Startseite » Architektur im Aufstand

Architektur im Aufstand

Das Museum für angewandte Kunst Wien spannt mit „Protest/Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“ einen Bogen von den Ursprüngen der Protestarchitektur in die Gegenwart.

Umbrella Movement, Hongkong, 2014. Foto: © Vicky Chan, 12. November 2014

Raum als Ausdruck von Macht und Kontrolle? Architektur als Politik einer Gegenöffentlichkeit, die sich Institutionen widersetzt? Nicht nur spiegelt die Gestaltung von öffentlichen Räumen politische Entscheidungen wider, sondern erzeugt Widerstand auch Strukturen, die in der Auflehnung gegen ein System eine ganz bestimmte Funktion erfüllen. Protestcamps werden zu eigenen Miniversen und erzeugen durch ihre Architektur Gemeinschaft und Solidarität, zudem führen sie einen zeitlich begrenzten Auftrag aus: Wie erfolgreich dieser ausfällt, hängt oft direkt mit den architektonischen Strukturen zusammen. Von Canberra bis in die Westsahara, vom 19. Jahrhundert bis zur Hainburger Au: Der Katalog zur Ausstellung „Protest/Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“ ist lang. Im Zentrum der Schau im MAK – Museum für angewandte Kunst stehen dreizehn Fallbeispiele, die zeigen sollen, wie Architektur in den Protest eingreift und ihn wirksam macht. Kein Wunder, dass im Katalog zur Ausstellung ein komplexer Begriffs-Index angeführt ist: von A wie Abschütten bis Z wie Zwentendorf.

Protest gegen die geplante Startbahn West, Frankfurt, 1981. Foto: picture-alliance/dpa | Wolfgang Eilmes

Hongkong, 2019–2020. Foto: Studio Incendo, 14. November 2019

Dabei könnten die gezeigten Fallbeispiele nicht unterschiedlicher sein: Von der sechzigtägigen „Occupy Wall Street“- Bewegung 2011, über die Maidan-Proteste in der Ukraine von 2013/2014, bis hin zum „Arabischen Frühling“ und seinen Massenprotesten am TahrirPlatz. Egal, ob es Regenschirme sind, wie im Zuge des „Umbrella-Movements“ in Shanghai, oder Traktoren, wie rund um die „Farmers-Proteste“ in Delhi: Die Ästhetik des Widerstands ist vielseitig. So kommen in der Schau auch die unterschiedlichsten Medien zum Einsatz: Neben Modellen der Protestcamps der „Resurrection City“ 1968 in Washington, D. C., gibt es auch Filme, die etwa Einblicke in die „Wüsten“-Stadt rund um die „LobauBleibt!“-Bewegung geben. Ein Highlight bildet ein Stück der Original-Hängebrücke aus Oaktown, die im Zuge der Hambacher Wald-Besetzung mit ihren beachtlichen drei Armen von jeweils vier Metern Länge bis Mai 2023 ebenda in 16 Metern Höhe hing. Architektur ist immer auch Ausdruck von Utopie, die den Protest in eine Form gießt. In „Protest/Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“ wird ebendiese Geschichte erzählt: vom Widerstand gegen eine verfestigte Weltordnung bis hin zur Vision einer besseren Gesellschaft.

Protest/Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber
bis 25. August 2024
www.mak.at

 

| FAQ 74 | | Text: Ania Gleich
Share