Noel Gallagher bringt es auf den Punkt: „Vinyl ist die Kunstsammlung des kleinen Mannes“, sagt er mit nachdenklichem Blick. Er wundert sich, weil das Zitat nicht von ihm stammt, was aber nichts zur Sache tut. Entscheidend ist, mit welcher Begeisterung und Überzeugung der Oasis-Mastermind über seine Liebe zu Schallplatten und, mehr noch, deren Coverdesigns spricht: „Die Kunst der Arbeiterklasse steht am Boden, angelehnt an die Wand.“
Der Name „Hipgnosis“ ist in dem Zusammenhang vielleicht nicht jedem gleich ein Begriff. Das Kreativduo Aubrey „Po“ Powell und Storm Thorgerson entwickelte und zelebrierte in den 1970er-Jahren das Konzept des Albumcovers als lebendige Kunstform, wie der Regisseur und Fotograf Anton Corbijn in seiner Dokumentation liebevoll illustriert. Gegründet wurde das Londoner Designbüro Ende der sechziger Jahre. Powell und Thorgerson hatten sich kurz davor zufällig in Cambridge kennengelernt – zwei langhaarige, verträumte Idealisten, die künstlerisch verbunden waren und menschlich kaum gegensätzlicher sein konnten. Der eine pragmatisch, gewinnorientiert und diplomatisch. Der andere ungehobelt, kompromisslos und voller verrückter Ideen.
Die brüderliche Zweckgemeinschaft von Hipgnosis basierte jedoch noch auf einer weiteren Konstante: einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit der britischen Rockband Pink Floyd. Seit dem 1968 erschienenen Album „A Saucerful of Secrets“ kreierten sie jedes Coverdesign für die befreundeten Musiker. Unvergesslich das Prisma mit dem gebrochenen Lichtstrahl auf dem 1973er-Album „Dark Side of the Moon“, der sich bis auf die Rückseite der Plattenhülle zieht.
Mit ihren provokanten Designs wurden Powell und Thorgerson bald einhellige Profis auf ihrem Gebiet. Die Siebziger waren die Zeit der großen Rockstars und wer etwas auf sich hielt, verpackte seine Musik nicht einfallslos. Gewagt und künstlerisch sollten die Plattencover sein, koste es, was es wolle. Und Hipgnosis sorgten dafür, dass ihre Verpackungen bald wertvoller waren als die Tonträger selbst.
Die oft wilden Entstehungsgeschichten hinter den LP-Designs veranschaulicht Corbijn in Squaring the Circle an zahlreichen Beispielen, unterlegt von unterhaltsamen Anekdoten der jeweiligen Beteiligten. Zu den Herzstücken gehören so erhellende Episoden wie der Versuch, für das Pink-Floyd-Cover von „Animals“ ein riesiges Plastikschwein über der Londoner Battersea Power Station aufsteigen zu lassen (es riss sich los und sorgte für Chaos über Heathrow) oder für das 10cc-Album „Look Hear?“ ein Schaf auf einer Psychiater-Couch am Strand von Hawaii zu arrangieren. Auch wie das Bild der goldenen nackten Kinder entstand, die den Giant’s Causeway auf der Vorderseite von Led Zeppelins „Houses of the Holy“ erklimmen, klingt im Nachhinein nicht weniger abenteuerlich. Powells Erinnerungen stehen dabei stets im Mittelpunkt. Aber auch Thorgerson, der 2013 verstarb, lebt im Film in diversen Archivaufnahmen wieder auf.
Squaring the Circle: The Story of Hipgnosis
Dokumentarfilm, Großbritannien 2022 – Regie: Anton Corbijn
Kamera: Stuart Luck, Martijn van Broekhuizen, Schnitt: Andrew Hulme
Mit: Aubrey Powell, Paul McCartney, David Gilmour, Jimmy Page, Robert Plant, Noel Gallagher, Roger Waters
Verleih: Einhorn Film, 101 Minuten