Wenn man an den schwedischen Einrichtungsstil denkt, so hat man sofort ein bestimmtes Bild im Kopf: Helle Farben, freundliche Muster, viel Holz und eine gewisse Luftigkeit, die diesen Stil so wohnlich und beliebt macht. Weniger bekannt ist dagegen der Name des Mannes, der diesen Stil überhaupt erst erschuf: Josef Frank, der Österreicher, der die schwedische Moderne wie kein anderer geprägt hat. Der 1885 in Baden bei Wien geborene Frank entstammte einer jüdischen Familie und studierte Architektur an der k. k. technischen Hochschule in Wien. Der zunehmende Antisemitismus veranlasste ihn schon im Jahr 1933 zur Emigration nach Schweden, wo er bald darauf die Staatsbürgerschaft annahm. Von 1939 bis 1947 lebte Frank in den USA, wo er an der renommierten New School of Social Research in New York unterrichtete. Seine Hoffnungen, dort als Architekt Fuß zu fassen und sich eventuell in die Stadtplanung einbringen zu können, wurden allerdings enttäuscht. Vielleicht waren es seine andersartigen Ansätze, die der damaligen Gesellschaft einfach zu rebellisch waren. Franks Ansichten waren nämlich alles andere als zeitgemäß. Setzte er sich als Kreativer doch vor allem mit sozialpolitischen Themen des Bauens und Wohnens auseinander. Frank bemühte sich um eine sozial- und kulturkritischmotivierte Zweckdienlichkeit, um Wohlbefinden, Wohnlichkeit und stilistische Vielfältigkeit. Sogar die Ansichten des weltbekannten französischen Architekten Le Corbusier über das Haus als „Wohnmaschine“ gingen ihm gehörig gegen den Strich. Es solle genau anders herum sein. Das eigene Heim als ein Ort des Rückzugs und der Erholung, kein Platz für repräsentative Zwecke. „Wohnst du noch, oder lebst du schon?“ – das waren wie wir alle wissen nicht die Worte von Josef Frank, sie drücken aber auf bemerkenswert treffende Weise das aus, wofür der Österreicher zu dieser Zeit kämpfte. Er wollte einen freieren, künstlerischeren Stil schaffen und entwickelte eine eigene Form der Moderne, die für Werte wie Bequemlichkeit, Behaglichkeit und Farbreichtum stand. Dinge, die für uns heute selbstverständlicher denn je sind. Weder den individuell-künstlerischen Ansätzen der Wiener Werkstätte noch der maschinellen Produktion, die infolge des Bauhaus-Stils populär wurde, konnte Frank viel abgewinnen. Aber was sah der Mann, der Stahlrohrmöbel als eine Bedrohung für die Menschheit empfand, selbst als ideales Wohnen? Er befürchtete, dass standardisierte Inneneinrichtungen auf die Menschen zu gleichmacherisch wirken würden. Deshalb sah Frank den Einsatz natürlicher Formen und Farben als wichtig an, damit die Bewohner in den geschlossenen Räumen atmen und sich frei fühlen konnten. Aus dem gleichen Grund zog er Möbel vor, durch die man hindurch blicken konnte. Ein Stuhlrücken sollte durchbrochen sein und ein Schrank sollte auf so hohen Beinen stehen, dass man die Grenze zwischen Fußboden und Wand unterscheiden konnte. Auch mit seinen Vorstellungen von Harmonie stellte sich Josef Frank gegen den Strom der Zeit. Während die großen Designer der damaligen Zeit sich für einfarbige Wände und Räume aussprachen, schrieb Frank: „Einfarbige Flächen wirken beunruhigend, gemusterte beruhigend, weil der Betrachter ungewollt von der langsamen, ruhigen Herstellungsweise beeinflusst wird. Ornamentreichtum lässt sich nicht so schnell ergründen, dagegen wird man mit einer einfarbigen Fläche sofort fertig und sie bietet danach kein Interesse mehr.“ Design, das den Menschen hilft, anstatt sie unnötig zu belasten – noch ein Ansatz, der für uns heute selbstverständlich ist.
