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Auf einmal wurden wir zu Wienern

Text: Christoph Benkeser | Fotos: Sophia Egger-Karlegger

Pauls Jets wollen nichts – und sagen alles. Die Wiener Band verliert sich mit „Highlights zum Einschlafen“ im schönen Blödsinn und führt Schmäh über die Sinnlosigkeit des Lebens.

Wem die Texte von Yung Hurn zu gaga sind, das Gehabe von Ja, Panik zu pathetisch, der Nino aus Wien zu verkopft und der Griff in den Schritt von Wanda zu obszön erscheint, legt die neue Platte von Pauls Jets auf – und hört Musik, die weder peinlich noch anmaßend ist. „Highlights zum Einschlafen“, die zweite Platte der Wiener Gruppe, ist so etwas wie das gesinnungsanästhetische Delirium, in das man fällt, wenn man mal wieder zu lange um die Häuser gezogen ist, zu wenig geliebt oder sich zu oft verloren hat. Das Album ist die Hand, die hochzieht und verklickert, dass man alles und sich selbst nicht ganz so ernst nehmen solle. Es ist die Watsche, die man sich gibt, weil man down ist und nicht mehr daran glaubt, dass das Jahr trotz allem noch ganz cool werden könne. Auf 14 Songs versprühen Paul Buschnegg, Romy Park und Xavier Plus gute Vibes im Dreiliterfass, nebeln den ganzen Laden ein mit einer Grundliebe zum Kitsch und krempeln die ausgewaschenen Ärmel hoch, um eine Trapband zu gründen, aus der Essenz zu fallen und am Ende doch zu fragen: „Weißt du wie es wird?“ Sinn macht hier alles – und nichts. Die Sache ist „für die Fische“, der „Teufel“ steigt mit ins Bett. Mit Anfang 20 steckt man das weg, „schluckt ein Ibu“ und will unsterblich sein. Die Musik von Pauls Jets nimmt die Erinnerung vorweg. Sie war schon immer da, jetzt hat sie jemand gesungen. Wieso zwischen Üben und Betäuben das Leben liegt, warum sich die Gruppe plötzlich wie Wiener fühlt und aus welchem Grund das Album ins Instagram-Jahrzehnt passt, erzählt Paul Buschnegg im Gespräch.

FAQ: Fangen wir mit einer einfachen Frage an: Was kommt nach dem Tod?

Paul Buschnegg: Manche Leute werden zu Geistern, andere ruhen in Frieden.

„Highlights zum Einschlafen“ ist zwar keine Platte über den Tod – die Vergänglichkeit schwingt trotzdem mit. Ist das die Quarter-Life-Crisis, die man als „Pop-Hoffnung“ gehypter Millennial mit Mitte 20 durchmacht?

Es geht nicht um den Tod auf der Platte. Auch nicht um Vergänglichkeit, ich kann nicht wirklich sagen, um was es genau geht, möglicherweise geht es um gar nichts oder es geht um die Gegenwart, und um eine positive Sicht darauf. Es ist eine sehr lebensbejahende Platte. Es geht meistens darum, etwas zu finden, das wertvoll genug ist, um darüber zu singen in einem Leben, das sich oft sinnlos anfühlt. Das Besingenswerte wird dann eben besungen, umgewandelt, ausgeschmückt wiederholt. Sinnloses wird hymnisch. Ob das jetzt eine Krise ist? Ja, nein, keine Ahnung, irgendwie immer wieder. Aber Pop-Hoffnung – bitte nicht!

Gleichzeitig will das Album nicht wirklich etwas. Die große Welterklärung im 3-Minuten-Song gibt’s bei Pauls Jets nicht.

