Das Modelabel Mother of Pearl hatten anfangs nur Insider auf dem Radar. Jetzt erhebt es sich zum gefeierten Fixstern.
„In diesen Outfits stelle ich mir Oscar Wilde beim Wasserpfeife rauchen vor.“ – So beschrieb einst ein Modejournalist den Stil des britischen Labels Mother of Pearl. Sucht man nach dem Kern jeder Kollektion, ist dieser Vergleich durchaus passend. Seide, opulente, dekonstruierte Streublumenmuster, eine gewisse Dandy-Attitüde – das hätte dem literarischen Freigeist wohl tatsächlich zugesagt. Offiziell führt das Label allerdings nur Frauenmode. Figurbetonte Kleidchen sucht man aber vergeblich. Stattdessen findet man hochgeschlossene Stehkrägen mit Rüschensaum, Glockenärmel und wallende Zweiteiler, für die die Bezeichnung „Pyjama-Look“ der reinste Frevel wäre. Tatsächlich ist das Label das, was man in der Modewelt als eklektisch bezeichnen würde. Aus etwas schon einmal Dagewesenem wird etwas Neues, Wunderbares geschaffen. Tatsächlich bekommt die junge Designerin Amy Powney ihre Ideen nicht aus den Achtzigern oder Neunzigern, wie es derzeit so oft der Fall ist, sondern aus etwas weiter zurückliegenden Epochen. So werden viele Kleidungselemente des 19. Jahrhunderts ins Hier und Jetzt geholt. Bestes Beispiel dafür ist die aktuelle Frühjahrskollektion, die lose Ärmel zeigt, die scheinbar nur grob mit Hilfe großer weißer Perlen an das Oberteil gesteckt wurden. Eine Lösung, die sowohl bei Blazern und Mänteln, als auch an Kleidern zu sehen ist. Mit übergroßen Prints, die vom italienischen Frühbarock-Maler Caravaggio inspiriert wurden, geht man sogar noch weiter in der Historie zurück. Aber woher kam diese Modeerscheinung, die bereits eingefleischte Fans wie Schauspielerin Lena Dunham oder Sängerin Florece Welch hat, so plötzlich? Eigentlich wurde Mother of Pearl bereits im Jahr 2002 von Stylistin Maia Norman gegründet, die es bis heute besitzt. Der große Durchbruch blieb damals leider aus. Das änderte sich aber im Jahr 2017. Da ergriff nämlich die 31-jährige Amy Powney, die selbst bereits seit zehn Jahren Teil des Unternehmens war, das Designzepter. Ihr Design-Mantra „feminin, sportlich und modern“ schien von Beginn an Früchte zu tragen, und Mother of Pearl geriet sehr schnell aufs Radar der Modeenthusiasten. Die Zeit davor war schnell vergessen und Powney wie ein Phönix, der aus der Asche stieg.
Bei all den Anlehnungen an die Vergangenheit wird aber auch nicht auf die Jetztzeit vergessen: Auffallende Accessoires wie die mit überdimensionalen Stoffmaschen versehenen Slingback-Schuhe oder Handtaschen, die aussehen wie kuschelige Polster erwiesen sich als Social-Media-freundliche Hingucker. Ein modischer Begleiter, auf den man sich bei Bedarf auch betten kann, um sich ganz und gar der Melancholie seiner Gedanken hinzugeben – das hätte vermutlich auch Oscar Wilde gefallen.