Nachhaltige Gedanken und Schritt in die ZukunftAuch als Architekt engagierte sich Frank für den sozialen Wohnbau und die Errichtung von Arbeitersiedlungen. Diese zog er wuchtigen, mehrgeschossigen Wohnblöcken eindeutig vor. Dennoch reichen seine Bauten von Einfamilienhäusern mit Garten über Villen bis hin zum sozialen Wohnbau. Zwischen 1929 und 1931 entstand das Haus Beer, das neben dem Haus Moller von Adolf Loos als einer der bedeutendsten Wiener Bauten im Bereich des privaten Wohnbaus der zwanziger Jahre gilt. 1932 wurde unter Franks Leitung die berühmte Wiener Werkbundsiedlung errichtet, ein gebauter Beitrag zur Debatte über das befreite Wohnen der Moderne. Etwa 70 Wohnungseinrichtungen von Josef Frank sind uns heute bekannt. Natürlich kam auch hier seine pragmatische Herangehensweise zum Einsatz: Bereits Vorhandenes sollte ganz selbstverständlich berücksichtigt und intuitiv weiterentwickelt werden. Ein sehr nachhaltiger und ungekünstelter Gedanke, der heute aktueller denn je ist. Die Wohnung verstand er nicht als Designobjekt, sondern als Wohnraum, der nicht unbedingt repräsentativ oder innovativ sein musste. Als Theoretiker forderte Frank ein, auch Kitsch und Trivialität zuzulassen und die Ernsthaftigkeit außen vor. In seiner Idee der „Wohlfühl-Wohnung“ waren auch die Spuren des Alltags willkommene Komponenten der individuellen Einrichtung. Er regte dazu an, die Umgebung so zu gestalten, als wäre sie durch Zufall entstanden und setzte sich für das Normale und Natürliche, das Sachliche und Spontane ein.
Endlich Zuhause
Das größte Verständnis für seine Philosophie schien Josef Frank beim Stockholmer Einrichtungshaus Svenskt Tenn gefunden zu haben, wo er als Chefdesigner sowohl eine einzigartige Plattform als auch unschätzbare Hilfe seitens der Gründerin Estrid Ericsons bekam. Er nahm seine Arbeit bei Svenskt Tenn 1934 auf, und schon einige Jahre später erzielte das Duo Frank/Ericson seinen internationalen Durchbruch. Die Ausstellungsräume von Svenskt Tenn auf den Weltausstellungen in Paris 1937 und in New York 1939 waren, den Frank’schen Vorstellungen entsprechend, ganz das Gegenteil zum Ideal der Zeit. Die von kühnen Kontrasten der Materialien, Farben und Muster geprägten Möbel weckten große Aufmerksamkeit und wurden bald zum Inbegriff der schwedischen Moderne. Ein weiteres Paradoxon in der Geschichte des Austro-Schweden. Die meisten der von Frank geschaffenen Produkte für Svenskt Tenn werden immer noch von traditionellen Betrieben in Schweden hergestellt. In Kooperation mit neuen, jungen Designern mischt das traditionsreiche Unternehmen Überliefertes mit Zeitgenössischem. Ganz nach dem Prinzipien des ehemaligen Chefdesigners, der gerne sagte: „Man kann alles verwenden, was man verwenden kann.“ Mit diesem undogmatischen Gestaltungsansatz war er seiner Zeit weit voraus. Mehr und mehr gilt Franks Architekturverständnis, das den Komfort über die Form stellte, als stilbildend. Heute befinden sich über 2000 Möbelentwürfe und 160 Textilmuster mit der Signatur Franks im Archiv von Svenskt Tenn.
Anerkennung, wem Anerkennung gebührt
Wer sich jetzt auch visuelle Eindrücke vom Schaffen dieses Vorreiters holen möchte, sollte sich bald auf den Weg ins MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst machen. Von 16. Dezember 2015 bis 3. April 2016 huldigt man dem Designer und Architekten mit der Ausstellung „Against Design“. Sie spannt einen Bogen von der Entwicklung von Franks architektonischem Werk, über seine Interieurs und Möbelentwürfe bis hin zu seinen theoretischen Ansätzen. Anlässlich der Ausstellung ist es dem MAK gelungen, fast den gesamten noch existierenden Bestand aus Josef Franks erstem Interieur – der 1910 entstandenen Wohnung Tedesko in Wien – zu erwerben.
Franks Werkgruppen, die sich über Möbel, Zeichnungen, Pläne und Textilien erstrecken, werden in „Against Design“ weitgehend im Original gezeigt.
Vom 25. November 2015 bis 13. Februar 2016 ist außerdem Svenskt Tenn temporär mit einem Verkaufsstandort in der Filiale der Volksbank in der Operngasse 8 in 1010 Wien zu Gast. Präsentiert wird eine Auswahl von Möbeln, Stoffen und Accessoires aus dem umfangreichen Sortiment. Nach der temporären Präsenz in der Volksbank zeigt Svenskt Tenn vom 19. Februar bis 17. März 2016 unter dem Titel „Welt der Muster“ im Ausstellungsraum Belle Arti in der Radetzystraße 5, 1030 Wien ausgewählte Textilmuster, die Josef Frank eigens für Svenskt Tenn entworfen hat, erstmals in Österreich.