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Buchstabenmusik

Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Press
Mark E. Smith

Musik kann in Büchern viele Rollen spielen. Irene Diwiak inszeniert in ihren Debütroman „Liebwies“ ein Ränkespiel über die Urheberschaft einer Oper im Jahr 1924, bei der eine Sängerin ohne Stimme eine wesentliche Rolle spielt, und natürlich um die Liebe, in diesem Fall zwischen Frauen. Diwiak ist eine Erzählerin altes Schlages, die ihre Geschichte vorantreibt und am liebsten jedes Detail der von ihr erschaffenen Welt an den Leser weitergibt. Großartig gelingen ihr die Männer, die sehnsüchtig und tollpatschig den Frauen helfen oder sie zu lieben versuchen. Mit dem Lehrer Walther Köck zeichnet sie das Porträt des klassischen einsamen Reiters, der mitten in der fiktiven Steiermark der Zwischenkriegszeit alles hinter sich lässt, um in der Musik und in der Unterstützung eines begnadeten Talents seine Erfüllung zu finden. Die Dichte und Spannung des ersten Teils wird nicht ganz durchgehalten, aber es ist klar, dass die österreichische Literatur hier eine Erzählerin gefunden hat, die mehr als ein Versprechen ist.

Was sich Brix Smith von der Heirat mit Mark E. Smith versprochen hat, ist einfach: ewige Liebe und eine Rolle in The Fall. Eine Band, der sie beim ersten Konzert verfiel. Durch eine Kette von Zufällen verliebte sie sich auch gleich in den unbestrittenen Alleinherrscher Mark E. Smith. Ihre Autobiografie „The Rise, The Fall & The Rise“ widmet sich zu einem guten Teil ihrer Zeit mit Mark E. Smith und ihrer Zeit in der Band, die zweifellos die erfolgreichste der Bandgeschichte war. Sie schrieb an bahnbrechendem Songs wie „Hit The North“ mit und erzählt natürlich auch über den Wahnsinn des Tourlebens. Dabei bemüht sie sich um Fairness, denn so sehr sie die Süchte, Lügen und Störungen ihres Exmanns auch verdammt, so sehr schätzt sie auch sein Werk. Eine der schönen Geschichten in diesem Buch sei ausgeplaudert: Als Mark sie das erste Mal in seine Wohnung in Manchester mitnahm, sammelte sie zuerst die Unterhosen ihrer Vorgängerin vom Boden auf. Ein Beispiel von (kurzfristiger) wahrer Liebe.

Die Liebe ist eines der gro-ßen Themen von Sven Regener in seiner Rolle als Texter und Frontmann von Element of Crime. In seinen Songs schafft er es, mit wenigen Zeilen Zustände und Gefühle gültig einzufangen, in seinen Romanen versucht er das Einfache genau zu betrachten. Das funktionierte bei seinem Debüt „Herr Lehmann“ beeindruckend. Bei den folgenden Büchern, die meist auch das Leben von Herrn Lehmann vor oder nach dem Mauerfall beschrieben, waren die Spannungsbögen manchmal endenwollend. Auch in „Wiener Straße“ bleibt er seinem Thema treu. Das Ensemble rund um das Café Einfall tritt wieder auf und versucht mit viel Herz und wenig Ahnung den Alltag in den Achtzigern zu bewältigen. Natürlich ist Herr Lehmann auch mit von der Partie. Einige Szenen sind voll hinreißender Komik, aber manchmal kommt einem schon der Gedanke „Komm Sven, jetzt lass nicht noch einen deiner Freunde schwafeln“ in den Sinn.

Irene Diwiak: Liebwies
Wien, Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, EUR 22,70

Brix Smith: The Rise, The Fall & The Rise
London, Faber & Faber, EUR 11,00

Sven Regener: Wiener Straße
Berlin, Galiani Verlag, EUR 22,70

| FAQ 44 | | Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Press
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