Das heurige Motto „Wege, Reisen, Pfade“ lässt sich als anderer Name für die musikalische Programmatik von Glatt & Verkehrt verstehen: Die Spannung zwischen Welt und Heimat, daraus ergibt sich bald die große Fahrt hin und zurück. So erzählt beispielsweise Michael Köhlmeier von Aeneas – tatsächlich eine Fluchtgeschichte, denn der Gründer Roms flüchtet der Sage nach aus dem brennenden Troja, das die Griechen erobert haben. Musikalisch begleitet wird Köhlmeier von einem griechischen Musikduo, soviel zur Spannung. Andererseits steht auch die Odyssee am Programm, sie soll hier dem Stil der Erzähler nahekommen, die in orientalischen Teehäusern vortragen. Das übernimmt Wolfram Berger, begleitet von Peter Rosmanith mit perkussiven Akzenten. Den geläufigen Namen und Erzählungen stehen viele Entdeckungen gegenüber. Manche erscheinen hier in neuen musikalischen Zusammenhängen, manche kommen erstmals nach Österreich, die woanders schon etabliert sind. Die im Folgenden genannten Acts verstehen sich jeweils als Empfehlung, die stellvertretend dem Gesamtangebot gilt.
Spannende Inszenierungen
So wie Ilaria Graziano und Francesco Forni, die aus Neapel kommen und schon lange in Rom leben. Sie passen zum aktuellen Trend der Folk-Pärchen, wie sie aus der Pubszene kommen, sind aber wesentlich vielschichtiger: Mit einfachen Mitteln – meist Ukulele, Gitarre und Gesang – verbinden sie den Blues mit dem Stil mediterraner Lieder. Das pittoreske Duo setzt sich ohne Scheu vor Kitsch in Szene, umso spröder wirkt der Charme ihrer Musik. „Es muss auf der Bühne total überzeugen“, erklärt Albert Hosp, der gemeinsam mit Johann Kneihs das Programm verantwortet, ein zentrales Auswahlkriterium. Pro Tag erhält er etwa 40 Mails von Leuten, die gerne auftreten möchten. „Man muss den Mut haben, zu sagen, der oder die kriegen ein Konzert.“ Graziano und Forni hat er am „Diaspora“-Tag ins Programm gesetzt (Fr., 26. Juli), als erstes Konzert am Abend in der Winzerhalle um 18 Uhr. Davor gibt es im Freien „Musik unterm Marillenbaum“, und schon zu Mittag „Tafelmusik“, an diesem Tag im Salzstadl Krems. Danach kann man durch die Stadt bummeln und am späten Nachmittag „bei den Winzern“ eintreffen, in den Weinbergen jausnen und sich schließlich dem Abendprogramm widmen. Auf die Italiener folgt Yiddish Glory: Vielfältige Lieder jüdischer Exilanten, die vor Hitler in die Sowjetunion geflüchtet waren. Beschützer Stalin ging später gegen die Sammler des Liedgutes vor. Etwas lockerer scheinen da die aktuellen Wirren (was hat ein kongolesischer Staatsmann mit einem Apres-Ski-Getränk zu tun?), thematisiert in einer weiteren Kooperation des Nachwuchs-Jazzmeisters Lukas Kranzelbinder mit dem in Graz ansässigen kongolesischen Poeten Fiston Mwanza Mujila. Diaspora eben. Jeweils unter einem Tagesmotto sind fünf Tage nach diesem Prinzip programmiert, das ist das eigentliche Festival in Krems …
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