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FAQ Music #54

Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Press
Bonnie Prince Billy © Christian Hansen

Will Oldham aka Bonnie Prince Billy hat in den letzten Jahren viel gemacht. Er veröffentlichte Alben mit Songs der Everly Brothers oder von Merle Haggard, er nahm seine eigenen Songs im neuen Gewand auf und ging sogar sporadisch auf Tour. Eines hat der Urheber von „I see a Darkness“ aber sträflich unterlassen: seinen Fans neue Songs zu präsentieren. Mitte Novenber ist die lange Wartezeit nun zu Ende, denn dann erscheint „I Made A Place“ (DragCity/Domino) und überrascht mit einer Grundstimmung, die Oldham seinen Fans bisher vorenthalten hat: Fröhlichkeit. Auch wenn oft der Galgenhumor durchschimmert und manchmal bestimmend wird, bestechen die Songs im Country- oder Bluegrassgewand durch meisterlich lockere Bläserarrangements und machen sie so unüberhörbar zur Hausmarke des Prinzen. Wem seine letzten Veröffentlichungen zu sparsam und jammervoll wa-ren, der kann sich freuen, denn hier wird dem Ende der Welt entgegengeschunkelt, dass es nur so eine Freude ist. Oldham beweist, dass auch in der goldenen Mitte seiner Karriere die Musen gut auf ihn aufpassen und nicht im Stich lassen.

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Zumindest vom Publikum nie im Stich gelassen wurden Wanda. Ihre Konzerte im deutschsprachigen Raum sind mittlerweile Messen, und auch auf Festivals sind sie gefragter als je zuvor. Zwar könnte man aus den Titeln Ihrer Platten „Amore“, „Bussi“, „Niente“ und jetzt „Ciao!“ (Universal) die Geschichte einer gescheiterten Liebe konstruieren, die vom großen Verliebtsein zum Bussi mutiert und nach der Er-kenntnis, dass nichts mehr da ist, zum Abschied führt, aber das Projekt Wanda ist definitiv nicht am Ende angelangt. Dafür ist „Ciao!“ viel zu ehrgeizig angelegt. Wem Songs wie „SOS“ locker aus der Hand gleiten, der kann der kreativen Zukunft entspannt entgegen sehen. Auch wenn Wanda in der eigenen Welt der Beatlesreferenzen definitiv nicht bei „Revolver“, sondern maximal bei der Station „Help“ haltmachen, so ist die Selbstverständlichkeit, mit der große Songs geschrieben werden, bemerkenswert. Auf der Deluxe Edition sind ein paar Demos zu hören, und hier eröffnet sich dann ein vollkommen neuer Weg für diese verschworene Band: Reduktion und weniger Autotune wären hier der Weg zum Ziel. Man darf auf jeden Fall auf die Fortsetzung gespannt sein.

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Nach dem durchschlagenden Erfolg seines Debüts „Ansa Woar“, dessen Veröffentlichung am Beginn eines Triumphzuges durch die Bühnen dieses und der angrenzenden Länder stand, war die Latte für das Folgewerk für Voodoo Jürgens hoch gelegt. War diese Kunstfigur ein Schmäh, der nur einmal aufging? Auf „S’klane Glücksspiel“ (Lotterlabel) gibt er souverän die Antwort und zeigt, dass er seine Beobachtungsgabe geschärft hat und sich von den Strizzigeschichten wegbewegt in Richtung Elisabeth Spira des Songwritings. Das ist ein großes Kompliment und gleichzeitig eine Verbeugung vor der großen Menschenkennerin. Zur ganz großen Meisterschaft bringt er es auf „2l Eistee“: Hier gewinnt er aus Beobachtung und Menschlichkeit einen Song, der Springsteen in den frühen Achtzigern eingefallen und kurz danach von Tom Waits einvernahmt worden wäre. Schlicht und ergreifend ein Lied, das auch ein Ludwig Hirsch auf seiner Wolke bejubelt – und sich freut, dass seine Saat aufgegangen ist. „S’ klane Glücksspiel“ ist eine Tour de Force durch die menschliche Zustände und der Beweis, dass hier einer gekommen ist um zu bleiben.

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Das ist sicher auch das Ziel von Anna Mabo, die bisher am Schauspielhaus und anderen Bühnen arbeitete und nun ihre Songsammlung „Die Oma hat die Susi so geliebt“ (Bader Molden Recordings) vorlegt. Die sparsamen Arrangements unterstützen eine seltene Fähigkeit von jungen Songwritern: Sprachliche Kunstfertigkeit bei gleichzeitiger absoluter Klarheit, es gibt keine großen zu lüftenden Geheimnisse in den Songs, die sich jeder Hörer schwer erkämpfen muss. Die Songs stehen für sich selbst, die Texte laden ein, den Geschichten einfach zu folgen und Textzeilen wie „Das Leben wär unfassbar fad /ohne das Prekariat“ lassen den Liebhaber des gewagten und vor allem neuen Reimes jubeln. Und von diesen Perlen gibt es hier viele. Ein Beleg, dass auch junge Künstler etwas zu erzählen haben. Nach der Entdeckung von Sigrid Horn ist es hier dem Label wohl ein zweites Mal gelungen eine mehr als vielversprechende Songwriterin zu finden.

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Vom Leben in und um Wien zum Leben in Kalifornien führt uns Lana del Rey. Sie arbeitet sich auf „Norman Fucking Rockwell“ (Polydor) mit einer guten Dosis Humor am Leben im Kalifornien ab. Dieses Vorhaben mit dem ihr eigenen Balladenformat zu verbinden und dann noch ins Schwarze zu treffen ist schon ein Kunstgriff. Dass es auch noch zur Schlussfolgerung reicht, dass man auch nach Kalifornien sich selbst und die eigenen ewigen Schwächen mitnimmt, ist dann für eine Platte, die potentiell an ein Millionenpublikum gerichtet ist, so anmaßend wie mutig. Willkommen im neuen Mainstream.

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Unter dem Motto „unglaub-lich wie die Zeit vergeht“ feiern OMD – oder früher auch Orchestral Manoeuvres in the Dark – ihren 40. Geburtstag und schauen mit einer Jubiläumsbox zurück auf eine Karriere, die mit „Maid Of Orleans“ den großen Hit brachte, aber auch jede Menge Anerkennung für ihr Frühwerk. In der Box werden jetzt auf zwei CDs alle Singles gesammelt, dazu kommen noch Raritäten und zwei DVDs von Konzerten aus den Jahren 2011 und 2018. Ins Rampenlicht spülte sie Factory Records aus Manchester, eines der legendärsten und am schlechtesten geführten Label der Welt und so waren sie Anfang der Achtziger zusammen mit Bands wie Joy Division / New Order absolute Pioniere auf dem Gebiet des Synthiepops. Ein paar Ideen hatte man sich zusammen mit Produzent Martin Hannett von Kraftwerk ausgeliehen und stülpte darüber die eigenen hymnischen Melodien. Fertig war das Konzept einer Band, das sich im Wesentlichen die nächsten Jahrzehnte nicht veränderte. Zeitreise ist vielleicht das falsche Wort, aber es ist gut zu sehen, dass OMD ihre Großtaten auch in der Gegenwart noch voller Inbrunst ins Publikum schleudern und dafür vollkommen zurecht bejubelt werden.

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