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Antonionis Blow-Up

Text: Jörg Becker | Fotos: Albertina
Foto: Arthur Evans, Privatsammlung Wien, Courtesy: Neue Visionen Filmverleih GmbH

„Wenn man mit Vergrößerungsgeräten entwickelt … tauchen Dinge auf, die man mit bloßem Auge vermutlich nicht sieht … Der Fotograf in Blow-Up, der kein Philosoph ist, möchte näher an die Dinge rankommen. Aber indem er zu stark vergrößert, löst sich das Objekt selbst auf und verschwindet. Es gibt also einen Augenblick, in dem wir die Wirklichkeit erfassen, und dann verschwindet sie wieder. Das war zum Teil der Sinn von Blow-Up.“ (Michelangelo Antonioni, 1986)

„Blow-Up ist die Geschichte eines jungen Fotografen, der in zufällig aufgenommenen Bildern Indizien für ein Verbrechen entdeckt, aber in Wirklichkeit dessen Spuren verliert.“ (Claudia Lenssen) So liest sich der Plot des Films, treffend in einen Satz gefasst, wie ein kunstvoll verdichtetes Extrem-Pitching. Antonionis Film lässt sich als eine Reflexion über die abbildenden Medien Fotografie und Film betrachten. Die bei der Fotoentwicklung und Vergrößerung entdeckte Leiche im Park, bei der anschließenden Recherche des Fotografen verschwunden, weist auf den stillstellenden, mortifizierenden Charakter der Fotografie, deren Wahrheit allein für den Augenblick ihrer Aufnahme Geltung besitzt. Der Fluss der Zeit ist angehalten. Beim Film indes bildet Zeit auch das Element des Dargestellten.

Die ihn fesselnde Momentaufnahme verschiebt das Interesse des Fotografen Thomas (David Hemmings) hin zur Rekonstruktion des vermuteten Geschehens, der sich alle Nebenlinien und -figuren des Films unterordnen. Doch die Bildvergrößerung scheint zugleich die Vergrößerung eines Zeitalters zu sein, des aufkommenden Pop-Age.

„Blow-Up ist die Geschichte einer Faszination. Einer sehr spezifischen Faszination. Ihr Objekt sind Fotografien; der ihr erliegt, ist ein Fotograf. Das Abbild der Wirklichkeit, Inbegriff der Objektivität, löst eine Vorstellung aus, deren Wahrheit oder Unwahrheit am Ende irrelevant wird; das Opfer wird einer, dessen Beruf die unbestechliche Beobachtung zu sein scheint. ‚Seelenbild eines Modefotografen‘ sollte der Film noch heißen, als die Dreharbeiten begannen.“ (Enno Patalas, Filmkritik 5/1967)

Für das Rollenbild seines Protgagonisten, die Darstellung des Fotografen Thomas, nahm Antonioni mehrere Londoner Modefotografen als Vorbild, darunter David Hamilton, Brian Duffy, John Cowan (in dessen Atelier der Film teilweise gedreht wurde) und David Bailey. Antonioni hatte in der Modeszene vorbereitend recherchiert und einen mehrseitigen Fragebogen zu Berufspraxis und Lebensstil verschicken lassen. Er besuchte ihre Studios und integrierte ihre Werke, etwa Reportagefotos von Don McCullin oder John Cowans Modefotos, die in Thomas’ Studio sichtbar sind. Die Ausstellung zeigt überdies Kunstwerke, die in den Szenen von Blow-Up enthalten sind, Film-Stills des Films und Bilder, die Antonioni eigens von McCullin für Blow-Up produzieren ließ und als Requisiten einsetzte – insbesondere jene ikonischen Bilder aus dem Londoner Maryon Park, die Fotos des Liebespaars, welche Thomas im Film vergrößert, um dem mutmaßlichen Mord auf die Spur zu kommen. Antonioni, der Maler und Architekt unter den Regisseuren der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, hatte sich bereits von Mark Rothkos Malerei für die eigenen abstrakten Kompositionen in Il deserto rosso (Die rote Wüste, 1964) inspirieren lassen; eine ähnliche Referenz stellt sich in Blow-Up dadurch her, dass der britische Maler Ian Stephenson das Modell für die Figur des Nachbarn von Thomas abgab, Bill, dessen Gemälde abstrakte Motive von Stephenson zeigen. Das Gestaltungsspektrum einer Ära, verbreitet unter dem Label „Swinging Sixties“, deren hippe Metropole London war, hat sich in Antonionis Werk gleichsam herauskristallisiert.

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Blow-Up

Antonionis Filmklassiker und die Fotografie

30. April bis 17. August 2014

Albertina Museum

Albertinaplatz 1

1010 Wien

| FAQ 27 | | Text: Jörg Becker | Fotos: Albertina
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