Superhelden sind die mythischen Gestalten unserer Zeit und die legitimen Nachfolger der griechischen Götterwelt: mächtige, manchmal gute, manchmal grausame, doch unterhaltsame Figuren, größer als das Leben und bestens als Projektionsfiguren geeignet. Maßgeblich zur Geburt des popkulturellen Phänomens der Superhelden-comics beigetragen hat der 1935 in Manhattan gegründete Verlag DC (kurz für Detective Comics), dessen Kreativschmiede nicht nur ikonische Helden wie Superman, Batman, Wonder Woman, Green Lantern oder The Flash entstammen, sondern auch legendäre Bösewichte wie The Joker, Catwoman oder Lex Luthor. Nach einem Buch über das DC-Universum zur Zeit des Golden Age (das die Geburt und die zunehmende Popularität der Comics bis etwa Mitte der fünfziger Jahre umfasst) sowie das Silver Age (zunehmender kommerzieller Erfolg und künstlerische Weiterentwicklung bis etwa 1970) ist bei Taschen nun ein prächtiger Band über das Bronze Age erschienen.
Dieser Abschnitt der Comicgeschichte war insofern bemerkenswert, als er sich zunehmend mit sozialen Problemen der realen Welt – von der Drogenproblematik bis hin zur Umweltverschmutzung – beschäftigte und auch vor düsteren Geschichten nicht zurückschreckte. Herausgegeben von DC-Legende Paul Levitz, der über 300 Geschichten verfasste und auch als Präsident und Verlagsleiter tätig war (außerdem arbeitete er einige Jahre beim großen Konkurrenten Marvel), besticht das 400-seitige Buch mit tausenden von Titel- und Innenseiten, Zeichnungen und Fotos. Besonders gut zur Geltung kommt der visuelle Aspekt des Bandes durch ein Reproduktionsverfahren, das die Bilder originalgetreu abbildet. Doch auch die informative Textebene, darunter ein Interview mit dem legendären Zeichner Dennis O’Neil, vermag zu gefallen. Durch zahlreiche Anmerkungen werden die Veränderungen und die Reifung der Figuren – so wurde etwa die Übermächtigkeit von Superman und Wonder Woman bewusst reduziert, um sie menschlich zugänglicher zu machen – nachvollziehbar. Weiters haben nicht nur die DC-Stars hier ihren Auftritt, auch eher obskure Figuren wie Arak oder Dr. Fate finden Erwähnung. Selten war ein Geschichtsbuch derart unterhaltsam, Neuentdeckungen sind geradezu garantiert.
„Es gibt Figuren, und es gibt Charaktere“, meint Herausgeber Levitz im Vorwort. Da die Charaktere, die zur Popularisierung der Comicfiguren beitrugen, allerdings weitaus weniger bekannt seien als ihre Schöpfungen, habe man sich bemüht, die Geschichten der Texter und Zeichner mitzuerzählen. So ist der „The Bronze Age of DC Comics“ nicht zuletzt eine schöne Würdigung der oftmals unbesungenen Helden des Genres geworden. Auch auf den Umstand, dass viele der Schöpfungen aus dem Hause DC schon längst die Comicseiten verlassen haben und sich in diversen anderen Medien tummeln, wird eingegangen: 1978 flog Superman in Richard Donners gleichnamigem Epos erstmals über die Leinwand, 1989 folgte ihm sein Kollege aus Gotham City in Tim Burtons Batman (der sich mit Christopher Nolans Dark Knight-Trilo-gie endgültig als kassenträchtigste Einzelfigur erwies) und im Fernsehen sind aktuell Helden und Bösewichte in den Serien The Flash, Arrow und Gotham zugange. So mag der Band auch als Vorgeschmack auf das Frühjahr dienen, wenn im programmierten Blockbuster Batman vs. Superman die zwei populärsten DC-Helden erstmals im Kino aufeinandertreffen. Im Sommer verbünden sich dann Gegenspieler wie Joker, Harley Quinn oder Deadshot in Suicide Squad. Doch zunächst werfen wir mit einer Bildstrecke, die stilistisch vielfältige Beispiele aus dem Bronze Age versammelt, einen nostalgischen Blick in die Vergangenheit.