Der Hunderter ist nicht irgendein Geburtstag, und wenn der Jubilar noch dazu BMW heißt, ist es mit einer Feier nicht getan. Neben einer großen sommerlichen Veranstaltung in München, bei der von Angela Merkel abwärts alles erwartet wird, was Rang und Namen hat, gibt es über das Jahr verteilt Events und Pressekonferenzen, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzen. Man feiert sich selbst und man lässt sich feiern. Selbstredend wird das Ereignis auch im BMW Museum gebührend begangen – die Ausstellung „100 Meisterstücke“ eignet sich hervorragend, um sich einen Überblick über ein Säkulum Bayerische Motoren Werke zu verschaffen. Über 30 Klassiker wie der 1936 veröffentlichte BMW 328, das kultige Kleinfahrzeug Isetta (1955) oder der Roadster BMW 507 (1956) zeugen von der Erfolgsgeschichte der Bayern. Doch auch Designstudien wie das Concept Car Gina, das 2008 mit einer Außenhaut aus flexiblem Gewebe für Aufsehen sorgte, sind vertreten. Zudem finden wichtige Erfolge im Motorsportbereich – 1981 gewann man etwa die Rallye Paris-Dakar – Beachtung. Als erstes BMW-Meisterstück feiert man jedoch kein bestimmtes Modell, sondern die Gründung des Unternehmens am 7. März 1916 (Vorgänger waren die 1913 von Karl Rapp gegründeten Rapp Motorenwerke).
Zu Lande und in der Luft
War man zunächst im Bereich des Flugmotorenbaus erfolgreich – die Preußische Heeresverwaltung orderte während des Ersten Weltkriegs 2.000 Motoren –, brachte es der Friedensvertrag von Versailles mit sich, dass der Bau von Flugmotoren in Deutschland für einen Zeitraum von fünf Jahren verboten war. Man musste umdenken. Das Resultat des Reflexionsprozesses waren zunächst aber nicht Automobile, sondern Motorräder. Gleich das erste Modell, die vom Ingenieur Max Friz entwickelte R 32, setzte aufgrund der innovativen Anordnung ihrer Komponenten Maßstäbe. Somit kommt dem Motorrad in der Firmengeschichte der Rang des Pioniers zu, und nicht der Limousine. Tatsächlich kann BMW bis heute auf eine Erfolgsgeschichte verweisen, was Zweiräder betrifft. Im letzten Jahr etwa stellte man mit 137.000 verkauften Motorrädern und Rollern zum fünften Mal hintereinander einen Absatzrekord auf, in 26 Ländern ist man Marktführer. Bis 2020, so das ehrgeizige Ziel, will man auf 200.000 Einheiten kommen.
Doch zurück zu den Anfängen: Bis man BMW verstärkt mit Automobilen verband, dauerte es noch eine Weile. 1929 kam zwar mit dem 3/15 das erste Serienauto auf den Markt und Modelle wie der Sport-Roadster 328 (1937) feierten bald Rennerfolge, die Herrschaft der Nationalsozialisten forcierte jedoch erneut den Bau von Flugmotoren – die Hauptsparte des Unternehmens während des Zweiten Weltkriegs. In diesem Zeitraum hat die Konzerngeschichte einige dunkle Flecken vorzuweisen: Das BMW-Werk München Allach II beispielsweise ging aus einem „arisierten“ Motorenwerk hervor, zu dessen Ausbau man KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter einsetzte. Eine historisch-sozialwissenschaftliche Studie, die die Erben des Imperiums von Firmenpatriarch Günther Quandt vor einigen Jahren in Auftrag gaben, bestätigte die engen Kontakte des Unternehmens zu den Nazis.
