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On the Road again

Neunundreißig Jahre nach Abschluss der originalen „Mad Max“-Trilogie und neun Jahre nach dem Reboot mit „Fury Road“ fügt George Miller seiner postapokalyptischen Saga einen fünften Teil hinzu. Diesmal rasen Anya Taylor-Joy und Chris Hemsworth durch eine kaputte Welt. Ein Blick auf eine veränderliche Kultreihe.

Anya Taylor-Joy in „Furiosa: A Mad Max Story“ 2024 © Warner Bros.

Schon der Schriftzug Mad Max, der zu Beginn auf schwarzem Grund erscheint, wirkt wie das Logo einer Hardrock-Gruppe. Die düster-dramatische Eröffnungsmusik macht deutlich, dass es im Film nicht sanft zugehen wird. Und als in der ersten Szene ein Polizist mit dem Zielfernrohr seines Gewehrs ein Pärchen beim Sex beobachtet, wird vollends klar, dass hier niedere Triebe regieren. Was folgt, ist eine Orgie aus Autoverfolgungsjagden und Brutalität. Ist das Ganze so stilsicher inszeniert wie das Langfilmdebüt von George Miller aus dem Jahr 1979, hat man das, was man Kultfilm nennt. Der filmbesessene Miller, Jahrgang 1945, arbeitete zunächst als Unfallarzt in Sydney und konnte nach einer Reihe von Kurzfilmen genug Geld zusammenkratzen, um Mad Max zu finanzieren. In Anlehnung an amerikanische Biker- und Exploitationfilme kreierte er spektakuläre Verfolgungsjagden (zu denen ihn auch die Unfallverletzungen, die er als Arzt behandelte, inspirierten) und eine Atmosphäre stetiger Bedrohung. In einem dystopischen, von Kriminalität beherrschten Australien erscheinen Autos und Motorräder ebenso als Fetisch, wie sie als Mittel zur Gewalt dienen: Die Lederkluft der Cops evoziert Rennsport und BDSM, die Kamera rückt genüsslich Details wie Auspuff und Anlasser ins Bild. Als ein Mechaniker Max „den letzten V8“ mit eingebautem Kompressor vorführt, wirkt dieser wie hypnotisiert von der rohen Kraft der Maschine.

„Mad Max“ 1979 © TCD/Prod.DB / Alamy Stock Foto

Obwohl der Titelheld erst in Teil zwei zur Legende wird, führt ihn Miller bereits hier wie einen Mythos ein: Zwei Poli-zeiautos jagen auf einer Landstraße dem Polizistenmörder Nightrider hinterher, sind aber chancenlos und scheiden aus. Dazwischengeschnitten immer wieder Aufnahmen eines Mannes, den man zunächst nur in Details sieht – Stiefel, Hände, Hinterkopf. Während er den Motor seines Streifenwagens reinigt, erfährt er mittels Polizeifunk vom Malheur der Kolle-gen, wischt sich die ölverschmierten Hände in einem Tuch ab, steigt in seinen Interceptor (ein Ford Falcon XB), setzt sich seine Sonnenbrille auf und startet. Frontal hält er auf den Holden Monaro des psychopathischen Nightriders -zu. Eine klassische Duellsituation, aus der Max als Sieger hervorgeht: Der Nightrider weicht aus und erleidet, noch bevor sein Leben Sekunden später in einem Crash endet, einen Nervenzusammenbruch. Als der Lenker des Polizeiautos aussteigt, sehen wir Max Rockatanskys Gesicht zum ersten Mal. Verkörpert wird er vom blutjungen Mel Gibson – der Beginn einer Weltkarriere.
Die Wahl des Amerikaners, der seine Jugend in Australien verbracht hatte, war eine gute: Da die Dialoge eher eine Nebenrolle spielten, brauchte es einen Darsteller, der Charisma versprühte und mit Blicken viel sagen konnte. Gibson vermittelte neben Coolness auch die Verletzlichkeit Rockatanskys, an dem die Härte des Jobs zu nagen beginnt. Als Max’ Sohn von einer psychopathischen Motorradgang getötet und seine Frau lebensgefährlich verletzt wird, gibt es für ihn schließlich nur noch den Gedanken an Rache – mit dem schwarzen Pursuit Special jagt Max der Gang gnadenlos hinterher. Nach getaner Arbeit fährt er mit starrem Blick ins australische Outback, vor ihm die endlose Straße und düstere Wolken am Horizont.

