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Jojo Rabbit

Text: Bert Rebhandl | Fotos: Walt Disney

Jhannes Ewald Detlef Betzler, geboren am 25. März 1927, ist fast elf Jahre alt, als er eines Tages mit seinem Vater am Wiener Heldenplatz vorbeikommt, wo eine sehr große Menschenmenge versammelt ist. Aus der Ferne sieht Johannes auch einen Mann, der vom Balkon der Hofburg herunter schreit, was das Zeug hält. Natürlich möchte der Bub wissen, was da los ist, aber der Vater wimmelt ihn ab: „That man doesn’t concern little boys like you, Johannes.“

Der Roman Caging Skies von Christine Leunens, in dem diese Szene erzählt wird, handelt von der Spannung, die in dem Satz des Vaters enthalten ist: Wie stellte sich der Nationalsozialismus für einen Jungen dar, den die Eltern am liebsten im Unklaren lassen würden? Die Betzlers sind eine Familie mit jüdischen Verbindungen, sie müssen sich nach dem Anschluss auf die wachsende Gefährdung einstellen, aber Johannes soll möglichst wenig davon erfahren. Deswegen wird er Mitglied des Jungvolks, der NS-Kinderorganisation für die Kleinen, die noch nicht in die Hitlerjugend dürfen. Mit kindlicher Neugierde nimmt er alles das auf, was das neue Leben mit sich bringt. Stolz präsentiert er daheim die Rassentheorien, mit denen er indoktriniert wird, und wenn sein Vater doch einmal Einwände gegen die billige Religionskritik der Nazis äußert, wird Johannes fast frech: „That’s just Quatsch, Vater.“

Irgendwann fällt in dem Roman, der bisher nicht in Deutsche übersetzt wurde, dann ein Schlüsselsatz: „I was the only one having fun.“ Damit ist das dramaturgische Prinzip benannt, auf dem das Buch beruht, und das auch für die Verfilmung durch Taika Waititi gilt: Jojo Rabbit erzählt von einem Schreckensregime in einer ironischen Verzerrung, die ein „unschuldiger“ Kinderblick mit sich bringt. Johannes erlebt den Anschluss Österreichs an Nazideutschland als Abenteuer. Das Buch wie der Film erzählen von einer Umkehrung geläufiger Perspektiven: Wie sieht der Nationalsozialismus aus, wenn man nichts von ihm wüsste? Wenn man ihn voraussetzungslos kennenlernen könnte, vor dem Krieg und vor dem Holocaust? Als eine Art Pfadfinderorganisation, mit der man im Wald Übungen abhält, bei denen schwerlich an eine „Endlösung“ zu denken wäre?

Jojo Rabbit bekommt seinen Namen, weil er nicht dazu in der Lage ist, einem Hasen den Hals umzudrehen. Aus Johannes Betzler wird der Feigling Jojo Hase (im Deutschen gibt es sogar ein passendes Wort: er ist ein Hasenfuß). Sein weiches Herz wird dann später noch auf eine größere Probe gestellt. Denn Jojo entdeckt auf dem Dachboden ein Mädchen. Elsa, eine Jüdin, eine Anne Frank ohne Familie in einem Versteck, das gerade einmal für eine Person reicht. Für den naiven Jungen stellt sich damit ein Dilemma …

Lesen Sie den vollständigen Artikel in unserer Printausgabe FAQ 55


JOJO RABBIT

Tragikomödie/Satire, USA/Deutschland 2019

Regie, Drehbuch Taikia Waititi

Kamera Mihai Malaimare Jr. Schnitt Tom Eagles Musik Michael Giacchino 

Production Design Ra Vincent Kostüm Mayes C. Rubeo

Mit Roman Griffin Davis, Thomasin McKenzie, Scarlett Johansson,

Taika Waititi, Sam Rockwell, Rebel Wilson, Stephen Merchant, Alfie Allen

Verleih Walt Disney Studios, 108 Minuten

Kinostart 23. Jänner 2020

| FAQ 55 | | Text: Bert Rebhandl | Fotos: Walt Disney
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