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Großes Kino

120 Jahre Filmplakatgestaltung in einer Ausstellung der Kunstbibliothek Berlin

Boris Bilinsky „Metropolis“, 1927 © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz

Der Kinofilm hat immer ein Plakat gebraucht, bis heute erscheint es als Werbemittel unverzichtbar. Die Qualität seiner Gestaltung besteht in der Kraft, die ein Bild entfalten kann, das Interesse des Publikums zu wecken – dessen Schaulust etwas in Aussicht zu stellen, ohne viel zu verraten. Der Trip durch zwölf Dekaden Plakatgestaltung in der Kunstbibliothek Berlin bietet noch bis Anfang März 2024 anhand von 300 Exponaten auf 900 Quadratmetern eine reichhaltige Überschau: Beginnend mit einem comicartig gemalten Plakat von Pathé-Frères, das dramatische Eindrücke vom Russisch-Japanischen Krieg 1905 auf der Leinwand verspricht, und endend mit Großmalereien aus der Werkstatt des Kinoplakatmalers Götz Valien, der heute in Berlin für die York-Kinogruppe tätig ist, etwa für das Kino International – Penélope Cruz, nah, ausgestellt zur Vorführung von Almodóvars Madres paralelas oder auch Tom Schilling für Dominik Grafs Fabian.

Hans Hillmann, Panzerkreuzer Potemkin, 1967,
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz

Andrzej Bertrandt, Solaris, 1972
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz

Die Auswahl zu dieser Bildkunst eigener Art führt vor Augen, wie Stilrichtungen zeitgenössischer Malerei sich zuzeiten mit dem Ausdruck des Films vermengt haben, sichtbar in expressionistischen Stummfilmplakaten der 1920er, den Lithografien von Josef Fenneker etwa, oder in der modernen Bauhaus-Typografie eines Jan Tschichold; eine Wiederentdeckung aus den sechziger Jahren ist die Grafik für den Verleih von Neue Filmkunst und Atlas Film, die viel hochklassiges Kino in der Bundesrepublik wiederaufführten und mit neuen Plakaten bewarben (etwa Pickpocket, Misfits, Jules und Jim, Die Geschichte der Nana S. u. v. a.), anschließend die Plakatierung des Neuen Deutschen Films (von Margret und Peter Sickert) und New Hollywood, zwischen Malerei, Grafik und Fotografie, auch Werke der tschechischen und polnischen Schule, die offenbar weniger der Doktrin des sozialistischen Realismus verpflichtet waren als etwa die Kollegen der DDR. Auf eine andere Ebene wurde das Design gehoben, als die großen Hollywoodstudios begannen, Mainstream-Filme wie The Godfather, Jaws oder Star Wars mittels Key Visuals markenähnlich zu vertreiben. Das menschliche Antlitz in Filmplakaten ist beinah so alt wie das Medium selbst. Heute kompiliert man mit Vorliebe Gesichter freischwebend auf der Plakatfläche, ihre Größe und Anordnung folgt einer Hierarchie vermuteter Wichtigkeit oder Beliebtheit als Identifikations- und Sehnsuchtsfiguren. Als Paar, Linie, Kreis, Pyramide oder Raute über einem Topos des Films gruppiert, beispielhaft zu Der Herr der Ringe: Die Gefährten (USA 2001), davor schon bei Star Wars (USA 1977), bestimmt diese konventionelle Bildformel in den letzten Jahrzehnten mehr denn je viele Plakate für stärker kommerziell ausgewertete Produktionen diverser Genres, ausgestellt wie ein Warensortiment an Schauwerten. Insgesamt gilt die Formel: je kleiner die Produktion, desto freier die Grafik.

Großes Kino. Filmplakate aller Zeiten /The Big Screen. Film Posters of all Time
Hg.: Christina Thomson und Christina Dembny
Katalog zur gleichnamigen Ausstellung der Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin. Berlin/Dresden: Staatliche Museen, Preuß. Kulturbesitz/Sandstein Verlag.
240 Seiten, € 48,-
Ausstellung noch bis 3. März 2024,
Kulturforum, Berlin

 

| FAQ 73 | | Text: Jörg Becker
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