Internationale Weltausstellungen und der Bau der Ringstraße: Als der Wiener Glasverlag J. & L. Lobmeyr im Jahr 1823 gegründet wurde, avancierte Glas gerade zum beliebten Material für Architekten und Gestalter. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden Kooperationen mit u.a. Josef Hoffmann, Oswald Haerdtl und Adolf Loos, deren Früchte zu Designklassikern wurden und heute in Museumssammlungen in New York, London, Paris und Wien zu sehen sind. Manche von ihnen werden sogar noch in unveränderter Form hergestellt. Eine Art Schlüsseljahr in dieser langen Geschichte stellt das Jahr 2000 dar. Damals übernahmen die Cousins Andreas, Leonid und Johannes Rath nämlich das Unternehmen und begannen sofort, ein Netzwerk aus Händlern und jungen Designern zu schaffen. Bekannte Namen wie Sebastian Menschhorn oder Monica Singer wurden mit an Bord geholt. Die neue Linie von Lobmeyr zeigte sich noch immer klassisch, entsprach und entspricht aber auch gewissen Trends, wie der Suche nach mehr Authentizität, dem innovativen Umgang mit Tradition und auch einem neuen Luxus. Denn natürlich will auch handwerklich Gefertigtes den Alltag bereichern und nicht in einer Vitrine verstauben. Die Idee, gerade diese Umbruchsjahre in Buchform zusammenzufassen, kam intuitiv. Man hatte das Gefühl, dass der Zeitpunkt, das bisherige Schaffen zu dokumentieren und aufzuarbeiten, nun gekommen ist. Und schließlich „kann man auch nicht ewig alles im Kopf behalten“, so Leonid Rath. Schon beim ersten Durchblättern stellt man fest: Die Liebe für das Material Glas ist auch in der sechsten Lobmeyr-Generation ungebrochen. Seit dem Jahr 2000 wurden über 100 Entwürfe von österreichischen als auch internationalen Designern umgesetzt, aber auch historische Formen wiederaufgelegt. Klingende Namen wie Stefan Sagmeister, Formafantasma oder Marco Dessi waren bereits darunter. Das Ergebnis ist eine Fülle an kreativer Energie, die sich in neuen Designs, Alltagsklassikern oder konzeptionellen Installationen manifestiert.
Das kürzlich präsentierte Buch „Lobmeyr Contemporary – Entwürfe seit 2000“ wurde im Rahmen der diesjährigen Vienna Design Week präsentiert und zeigt sich so schnörkellos elegant wie die Glasentwürfe selbst. Kirsty Bell, Autorin und Kunstpublizistin, verfasste den Haupttext des Buchs. Sie analysiert darin die Entwicklungsstufen des Unternehmens und greift dabei auch aktuelle Themen, wie die Suche nach mehr Nachhaltigkeit, auf. Ein Thema, dass Lobmeyr bereits von Beginn an propagiert: „Ich bin total glücklich, in der heutigen Zeit zu leben“, kommentiert Leonid Rath. „Die Menschen sind tatsächlich der aufgeblähten Marken und der stumpfen Massenware müde und auf der Suche nach lokalem, wertvollen, persönlichem und nachhaltigem.“
Da das Werbebudget viel lieber in die Produktentwicklung gesteckt wird, bleiben natürlich nur sehr wenige Projektwünsche offen. Eins wünscht man sich laut Leonid Rath aber doch noch: „Ein wertvolles, zweckfreies, aber nicht sinnloses Objekt, das nicht kitschig ist, sondern eine ganz besondere Ausstrahlung hat und bei dem wir unsere Dekortechniken voll ausschöpfen können. Leider gibt es wenige Menschen, die wirklich gut Zeichnen können und wesentliche Geschichten damit erzählen. Ich suche weiter!“ Vielleicht findet sich so ein Objekt ja bereits im nächsten Buch, das jene Designs zusammenfasst, die heute noch in der Zukunft liegen.
LOBMEYR Contemporary
Entwürfe seit 2000 / Design since 2000
Verlag: Birkhäuser
Redaktion: Hubmann · Vass (Architekten Erich Hubmann, Andreas Vass)
Gestaltung: Lenz+ (Gabriele Lenz und Elena Henrich)
80 Seiten, Englisch/Deutsch, Ladenpreis € 29,95





