„Du Hund!“ – das ist eine Beschimpfung. „Bitch!“ – auch nicht besser. „Son of a bitch / Sohn einer Hündin“ – noch schlimmer. „Auf den Hund gekommen“ – will eigentlich niemand sein. Auch kein „Underdog“. Wenn einer nicht besser behandelt wird als ein Hund, dann wird er besonders mies behandelt. Will man richtig schlechtes Wetter beschreiben, dann würde man nicht mal einen Hund vor die Tür jagen. Gräßlichen Fraß kann man nicht einmal einem Hund vorsetzen und „hündisch“ will auch keiner dreinschauen, weil das mit Unterwürfigkeit und Feigheit assoziiert wird.
Der semantische Raum rund um das älteste Haustier des homo sapiens steht in einem seltsamen Widerspruch zu seinem Ehrentitel: des Menschen bester Freund. In diesem Spannungsfeld nun hat Wes Anderson seinen aktuellen Film angesiedelt, die Stop-Motion-Animation Isle of Dogs. Das Werk beginnt mit einem Prolog, der, japanischen Farbholzschnitten und Erzähl-Bildrollen nachempfundenen, in zweidimensionalen Tableaus die Legende von einem Samuraibuben schildert, der dermaleinst die Hundepopulation Japans vor dem vernichtenden Zugriff des katzenliebenden Kobayashi-Clans gerettet hat. Sodann wird in etwa die gleiche Geschichte noch einmal erzählt, nur ist sie diesmal „20 Jahre in der Zukunft“ in Megasaki City angesiedelt und als Puppentrickfilm gestaltet. Erneut ist die Lage der Hunde desolat; es gibt ihrer angeblich zu viele und diese Zuvielen sind zudem mit Viren und Bakterien infiziert, die damit drohen, die Tier-Mensch-Schranke zu überspringen. Bürgermeister Kobayashi (genau, ein Angehöriger des Katzen-Clans) hat die Lösung: Alle Hunde werden auf das Megasaki City vorgelagerte Trash Island (wie der Name schon sagt: eine Müllinsel) verbannt! Da hilft auch der Einspruch des Vorsitzenden der Wissenschaftspartei nichts, der argumentiert, die Krankheiten seien heilbar, die Überpopulation sei in den Griff zu bekommen und im Übrigen stehe man bei der Entwicklung diverser Heilseren kurz vor dem Durchbruch. Vergebens. Der erste Deportierte ist Spots, Leibwächterhund von Atari Kobayashi, Waisenknabe und Mündel des bürgermeisterlichen Haushalts, zwölf Jahre alt und nicht willens, den Verlust seines Hundes – der wiederum sich hundetreu ergeben wenngleich etwas erstaunt und verhalten alarmiert dreinblickend in sein Schicksal fügt – widerstandslos hinzunehmen. Atari kapert einen Miniatur-Junior-Turboprop, legt damit auf der Hunde-Müll-Insel eine Bruchlandung hin, trifft auf ein Rudel mittlerweile recht zerzauster und verwahrloster, sozusagen auf den Hund gekommener, ehemaliger Haushunde sowie einen sturen Streuner namens Chief („I bite!“) – und ein Abenteuer epischen Ausmaßes beginnt …
Vollständiger Artikel in der Printausgabe.
ISLE OF DOGS
Animation, USA/GB/D 2018 – Regie, Drehbuch Wes Anderson Leiter Animation Mark Waring Leiter Puppenabteilung Andy Gent Kamera Tristan Oliver Schnitt Ralph Foster, Edward Bursch Musik Alexandre Desplat Produktionsdesign Adam Stockhausen, Paul Harrod Kostüm Maggie Haden
Mit den Stimmen von Bryan Cranston, Edward Norton, Scarlett Johansson, Tilda Swinton, Bill Murray u.v.a.
Verleih 20th Century Fox, 101 Minuten
Kinostart 11. Mai 2018