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Nordic by Nature

Text: Auer Brigitte | Fotos: Magdalena Blaszczuk

Käännöstoimisto tekee käännöksen. Was in der finnischen Sprache auch eine visuell poetische Komponente birgt, trägt den englischen Titel „A Space Traveler at the Tree of Wisdom“ und ist der Name einer kleinen Skulptur, die Björn Weckström im Zuge einer Ausstellung von Werken aus verschiedenen Phasen seines Schaffens vorstellte. Diese Phasen haben stilistisch äußerst vielfältige, kleine bis überlebensgroße Skulpturen aus Silber, Glas, Acryl, Marmor oder hochglanzpolierter Bronze hervorgebracht sowie eine unglaubliche Anzahl an Schmuckstücken: „Jewelry is like a small-scale sculpture. So why isn’t it considered as such? I wanted to create a very new language of form – very three-dimensional – and lift it up to the same level as modern sculpture.“ so Björn Weckström im Interview.

Pekka Anttila (1931-1985), bereits für seine Silberschmiedekunst ausgezeichnet, gründete 1960 ein eigenes Unternehmen, dessen Name sich mehrmals änderte, bis es 1974 schließlich zu „Lapponia“ wurde. Produzierte er zu Beginn noch traditionelle Stücke, die der Mode der Zeit entsprachen, suchte Anttila bald nach einem neuen Zugang, um sich innerhalb der starken Konkurrenz beweisen und auch international Fuß fassen zu können. Die heutige Kalevala Koru Gruppe mit der exklusiven Linie Lapponia und der für einen breiteren Markt konzipierten Marke Kalevala ist Marktführer im Bereich Schmuck in Finnland. Die gesamte Produktion findet im eigenen Land statt, beschäftigt mehr als 210 Menschen, wird in siebzehn Länder exportiert und lukriert einen Umsatz von rund 21 Millionen Euro. „Kalevala“ bezieht sich auf das gleichnamige finnische Nationalepos, eine erstmals im 19. Jahrhundert herausgegebene Sammlung bis dahin mündlich überlieferter Mythen, die einen gewichtigen Beitrag zur Festigung des bis dahin nur schwach ausgeprägten Nationalbewusstseins der Finnen leistete. Lange Zeit lieferten nordische Legenden im gesamten skandinavischen Raum Themen und Ideen für die Gestaltung von Schmuck, der jedoch – wie finnisches Design der damaligen Zeit generell – eine ernste und ernsthaft auszuführende Angelegenheit war. Eine Tatsache, die Weckströms Einfallsreichtum weckte: „I wanted to be a sculptor from a very early age on, but my father had a different opinion, so we made a compromise and I went to goldsmith school. But at goldsmith school I realised how conservative the jewelry field was – because of the expensive materials. By that time Finnish designers were already very famous, especially in the fields of glass, textiles and furniture. But jewelry still was very old-fashioned, a situation that actually inspired me very much because I felt something really could be done there.“ Durch die berühmte Finlandia Wodka-Flasche habe er realisiert, dass auch seine Designs raue Kanten und matte Oberflächen haben sollten. Dazu muss gesagt werden, dass nicht auf Hochglanz polierte Oberflächen ebenso als Unding angesehen wurden, wie ungeschliffene Steine.

Holz-Kultur

In einem Punkt stehen Björn Weckström und somit bald auch Lapponia jedoch fest in der Tradition finnischen Designs: in der inspirierenden Rolle der Natur. Lange Zeit bezog sich dies – vor allem aufgrund der herrschenden Ressourcenknappheit – auf ein hauptsächliches Material, wie Weckström erläutert: „Here in the nordic countries we have a wood-culture. We have by tradition been using very much wood, because it grows here whereas southern european cultures are more built on stone. The tradition of form, the minimalism in Scandinavia as well as in Japan is very much based on wood. It has always been present here and we don’t use ornaments a lot because when you look at the structure and the pattern that the wood has, you rather turn to simple forms.“

Die verschneiten Landschaften, die Mitternachtssonne und Bewegung des Wassers haben in der Gestaltungsvielfalt der Designerinnen und Designer von Lapponia bis heute eine große Bedeutung. Weckström war besonders vom matten Farbton und den Formen von Goldnuggets fasziniert, die er selbst in Lappland gefunden hatte. 1958 eröffnete er eine kleine Galerie in Helsinki, in der er seine eigenen Kreationen neben Schmuck und Bronzeskulpturen anderer finnischer Künstler verkaufte. Die Resonanz auf die kühn wirkenden, ideenreichen Stücke schildert er jedoch als schwierig: „The reactions were very, very negative in the beginning and no jeweler wanted to take the risk to buy this kind of jewelry and make himself ridiculous in front of the customers. But I had this little art-gallery with jewelry and sculptures and so I knew that the consumers were much more open than the jewelers. I knew that people liked the pieces and had no economical problems with my gallery, but of course it’s a different thing if you have a small exclusive gallery than if you go into serial production and are dependent on jewelers.“

Von der Vision zur Revolution

Pekka Anttila kannte Björn Weckström aus ihrer gemeinsamen Ausbildungszeit zum Goldschmied, hatte dessen Arbeit seit Jahren beobachtet und trat Ende 1962 mit der Bitte an ihn heran, für sein Unternehmen zu entwerfen. Damit begann sich Lapponia radikal von der Produktion der Konkurrenz abzusetzen. Widerstand und Ablehnung der Branche – man riet ihnen, in hundert Jahren mit ihren Entwürfen wiederzukommen – ebbten erst ab, als sich Erfolg im Ausland einzustellen begann.