Mit Kriegsende 1945 war das Stammwerk in München fast völlig zerstört. Es dauerte bis 1948 bis man wieder ein Motor-rad produzierte, erst 1952 brachte man mit dem 501 einen Oberklassewagen auf den Markt. Doch das Geschäft ging nicht gut, die fünfziger Jahre waren von hohen Verlusten geprägt. Mit dem aus Italien zugekauften Rollermobil Isetta, das den Anspruch auf Bescheidenheit mit einem originellen Design verband, gelang es, die Krise einigermaßen zu überbrücken, ehe dann in den sechziger Jahren die enorme Erfolgsgeschichte im Automobilbau so richtig begann. 1962 wurde die klassische Limousine BMW 1500 veröffentlicht, mittlerweile eine Legende des Konzerns, die den Grundstein zum exklusiven BMW-Image legte. Die Verkaufszahlen gingen, befeuert vom berühmten Werbeslogan „Aus Freude am Fahren“ steil nach oben. Besonders eindrucksvoll gestaltete sich der Erfolgslauf unter dem Vorstandsvorsitzenden Eberhard von Kuenheim (1970 bis 1993): Unter der Ägide des Managers wurden viele neue Modellreihen eingeführt, der Umsatz stieg auf das 18-fache auf rund 28 Milliarden D-Mark, die Motorradfertigung auf das Dreifache, die PKW-Produktion gar auf das Vierfache. Die Mitarbeiterzahl wuchs von 23.000 auf 71.000.
Erst in den neunziger Jahren erhielt die Erfolgsgeschichte wieder Dellen: Man übernahm die Rover Group mit den Marken Rover, MG, MINI und Land Rover, doch die Werke schrieben insgesamt 9 Milliarden an Verlusten. Man verkaufte wieder und so blieb letzten Endes nur MINI bei BMW. Die britische Kultmarke konnte sich durch ein Re-Design und originelle Werbekampagnen dafür auch nachhaltig als Fahrzeug etablieren, das für ein unbeschwertes Lebensgefühl steht und dem entsprechend in eigenen Fanclubs gehuldigt wird. Überhaupt halten es die Münchner gern mit britischer Coolness: So fuhr Pierce Brosnan als James Bond in Filmen wie Goldeneye (1995) BMW
statt Aston Martin. Last, not least ist seit dem Jahr 2000 auch der Automobilbau von Rolls-Royce Teil des BMW-Konzerns.
Österreich und Europa, Gegenwart und Zukunft
BMW ist ein globaler Konzern, der gleichzeitig stark regional verwurzelt ist. Besucht man München, hat man keinen Zweifel daran, wer in der Stadt den Ton angibt. Die Marke scheint in Bayern allgegenwärtig zu sein – und sie wird gepflegt, denn bereits Kindergartenkinder erhalten dort Führungen durch die BMW-Welt. Tradition trifft auf High-Tech.
Im Nachbarland Österreich sitzt man mit vier Unternehmen in Salzburg: Die 1977 gegründete BMW Austria GmbH, die den österreichischen Markt betreut, die 1991 ins Leben gerufenen BMW Financial Services, die sich um Fahrzeug- und Händlerfinanzierung kümmern, die 2000 etablierte Alphabet Austria Fuhrparkmanagement GmbH sowie die 2010 dazugekommene BMW Vertriebs GmbH. Die Mozartstadt an der Salzach ist München dabei in vielerlei Hinsicht vergleichbar: Beide Städte sind sehr schön, verfügen über jede Menge Kunstschätze und Barockarchitektur. Doch sie sind auch teuer, leistungsorientert und relativ konservativ. Kurz: Sie strahlen eine Exklusivität aus, die durchaus zur Marke passt (neben den BMW-Finanzzentren in Salzburg darf freilich nicht vergessen werden, dass das wichtigste Motorenwerk des Konzerns, das über eine Million Motoren pro Jahr fertigt, im oberösterreichischen Steyr sitzt).