Dass dieses Independent-B-Movie (aus Geldmangel stellte Miller seinen eigenen Wohnwagen für einen Crash zur Verfügung) zum Hit wurde, lag auch am kreativen Mix der Zutaten: So wird das universelle Thema Rache in einem Look präsentiert, der die Rockeroutfits der fünfziger Jahre mit Accessoires der Punkbewegung kombiniert. Millers Gespür für Kamerawinkel und Tempo sorgte für Schauwerte, das Casting einiger Rollen mit echten Bikern brachte Authenti-zität. Mad Max spielte bei Produktionskosten von 400.000 australischen Dollar über 100 Millionen US-Dollar ein und zählt somit zu den profitabelsten Filmen der Filmgeschichte.

„Mad Max 2: The Road Warrior“ 1981 © Maximum Film / Alamy Stock Foto

Crash

Doch der erste, relativ simple Teil war nur ein Vorspiel zum Meisterwerk Mad Max 2 – The Road Warrior: Die Welt ist nach einem globalen Krieg endgültig zerstört, die Zivilisation ausgelöscht. Die verbliebenen Menschen haben sich in Gruppen zusammengerottet, das rar gewordene Benzin, das die verbliebenen Gefährte antreiben kann, gilt als Mittel zum Überleben. Eine dieser Gruppen unter der Führung des idealistischen Pappagallo hat sich in einer Raffinerie verschanzt und will in eine Gegend aufbrechen, in der das Leben der Legende nach besser ist. Doch eine marodierende, wahnwitzige Vehikel steuernde Gruppe unter der Führung des muskulösen Humun-gus, der sein Gesicht hinter einer Hockeymaske verbirgt, belagert die Raffinerie. Einzelgänger Max gerät zwischen die Fronten und hilft zunächst widerwillig den Leuten Papagallos.
Dass der zweite Teil ein breiteres Panorama entwirft, liegt auch an Kameramann Dean Semler, der die Weite des australischen Bundesstaates New South Wales für atemberaubend-epische Kompositionen nützte (für Semler war dies der Beginn einer Weltkarriere, die ihm 1990 für Dances with Wolves einen Oscar einbrachte) und die Verfolgungsjagden rasant und unmittelbar ins Bild rückte. Auch thematisch war (und ist) der Film auf der Höhe der Zeit, die Ressourcenknappheit und der erbarmungslose Kampf ums Benzin („the precious juice“), spiegelte die Öl- und Energiekrise wider (schon für Teil 1 ließ sich Co-Drehbuchautor James McCausland auch von gewalttätigen Zwischenfällen inspirieren, die im Zuge der Ölkrise als Folge von Warteschlangen an Tankstellen auftraten). Hinzu kamen originelle Nebenfiguren. Die Klimax des Films ist eine Maßstäbe setzende Verfolgungsjagd, deren irre Stunts noch heute beeindrucken – ganz ohne CGI. 40 Autos und ein Tanklaster wurden zerstört, zwei der Stuntmen schwer verletzt. Das stilbildende Werk trug zur Entstehung zahlreicher postapokalyptischer Filme bei und wurde von Regisseuren wie David Fincher oder James Cameron bewundert; Kultautor J.G. Ballard nannte den Film „die Sixtinische Kapelle des Punk“. Wie angedeutet, wird die Figur des Max (in diesem Film mit nur 16 Dialogzeilen besonders wortkarg) hier endgültig zur Legende: Am Ende bewegt sich die Kamera von ihm, dem arg zerschrammten „Road Warrior“, der einsam auf der Straße steht, weg, die Stimme des Erzählers (der verwilderte Junge als älterer Mann) sagt über ihn, der den anderen die Flucht in ein besseres Leben ermöglichte: „He lives now only in my memories.“ Eine Figur als Symbiose aus hartem Actionheld und lonesome Cowboy …

Charlize Theron in „Mad Max: Fury Road“ © Worber Bros.

Anya Taylor-Joy in „Furiosa: A Mad Max Story“ 2024 © Warner Bros.

Lesen Sie den vollständigen Artikel in der Printausgabe des FAQ 75

 

Furiosa: A Mad Max Saga
Actionfilm/Endzeitfilm, Australien, 2024 – Regie: George Miller
Drehbuch: George Miller, Nick Lathouris
Kamera: Simon Duggan; Schnitt: Eliot Knapman
Margaret Sixel; Musik: Tom Holkenborg, Robert Mackenzie, Ben Osmo
Mit: Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Jonathan Jones, Tom Burke, Angus Sampson, Lachy Hulme, Alyla Browne, Yeye Zhou
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 24.05.2024

 

| FAQ 75 | | Text: Oliver Stangl
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