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Der einzig wahre Pop

Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Universal Music
Iggy Pop, Foto: Harmony Korine

Bei Erscheinen der Zusammenarbeit mit dem Gott des zähen Wüstenrocks Josh Homme vor knapp drei Jahren verstieg sich Iggy Pop zur Bemerkung, dass „Post Pop Depression“ seine letzte Platte gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt war Trauer angesagt, denn eine Welt ohne Iggy kennen eigentlich nur wahre Greise. Vor allem waren seine Veröffentlichungen abseits des Rockgedröhnes und der Verpflichtung, die Figur Iggy Pop mit den immergleichen Klischees zu bedienen, wahre Schätze. Zwar kümmerte sich kaum ein Kritiker um Veröffentlichungen wie „Preliminaire“ (2009) oder „Après“ (2012), und auch das Publikum blieb in großem Maß unbeeindruckt, aber die Wege, die der ewige Rabauke hier seiner Stimme zutraute, waren neu und mehr als mutig. Viele Fans waren vom Crooner Iggy Pop vollkommen überrascht und weigerten sich, die Schönheit seiner Versionen von Songs wie Paul McCartneys „Michelle“ oder „La Vie en rose“ zu erkennen. Iggys Stimme brettert hier nicht durch den Körper sondern arbeitet mit einer umfassenden Zärtlichkeit, die nur die ganz großen Sänger auszeichnet.

Iggy_Pop_Rob_Baker_Ashton.pngFoto: Rob Baker Ashton

Bei seinen wenigen Liveshows stehen die Klassiker der Stooges oder die wenigen Solohits wie „Lust for Life“ noch immer im Vordergrund, und Iggy nützt jeden Muskel, jede Falte, jedes knochentrockene Riff um Wirkung zu erzielen, ja sogar sein Hinken wird zum dramaturgischen Stilmittel. So liefert er eine Ahnung davon, welche Kraft die ursprünglichen Stooges hatten und wie weit diese Detroiter Proletenbande ihrer Zeit voraus war. Zeitgemäß ist auch, dass Versprechen nicht eintreffen und der 72-Jährige plötzlich mit „Free“ (Caroline Records) wieder ein Solowerk abseits der Erwartungen vorlegt. Es ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Jazztrompeter Leron Thomas und dem Gitarristen Noveller, und man kann davon ausgehen, dass die Musik schon fertig war, bevor der Star seine Stimme beisteuerte. Und genau hier fängt es an zu knistern, denn der alte Mann, der Last Man Standing, dessen Bild in der Musikgeschichte längst wichtiger und größer ist als sein lebendes ich, schert sich einen Dreck um Erwartungen und lässt seine Stimme ihre magische Wirkung entfalten. Er spricht, er rezitiert, er singt, und ja, manche Sätze werden keinen Platz in der Geschichte der Lyrik finden, aber das sind Einwände für Erbsenzähler. Hier lehnt sich eine der größten Stimmen der letzten 50 Jahre weit aus dem Fenster, hat die buchstäblichen Eier, sich auch dem Scheitern hinzugeben und liefert dann natürlich auch große Ergebnisse wie das unwiderstehliche „Loves Missing“.

Kleine Quizfrage: Was machte Iggy Pop wenn er in den frühen Siebzigern das Publikum der Stooges wirklich verstören wollte? Er sang mit blutverschmiertem Körper in den elenden Clubs, die damals noch die Drogenlagerstätte Stooges buchten, „The Shadow Of Your Smile“, eine Ballade mit der der Crooner Johnny Mathis berührt wurde. Irgendwann schließt sich jeder Kreis.

Iggy_Pop_FREE.png

Iggy Pop, FREE (Universal) 

 

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