Die Darstellung des Holocaust mit den Mitteln des fiktionalen Films galt immer schon als heikle Gratwanderung. Hauptkritikpunkt dabei ist die Frage, ob man dem unvorstellbare Grauen in den Vernichtungslagern mittels Dramaturgie auch nur einigermaßen gerecht werden kann. László Nemes hat es dennoch gewagt, sich dem Jahrhundertverbrechen anzunähern und mit Son of Saul eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie man den eingangs erwähnten, zweifellos berechtigten Einwänden begegnen kann. Im Herbst 1944 wird der ungarische Jude Saul Ausländer in Auschwitz-Birkenau einem der berüchtigten „Sonderkommandos“ zugeteilt, denen die Aufgabe zukommt, die Leichen der in den Gaskammern ermordeten Juden zu beseitigen. Bei einem dieser furchtbaren Einsätze meint Saul in dem toten Körper eines Buben seinen Sohn – ob dies stimmt, bleibt stets ambivalent – zu erkennen. Inmitten des Grauens versucht er etwas eigentlich Wahnwitziges, nämlich ein würdiges Begräbnis samt Kaddisch, dem jüdischen Totengebet, zu organisieren. László Nemes operiert mit einem ebenso klugen wie effektiven formalen und dramaturgischen Konzept. Das 4:3 Bildformat generiert ein stetiges Gefühl der Enge, des Gefangenseins, die Handkamera rückt zumeist Saul ins Zentrum, das Grauen des Vernichtungslagers bleibt, oft nur verschwommen und unscharf, nur angedeutet, jedoch auch durch die Tonebene stets grauenhaft präsent. Gerade dadurch macht Son of Saul die Dimension des größten Sündenfalls in der Geschichte der Menschheit deutlich, der ungarische Beitrag wurde völlig zu Recht mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet.
Nach außen hin scheint die Familie Puccio eine gutbürgerliche Sippschaft zu sein, die zu Beginn der achtziger Jahre in einem schmucken Haus mitten in Buenos Aires lebt. Vater Arquímedes agiert als Patriarch alter Schule; einer der Söhne, Alejandro, ist ein talentierter Rugbyspieler, der vor der Einberufung in die Nationalmannschaft steht, die jüngste Tochter geht noch zur Schule. Doch der Wohlstand der Familie gründet sich auf schwerkriminelle Umtriebe wie Entführungen – wobei die Opfer nach Zahlung des Lösegelds ermordet werden. Arquímedes Puccio ist nämlich ein eiskalter Soziopath, der seine ganze Familie in einer Mischung aus psychologisch geschickter Manipulation und blanker Einschüchterung zu Mittätern und Mitwissern macht – niemand vermag sich mit der Zeit diesem Teufelskreis entziehen. Pablo Trapero hat mit El Clan diesen auf wahren Begebenheiten beruhenden Fall als beunruhigenden psychologischen Thriller mit semidokumentarischen Elementen in Szene gesetzt, der auch darauf verweist, welch unheilvolle Allianzen die Zeit der Militärdiktatur – Arquímedes Puccio sicherte seine verbrecherischen Umtriebe auch durch beste Kontakte zu führenden Repräsentanten der Junta ab – hervorgebracht hatte.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends erschütterte eine brutale Mordserie Deutschland: quer durch die Republik wurden neun Männer mit Migrationshintergrund, die alle kleine Geschäfte betrieben, in ihren Läden erschossen. Da es scheinbar keine Verbindungen zwischen den Toten gab, wurde in alle Richtungen über die Motive dieser Taten spekuliert – von Familienfehden bis zu Verbindungen zur organisierten Kriminalität. In Wahrheit waren die Männer Opfer rassistisch motivierter Gewalttaten, die zwei Männer und eine Frau, die sich zu einer rechtsextremen Terrorzelle unter dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ zusammenschlossen, begangen hatten. Mit drei unter Federführung der ARD für das Fernsehen produzierten Dokudramen wurde eines der erschreckendsten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte bestechend aufgearbeitet. Mitten in Deutschland: NSU zeigt jeweils aus der Perspektive der Täter (Heute ist nicht alle Tage), der Opfer (Vergesst mich nicht) und der Ermittler (Nur für den Dienstgebrauch) mit beklemmender Authentizität eine Mordserie, die Deutschland auf mehreren Ebenen nachhaltig erschütterte und deren lückenlose Aufklärung längst noch nicht abgeschlossen ist.
Son of Saul / Saul fia
Sony Pictures Home Entertainment
103 Minuten
erscheint am 21. Juli
El Clan
Prokino
110 Minuten
erscheint am 15. Juli
Mitten in Deutschland: NSU
Eurovideo
289 Minuten
bereits erschienen