Schon in Dogtooth (2009), jenem Film, mit dem sich Yorgos Lanthimos internationale Anerkennung verschaffte, entwarf der griechische Regisseur eine düstere Untersuchung von zwischenmenschlichem Machtmissbrauch und Verhaltensweisen in Extremsituationen der seltsamsten Art. Dieser ersten Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Efthimis Filippou sollten weitere formverwandte folgen, ehe Lanthimos The Favourite (2018) und Poor Things (2023) mit Screenwriter Tony McNamara realisierte. Der nun in den Start-löchern stehende Kinds of Kindness bedeutet also, wieder mit Filippou erdacht, eine Art Rückkehr. Bezüglich des Inhalts gilt dies ebenso, wobei die beiden Autoren ein Stück weit auch der Prämisse von Lanthimos’ zweitem Spielfilm Kinetta (2005, Ko-Drehbuch: Yorgos Kakanakis) zunicken, der noch vor ihrer Schreibkollaboration entstand. Dort folgt die Handlung drei Personen, die mit großer Ernsthaftigkeit und Detailversessenheit Morde nachstellen.
In Kinds of Kindness sind es allen anderen voran wieder drei Charaktere, die, jeweils verwandelt, in drei Episoden verschiedene Arten von Gewalt und Unterwerfung durchspielen. Wieder zwei Männer und eine Frau, verkörpert von Emma Stone, Willem Dafoe und Jesse Plemons. Gemeinsam mit den „Sidekicks“ Hong Chau, Margaret Qualley und Joe Alwyn schickt der Regisseur seine drei Stars durch drei scheinbar für sich stehende, in ihrem klaren ästhetischen Konzept aus überhöhtem Kostüm- und Set-Design und moralischen Grenzüberschreitungen geeinten Episoden. Lanthimos erklärt dabei weniger denn je, setzt auch nicht so stark wie früher auf klinische Präzision, die den Grundfesten der gesellschaftlichen Ordnung an unerwarteten Stellen die Schrauben lockert. Eher stellt Kinds of Kindness eine ultimative Feier der Kraft von Situationen dar, konzentriert sich auf einzelne, bisweilen ziemlich verrückte Problemstellungen, mit denen die Figuren fertig werden müssen. Was ihnen, natürlich, teils lustig, teils bizarr und teils schockierend, fast durchweg misslingt. In Teil eins regelt Willem Dafoe als absoluter Chef das gesamte Leben seiner Angestellten, wogegen sich Robert (Plemons) schließlich aufzulehnen beginnt. In Teil zwei übernehmen Plemons und Stone die Show, er ist als Polizist Daniel allmählich überzeugt davon, dass sie, seine Frau, durch eine Doppelgängerin ersetzt wurde. Die Mittel, mit denen er die Wahrheit herausfinden will, sind drastisch. Im großen Finale brettern Plemons und Stone schließlich als Sektenmitglieder in einem protzig lilafarbenen Coupé durch die Gegend, um eine Frau zu finden, die Tote erwecken kann. Willem Dafoe ist, wie schon in Poor Things, hier durchgehend eine Art väterlicher Kontrolleur. Ist er der Regisseur dieser Choreografien der Grausamkeit? Oder ist doch der ominöse „R. M. F.“ der Spielleiter, jener schweigsame Mann, nach dem die drei Kapitel benannt sind?
Kinds of Kindness
Drama, Großbritannien/Irland/USA 2024 – Regie: Yorgos Lanthimos, Kamera: Robbie Ryan, Schnitt: Yorgos Mavropsaridis, Musik: Jerskin Fendrix
Mit: Emma Stone, Yorgos Stefanakos, Willem Dafoe, Margaret Qualley, Jesse Plemons, Mamoudou Athie, Hong Chau, Joe Alwyn, Hunter Schafer
Verleih: Walt Disney, 165 Minuten