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Der super blaue Blick

Ein amerikanisches Schauspiel-Idol, das seinen Ruhm für soziales Engagement nutzte, engagierter Demokrat, Firmengründer für gemeinnützige Zwecke, Rennfahrer. Paul Newman (1925–2008) zum 100. Geburtstag.

Paul Newman, 1956 © Photo 12 / Alamy Stock Foto

Der US-amerikanische Schauspieler, Filmregisseur, professionelle Auto-Rennfahrer, politische Aktivist, in den 1960ern Delegierter der demokratischen Partei, der für Schusswaffenkontrolle und Abrüstung eintrat, für Bürgerrechte und gegen den Vietnamkrieg demonstrierte, und der auf Richard Nixons berüchtigter Feindesliste auf Platz 19 gestanden haben soll, etablierte sich über Jahrzehnte im Olymp der populärsten und erfolgreichsten Hollywoodstars als Idol. Eine Legende schon in jungen Jahren, rangierte er auf einer Ebene mit Marlon Brando und James Dean. In seinen Rollen wirkte er mitunter hart, aggressiv und bestimmt, ohne wirklich ein Macho zu sein, erschien verletzlich, aber nicht schwach, dabei immer aufrecht und unkorrumpierbar.

Newman’s Own

Neben seiner angeblichen Platzierung auf „Tricky Dicks“ Schwarzer Liste war Newman auch stolz darauf, 1995 das bedeutende 24-Stunden-Rennen in Daytona gewonnen zu haben – mit 70 Jahren –, ebenso auf einen zweiten Platz auf der Rennstrecke in Le Mans, 1979 mit einem Porsche Turbo 935. Noch größer dürfte sein Stolz darauf gewesen sein, als diplomierter Volkswirt, obendrein talentierter Hobbykoch und Streiter für eine gesunde Ernährung, die Gewinne seines aus spielerischen Anfängen entstandenen Lebensmittel-Unternehmens Newman’s Own – seit 1982 mehr als 200 Millionen Dollar – zur Gänze in zahlreiche humanitäre und soziale Projekte gesteckt zu haben, etwa in die AIDS-Forschung, in Schulen für Immigrantenkinder, Drogenprävention (1978 hatte er eines seiner sechs Kinder, seinen Sohn Scott aus erster Ehe, an die Droge Heroin verloren), Behindertenschulen und diverse weitere wohltätige Einrichtungen. Für solche humanitären Erfolge aus den Erträgen seines „Saucenimperiums“ habe er sogar sein Konterfei mit Kochmütze auf den Salatdressing-flaschen in den Supermarktregalen akzeptiert.

Mit Elizabeth Taylor in „Cat on a Hot Tin Roofe“, 1958. Foto: Filmarchiv Austria

„Es reicht nicht, Talent zu haben, man muss auch Charakter besitzen“ (The Color of Money)

Die Legende sagt, dass Newman, der in Cleveland/Ohio geborene Spross deutscher und ungarischer Vorfahren, nach dem Kriegsdienst, wo ihm die erstrebte Pilotenausbildung wegen Farbenblindheit verwehrt wurde, und dem begonnenen Studium der Volkswirtschaft eher nebenbei zur Schauspielerei kam. Als er aus disziplinarischen Gründen kurzzeitig aus der Footballmannschaft der Universität ausgeschlossen wurde, entschied er sich, beim Theater vorzusprechen, kam in der Folge über die Theaterschule der Yale University (die ihn 1988 zum Ehrendoktor ernannte) zu Lee Strasberg nach New York und im Anschluss über die Broadway-Produktion „Picnic“ (nach William Inge) 1953 direkt zum Film.

Magazine illustrierten schon einmal Paul Newmans Porträt mit Fotos, auf denen man nur seine Augen sah, seeblaue Augen, mal schelmisch, auch trotzig, am eindrucksvollsten vielleicht in dem wütenden, verzweifelten Blick, oft mit geneigtem Kopf aufwärts gerichtet, wie er ihn etwa Liz Taylor zuwirft in Cat on a Hot Tin Roof (Die Katze auf dem heißen Blechdach, 1958, Richard Brooks), wenn er als gebrochener, mit Selbstmitleid kämpfender Held durch das Gipsbein arretiert, sein Zimmer nicht verlässt und alle Reize seiner frustrierten Frau (Liz Taylor) gequält ignoriert. Newman blieb ein noch im vorgerückten Alter mit jugendlicher Ausstrahlung Gesegneter, mit überirdischem, von zunehmender Güte erfülltem Blick aus unverschämt blauen, von dunklerem Kreis um die Iris intensivierten Augen, deren Tiefe immer nur unergründlich sein konnte.

„The Hustlere“, 1961. Foto: Filmarchiv Austria

The Hustler (Haie der Großstadt,1961, Robert Rossen): In angetrunkenem Zustand gelingt dem Helden ein Glücksstoß am Billardtisch, großspurig gibt er in der Kneipe damit an, er könne das jederzeit wiederholen. Als endlich alle Umstehenden ihre Wetten abgeschlossen haben, gegen ihn, visiert er über seinen Queue eine Kugel an, wobei ein Lächeln aufblitzt in seinen Zügen: Es ist der Moment, der mitteilt, dies ist der Bluff eines Zockers, der die Trunkenheit nur simuliert hat und nun mit fast traumwandlerischer Sicherheit auf überhebliche Art einlocht.

Rebell und Method Acting

„Newman hat als einziger der Method-Actors-Generation wirklich überlebt“, schrieb Fritz Göttler zum 80. des Stars in der Süddeutschen Zeitung (26.1.2005), „weil er nichts von der Ichbezogenheit, der Wehleidigkeit hatte, an der die anderen – James Dean, Montgomery Clift, Warren Beatty, auch Marlon Brando, aber das ist eine andere, eine Antipoden-Geschichte, laborierten. Newman war reine Energie, eine Kerze, die an zwei Enden brannte. In dem Rashomon-Remake The Outrage – ein Western! – spielte er Carrasco den Schänder, die Rolle, die bei Kurosawa Mifune Toshiro gehabt hatte.“

Mit Robert Redford in „Butch Cassidy and the Sundance Kide“, 1969. Foto: Filmarchiv Austria

Ihm lagen aufsässige Typen, deren empfindliche Seele zu entdecken ist und die durchaus auch Gründe haben, sich der Gesellschaft zu verweigern, etwa in Hombre (Man nannte ihn Hombre, 1967, Martin Ritt); dreckige Helden, Außenseiter, Rebellen waren sein häufiges Rollenbild, die Wildheit in der Rolle des Ben Quick in The Long, Hot Summer (Der lange heiße Sommer, 1958, Martin Ritt) oder in Hud (Der Wildeste unter Tausend, 1963, ebenfalls Martin Ritt), wo Newman als verwöhnter, egoistischer Ranchersohn und Aufreißer die Gegend unsicher macht – da besaß er eine gefährliche Ausstrahlung als Affektwesen, ganz der ungezogene, von Launen getriebene Junge …

Lesen Sie den vollständigen Artikel in der Printausgabe des FAQ 78

 

 

| FAQ 78 | | Text: Jörg Becker
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