Startseite » Tragbarkeit am Limit

Tragbarkeit am Limit

Text: Lena Style | Fotos: Romain Duquesne

Wie so oft bei vielversprechenden Designern beginnt auch diese Geschichte mit einem Namen: Alexander McQueen. Wer bei ihm lernen durfte, bringt es meist weit in der Modewelt. McQueens großes Talent schien bis zu seinem verfrühten Tod außergewöhnliche Talente magisch anzuziehen. Eines von ihnen ist die Australierin Kira Goodey. Die gelernte Kostümbildnerin kam nach London, um als Printdesignerin der McQueen-Womenswear zu arbeiten. Doch alles kam anders – McQueen nahm sich das Leben und Goodey wechselte daraufhin vom Mustermachen zum Schuhdesign. Wie sie ausgerechnet auf diese Idee kam? Durch eine Kindheitserinnerung: „Es gibt eine Szene im Zeichentrickfilm Roger Rabbit, die mich seit Kindertagen inspiriert. Jessica Rabbit streckt ihren Fuß hinter einem Vorhang hervor, ihr Schuh war dabei unglaublich dramatisch und unnatürlich gebogen. Es war so übertrieben und so sexy, ich war verrückt nach dieser Formgebung. Seitdem versuche ich ständig, genau diese Form nachzuahmen.“ Mit Airbrush-Techniken koloriert, aus filigran gestanztem Leder modelliert oder auch mit Reißzähnen und Delfinflossen versehen, sind sie alles andere als alltäglich. Durch Goodeys Ausbildung bei traditionellen Londoner Schuhmachern ist aber jedes Paar absolut funktionstüchtig, obwohl die Grenzen des Tragbaren immer wieder bis ans Limit ausgereizt werden. Bei hüfthohen Stiefeln in Form eines Drachen zum Beispiel. Oder giftgrünen Heels mit Augäpfeln als Absatz. Kein Wunder, dass die tragbaren Kunstwerke bereits in Museen in London, L.A., Mailand und New York ausgestellt und von Topfotografen wie Steven Klein abgelichtet wurden.

Goodeys Schuhe verkörpern eine Form von kämpferischer Sexualität, die verlockend, einschüchternd und oft humorvoll ist. Sie spielen mit Gegensätzen. Hell und Dunkel, Gut und Böse, Tugend und Laster – Elemente, die vermutlich von Goodeys Zeit in Tokio herrühren. Drei Monate verbrachte sie hier an der Hiko Mizuno School für Schmuck, Handtaschen, Schuhe, Uhren und – richtig gelesen – Fahrräder. Für die junge Designerin ein bewusster Sprung ins kalte Wasser, wie sie sich selbst erinnert: „Es war der perfekte Ort, um meine Komfortzone zu verlassen. Ich wusste wirklich nicht was mich erwartet. Zuhause war 8000 Kilometer weit weg.“ Wenn der Tag zur Nacht wurde, tourte Goodey mit ihrer Kamera durch die Stadt, um die einzigartigen Farben, Stimmungen und Subkulturen Tokios festzuhalten. Nach Monaten des Experimentierens und Scheiterns fand sie endlich einen Weg, diese besondere Ästhetik in ihr Schuhdesign zu integrieren. Mit übereinander geschichtetem, bedrucktem PVC verewigte die Australierin ihr Abenteuer in Japan in ihrer neuesten Kollektion. Heute trifft man Goodey übrigens im Ost-Londoner Stadtteil Hackney an, wo sie in ihrem Studio an neuen, spektakulären Entwürfen bastelt und an ihrem Master im Bereich Footwear am Royal College of Art arbeitet.

www.kiragoodey.com

| FAQ 45 | | Text: Lena Style | Fotos: Romain Duquesne
Share