Bei einer Pressekonferenz im Salzburger Hauptquartier Ende April haben Christoph von Tschirschnitz, President und CEO der Region Central and Southeastern Europe und Hans-Peter Mathe, CEO BMW Financial Services Österreich, zunächst viel Gutes zu verkünden: BMW Financial Services schuf allein seit 2012 35 neue Arbeitsplätze in Salzburg und beschäftigt insgesamt 166 Mitarbeiter. Mit März dieses Jahres überstieg die Bilanzsumme der achtgrößten Bank Salzburgs erstmals 1 Milliarde Euro, 2015 wurden 41.304 Finanzierungs- und Leasingverträge abgeschlossen. Um Finanzierungs- und Mobilitätsdienstleistungen auch in Zukunft zu garantieren, setze man verstärkt auf individuell maßgeschneiderte Komplettlösungen, so Mathe, nach Eigendefinition ein „Banker mit Benzin im Blut“, der privat gern auf Motorradtouren geht. Zu diesen Komplettlösungen zählt Mathe etwa Angebote wie BMW ALL IN und MINI ALL IN, die Finanzierung, Service, Gewährleistungsverlängerung sowie Winter- und Sommerräder in einer monatlichen Rate bündeln. Hier will man Kunden mit Unkompliziertheit sowie dem Verzicht auf Kleingedrucktes und versteckte Nebenkosten anlocken. Auch im Bereich der Elektromobilität bei BMW i gibt es Vergleichbares: Mit dem „Electrify Program“ kann der Kunde eine individuelle Kombination aus Finanzierung, Service und Versicherung, ergänzt um Add-On Mobility (etwa die Nutzung eines BMW X5) für eine Urlaubsreise, wählen. Ständige Innovation sei eben wichtig, man wolle sich nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen, so Hans-Peter Mathe.
Auf Rekordwerte, die man 2015 in Zentral- und Südosteuropa erzielen konnte, verweist Christoph von Tschirschnitz: „Die Marke BMW konnte sich um 17 Prozent auf 51.878 verkaufte Automobile steigern, 6.576 abgesetzte MINI bedeuten sogar einen Zuwachs von 26 Prozent.“ Der Umsatz wurde um 38 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro gesteigert, ein Umstand, den der CEO auf einen neuen, kaufkräftigen Mittelstand zurückführt. Sogar auf einem Markt wie dem wirtschaftlich jahrelang schwer zerrütteten Griechenland konnte man um 50 Prozent wachsen – zwar von einem niedrigen Niveau aus, aber immerhin. Die massive Unterstützung von Händlern mittels Managementprogrammen und Beratung in architektonischen Fragen rentiere sich, so Tschirschnitz, der sich auch von der Professionalität des österreichischen Verkaufspersonals beeindruckt zeigt. Zudem investierte man auch massiv in den Leichtbau mit Carbon, ein Material, dem wohl die Zukunft gehöre.
Nach diesen Jubelmeldungen fokussiert Tschirschnitz allerdings auf weniger Positives, denn ausgerechnet Österreich macht BMW Sorgen: Das hiesige Wirtschaftswachstum gehöre zu den schwächsten der EU, von der Politik wünsche man sich daher Maßnahmen wie flexiblere Arbeitszeiten, um die Wettbewerbschancen zu erhöhen. Auch im Bereich der E-Mobilität sieht Tschirschnitz die Politik gefordert: Während Länder wie Norwegen durch zahlreiche Anreize und Förderungen diesen Sektor ausbauen konnten, hapert es in Österreich mit dem Laden von E-Autos noch – in Wien etwa gibt es bis dato keine einzige öffentliche Ladestation, nur
einige private.
Man wird sehen, wie BMW sich in den nächsten Jahren am österreichischen Wirtschaftsstandort, den ein prominenter Politiker vor einigen Jahren ja schon abgesandelt sah, schlagen wird. Um die weltweiten Aussichten des Konzerns wird man sich, so dort weiterhin Tradition und Innovation wie bisher gepflegt werden, in den nächsten Jahren wohl aber keine großen Sorgen machen müssen. Die nächsten 100 Jahre können kommen.