Es ist auf jeden Fall nichts Neues. Größtenteils ist es ein Rock-Album mit Pop-Anleihen geworden. Oder ein Pop-Album mit Rock-Anleihen. Etwas, das ich immer gehasst habe. Aber jetzt gefällt es mir so. Es ist einfach: E-Gitarre, Bass, Drums, ein bisschen Klavier, dort eine Orgel, manchmal Streicher-Synthesizer und Hall auf der Stimme – das ist voll old-school. Tot ist diese Art von Musik deshalb aber noch lange nicht. Bei uns klingt sie ein bisschen barock, ausgeschmückt, verschnörkelt. Die Welt erklären möchte ich mit den Songs aber nicht. Das sollen andere machen. Das ist nichts, was ich mit Kunst machen will. Erklären kann man in der Schule, wir machen Musik als Flucht vor dem Erklären.

Nietzsche schrieb, dass der Mensch lieber noch das Nichts wolle als nicht zu wollen. Taugt Nihilismus als Ideal, weil’s auch schon wurscht ist?

Das kann ich nicht beantworten. Aber ich würde nicht sagen, dass es als Ideal taugt, es ist eine schlechte Zeit für Gleichgültigkeit.

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Gleichzeitig möchtest du mit der Musik vor dem Erklären flüchten? Das ist doch auch eine Art Gleichgültigkeit.

Nur weil etwas nichts erklärt, heißt es nicht, dass es nichts bedeutet. Es gibt Künstler, die einfacher zu checken sind. Und solche, die nicht klar über Dinge singen. Trotzdem ist es nicht egal, was sie machen. Das ist die Ambiguität der Kunst, die sich nicht sofort selbst erklärt. Bei Tocotronic geht es nicht darum, irgendwas zu checken. Es geht um das Kunstwerk, das kein Rätsel ist. Bei Bilderbuch checkst du gleich, was sie wollen. Andere denken zu extrem um die Ecke, was ich auch fad finde. Wir machen Musik, die magisch ist. Es ist schwierig zu erklären, wie sie passiert, weil sie ein Genie voraussetzt. Gleichzeitig bin ich mir nicht so sicher. Ich bin kein Genie und arbeite sehr lange und hart an Texten. Oft denke ich, ich müsste eine Zeile schreiben und sie müsste stimmen. Das ewige Nachdenken, ob die Zeile stimmt oder nicht, ist furchtbar. Nur weil ich nicht sagen kann, um was es in einem Lied geht, bedeutet es aber nicht nichts.

Hat ja auch was damit zu tun, sich selbst nichts vormachen zu müssen. Man probiert was, und schaut dann, wie’s ankommt – ohne Nachdruck.

Ich versuche absichtlich nicht mitzudenken, wie die Sachen ankommen. Ich mach es einfach. Und ich schreibe gerne schöne Melodien. Ich fühle darin etwas, von dem ich will, dass es andere auch fühlen. Das ist meine Connection zu dem Thema. Es ist mir nicht egal, ob es berührt oder nicht. Von Authentizität möchte ich gar nicht sprechen, das ist ein blödes Wort. Jemand hat mal gesagt, Authentizität sei wie die Identität des Individuums mit sich selbst. Eins sein mit sich selbst. Frei sein von Umfeld, von Einfluss, frei von Abhängigkeiten, ganz natürlich, von Gott geschaffen. So etwas zu bewundern ist einfach Blödsinn. Kein Mensch, keine Musik, keine Kunst ist authentisch.

Bei euch kommen schon mal Auto-Tune-Stimmen und Synthesizer-melodien aus dem Streicher-Träumeland mit Texten für Leute zusammen, denen die Dada-Wurschtigkeit von Yung Hurn zu gaga und das intellektuelle Erbe von Ja, Panik zu pathetisch ist – welchen Ansprüchen muss Musik heute genügen?

Das ist gut beschrieben. Ich kann nur betonen: Ich mag Musik, in der ist nicht um Gleichgültigkeit geht, ob politisch oder privat. Ich glaube, man merkt schnell, wenn es nicht so ist …

Lesen Sie das vollständige Interview in der Printausgabe des FAQ 57

 

| FAQ 57 | | Text: Christoph Benkeser | Fotos: Sophia Egger-Karlegger
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