green (1973), der am 18. Juli läuft, schlägt sich Charlton Heston als Ermittler im Jahr 2022 (!) durch ein New York, das von 40 Millionen Menschen bevölkert ist und unter eklatantem Mangel an Wasser und Nahrung leidet. Der Fall, den Heston bearbeitet, hat dabei das Potenzial, die Welt zu erschüttern … Die deftige Gesellschaftskritik, ein Paradebeispiel für den pessmistischen Grundton des US-Kinos der siebziger Jahre, ist auch wegen des letzten Satzes, den Heston ausruft, berühmt geworden. Spoiler gibt es hier aber trotz des Filmalters nicht. Wechseln wir ins düstere L.A. des Jahres 2019: Der zweite Sci-Fi-Pflichttermin ist Ridley Scotts Blade Runner – The Final Cut (1982), der am 28. Juli gezeigt wird. Der vielleicht größte Kultfilm des Genres thematisiert die Frage, was den Menschen zum Menschen macht und ist aufgrund seiner Bildgewalt, des detaillierten Production Designs und der Besetzung (Harrison Ford als Replikantenjäger, Rutger Hauer als künstlicher Übermensch, Sean Young als Replikanten-Variante der Femme fatale) immer wieder die große Leinwand wert. Am 3. August gesellt sich Terry Gilliams „erst“ 2035 spielender 12 Monkeys (1995) dazu, das visuell eindrucksvolle Remake von Chris Markers Kurzfilm La Jetée. Bruce Willis als Zeitreisender Sträfling aus der Zukunft, der die Welt vor einem Virus retten soll, liefert hier die womöglich beste Leistung seiner Karriere ab – aber auch Brad Pitt als crazy Millionenerbe, der möglicherweise mit dem Virus zu tun hat, kann sich sehen lassen (und war seinerzeit als Bester Nebendarsteller oscarnominiert).Print the legend: Am 2. August läuft mit The Man Who Shot Liberty Valance einer der ganz großen Western. John Wayne, James Stewart und Lee Marvin verkörpern unter John Fords Regie unterschiedliche Seiten der amerikanischen Gesellschaft, die sich nach den ungezähmten Pioniertagen des alten Westens immer mehr der Zivilisation zuwendet.
Europäische Arthouse-Legenden stehen ebenfalls am Programm, allen voran Michelangelo Antonionis L’Avventura (1960), der im memoriam der im Februar verstorbenen Schauspielerin Monica Vitti gezeigt wird. Der Film um das mysteriöse Verschwinden einer jungen Frau war mit ungewöhnlichen Tempo, Betonung von Bildkomposition und unkonventioneller Tonspur ein Bruch mit Sehgewohnheiten, was zunächst auf Widerstand stieß – Widerstand, der jedoch nicht verhindert konnte, dass L’Avventura (Antonionis Untersuchung von Ennui und gesellschaftlichem Wertewandel in der Moderne ist hier erstmals voll ausformuliert) bald als einer der besten Filme aller Zeiten galt. Auch die Musik kommt nicht zu kurz: Zum 45. Todestag des King läuft am 16. August Elvis – That’s the Way It Is (1970, R: Denis Sanders) – eine gute Ergänzung zu Baz Luhrmanns aktuellem Elvis-Porträt. Im memoriam Willi Resetarits (die Austropop-Legende ist ja heuer unerwartet verstorben) zeigt man unter anderem Harald Friedls Doku So schaut’s aus – G’schichtn vom Willi Resetarits (20. Juli). An neueren Filmen sind u. a. Paul Thomas Andersons Licorice Pizza, Pedro Almodóvars Paralle Mütter oder Ulrich Seidls Rimini zu sehen. Nun denn – hier ist wohl für jeden etwas dabei.
Kino wie noch nie
Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien
Noch bis 21. August