Den Wendepunkt bildete der prestigeträchtige und mit großer, internationaler Aufmerksamkeit bedachte Schmuckdesign-Wettbewerb in Rio de Janeiro 1965, in dem Weckström unter 2000 Einreichungen den Grand Prix gewann. 1966 startete das Exportgeschäft, im folgenden Jahr wurde er eingeladen, sich an den Lunning Prize Awards in New York für 1968 zu beteiligen, die er mit einer Halskette mit dem Namen „Living Wall“ für sich entscheiden konnte. In die Kette war ein kleines Uhrwerk eingebaut, das, wenn es aufgezogen wurde, das ganze

Stück in Bewegung versetzte und den Eindruck einer goldenen Welle erweckte. Was den Verkauf anging, war die resultierende Ausstellung ein großer Erfolg, nur skandinavische Händler zierten sich nach wie vor. 1971 stieß der Däne Poul Havgaard, vier Jahre später der gebürtige Ungar Zoltan Po-povits zu Lapponias Designteam, was Weckström, der seinen Lebensmittelpunkt inzwischen nach Italien verlegt hatte und dort auch an der Universität lehrte, ermöglichte, sich neben dem Design von Schmuck wieder verstärkt der Bildhauerei zu widmen. Die Formensprache von Weckströms Skulpturen ändert sich auffallend mit dem verwendeten Material: „I am a material-romantic. I like to use materials and try to find forms that suit it.“ Die sanften, simplistischen Formen seiner Arbeiten in Marmor stehen in starkem Kontrast zur Verspieltheit seiner Glasobjekte (zum Beispiel Schüsseln mit Händen und Füßen), zur entrückten, manchmal außerirdischen Wirkung, die er mit transparentem Acryl erzielt, oder der technoiden Bedrohlichkeit der fantastisch-realistischen, zwei bis drei Meter hohen Hochglanz-Bronzen, die gleichsam durch mediterrane Mythen und bedrohliche Zukunftsvisionen inspiriert sind. In Arbeiten aus Bronze wie „Ikarus“ und „Daedalos“ realisierte er in den Siebzigern Dystopien eines narzisstischen Zeitalters und der zügellosen Selbstzerstörung durch genetische Manipulationen. „I went down to my studio every morning and tried to find answers to questions I really couldn’t formulate. It was in the air and that’s why I created some of these statues.“

Den schwierigen Spagat zwischen einer „hohen“ Kunst und dem Gebrauchs-Design bekam Weckström trotz seines Erfolges zu spüren: „It has been quite tricky, because the art world finds it very hard to accept, that one is a sculptor and does jewelry design aswell. Now that I’ve had a very long career behind me, it has become easier, but in the beginning I had to be very careful to keep it seperate.“

Space Silver

Bis zum heutigen Tag entwirft Weckström jährlich mehrere Schmuckstücke für Lapponia, die sich mehrfach auch im Besitz internationaler Museen befinden. Pro Jahr produziert das Unternehmen 45.000 Schmuckstücke, von denen jedes auf seinem Weg 60 Paar Hände durchwandert. Unter dem Motto „High Tech, High Design, High Talent“ hat sich Lapponia auch zu einem Pionier in interdisziplinärer Forschung und der Verwendung neuester Technologien für Design- und Herstellungsprozesse entwickelt. 3-D- und Nano-Technologie sind standardmäßig in Gebrauch, wie beispielsweise die seit 2005 verwendete „Atomic Layer Anti-Tarnish Silver Coating Technology“, bei der eine gleichmäßig 10 Nanometer dünne Schicht der chemischen Verbindung Al2O3 aufgetragen wird, die völlig transparent ist, die Strahlkraft des Silbers verstärkt und vor Ablagerungen bewahrt. Neben der Wissenschaft der harten Fakten fand jedoch auch die Science Fiction ihren Eingang in die Geschichte von Lapponia, wie Björn Weckström erzählt: „I was at Lapponia when I got a phone call from London. This Lady introduced herself as Mr. George Lucas’ secretary and said, »Mr. Lucas would like you to design the jewelry for his film.« George Lucas was of course completely unknown at the time so I asked what kind of a film it was and she said, it was sort of a space story. She gave me six weeks’ time for a necklace and a bracelet, but then she called me again a few days later saying »Mr. Lucas is shooting the last scene where the heroine is wearing your jewelry. Could you produce it for the next week?« Which of course was completely impossible but I told her there was a jeweler on Bond Street who sold my pieces. I didn’t here anything until I got a telegram, that Mr. Lucas found this beautiful jewelry and he was very happy and thanked me. Fine. Good. I forgot the whole thing, but you can imagine how surprised I was, when the film came out.“ Die Rede ist selbstverständlich von Star Wars aus dem Jahr 1977 und die Schmuckstücke, die in der Schlussszene an Prinzessin Leia zu sehen sind, tragen den schönen Namen „Planetaariset Laaksot“ / Planetary Valleys.

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