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Aus der Bürgerlichkeit der Kunst rausgehen

Text: Schöny Roland | Fotos: Wiener Festwochen
Tomas Zierhofer-Kin © Magdalena Blaszczuk

Von 12. Mai bis 18. Juni gehen die durch und durch erneuerten Wiener Festwochen unter Intendant Tomas Zierhofer-Kin über die Bühne. Neben einem deutlichen Schwerpunkt auf Performanceprojekte aus zahlreichen Teilen der Erde sondiert das Musikfestival mit HYPERREALITY die queere und widerständige Club Culture der Gegenwart. Außerdem erobern die Festwochen neue Orte in der Stadt abseits der herkömmlichen Kulturknotenpunkte.

Tomas Zierhofer-Kin, vom niederösterreichischen donaufestival kommend, setzten Sie sich als Intendant des prominentesten Festivals in Wien die Aufgabe, die Festwochen zu einem ihrer Ursprungsmomente zurückzuführen. Sie wollen wieder mehr betonen, was die Festwochen seit den 1960er Jahren zu einem großen Teil prägte, also das Erneuernde und Innovative im Wiener Kulturbetrieb. Gleichzeitig hat man den Eindruck, dass das große Welttheater sich auf den politischen Bühnen populistischer Ideologien abspielt. In vielen Ländern driften große Teile der Bevölkerung nach rechts ab. Welche Möglichkeiten sehen Sie, da kulturell dagegen anzusteuern?

Das ist eine aktuelle und zugleich schwierige Frage. Wenn man antritt, denkt man, die Kunst müsse ja die Kraft haben, die Gesellschaft massiv zu verändern. Doch ich glaube, es geht darum, die positiven Kräfte, die für einen Aufbruch stehen, zu bündeln, für sie eine Plattform darzustellen. Das halte ich für sehr wesentlich. Wir haben halt einfach das Glück, dass wir bislang in Österreich, durch unser eigenes Zutun, verschont worden sind von dem, was hätte alles passieren können.

Wie gestalten Sie nun die Wiener Festwochen neu?

Ich glaube, dass es jetzt wichtig ist, genauso wie diese letzte Wahl in Österreich enorm wichtig war als ein Signal – auch für Europa –, dass man letzten Endes aus der Bürgerlichkeit der Kunst raus geht. Im Sinne des großen Theatermannes Luc Bondy, der die Festwochen auch sehr als Theaterfestival positioniert hatte, war schon so etwas entstanden. Deshalb ist dieses Festival jetzt auch anders, nämlich sehr multimedial, wo wir sagen: Das sind nicht nur die Theaterleute, also das Bürgertum – es geht auch um die Leute die im Bereich elektronischer Musik, in der Clubkultur beheimatet sind, es geht um Performance und bildende Kunst. Wir versuchen uns da in Wien ganz vorne zu positionieren, in dem Sinne, dass es einer der großen Tanker aufgibt, eine bürgerliche Konsensidee im Programm zu haben.

Mit ihrem neuen Kurs arbeiten sie mehr forschend, explorativ. Es findet sich vieles im Programm, das man wahrscheinlich nur ausprobieren kann; ohne genau Vorstellung, was einen erwartet. Besteht nicht ein wenig die Gefahr, das Publikum zu überfordern, mit einem riesen Paket an Information, Auseinandersetzung, Veranstaltungen an vielen Orten?

Ich glaube, wir fahren einen Kurs, der eher gemäßigt ist. Was wir aber versucht haben, ist, jeweils eine inhaltliche Klammer darzustellen und Pakete anzubieten. Neben unseren neuen Formaten knüpfen wir natürlich auch an die Intendanten vorher an. Es gibt unendlich viele Wiederkehrer, ob das Romeo Castellucci ist, ob das Peter Brook ist, ob das Bruno Beltrao ist. Da kommt vieles vor, was es schon mal gab. Auch im Zwischenbereich von Kunst und Musiktheater tauchen große Namen auf: Immerhin gibt es auch das Parsifal-Projekt »MONDPARSIFAL ALPHA 1-8 (ERZMUTTERZ DER ABWEHRZ)« von Bernhard Lang in der Ausgestaltung des Künstlers Jonathan Meese im Theater an der Wien. Auch Jimmy Cauty, der das legendäre Band-Projekt „The KLF“ gründete, bringt ein sensationelles Projekt nach Wien. Sein aktuelles Projekt „The Aftermath Dislocation Principle (ADP)“ war 2015 ein Highlight in Banksys „Dismaland“. Die neuen Schienen sind halt viel kleinteiliger, weil sie auch andere Leute ansprechen möchten. Durch die Breite des Angebots nehmen Sie im Programm auch relativ viel Platz ein. Aber speziell da lohnt es sich, ganz genau hineinzuschauen.

Einen der neuen Schwerpunkte bildet das sogenannte Performeum, ein Ort für Performance auf einem Bahnhofsgelände am Beginn der Laxenburgerstraße im 10. Bezirk. Im Bereich der Performance ist eine rasante Zunahme der Produktionen zu beobachten. Grob gesehen fußen sie auf zwei Strömungen: einerseits aus dem Theater kommend und andererseits aus dem Bereich der bildenden Kunst, wo diese in den Bereich der Body-Art überging oder aktionistisch wurde. Wo sehen sie die Performance aktuell, und was ist dieses Performeum?

Ein weiterer Ursprung der Performance-Kunst liegt natürlich im Tanz. Was man ebenfalls nicht außer Acht lassen sollte, ist all das, was aus den akustischen Kunstformen kommt. Da wird es ja auch immer stärker. Es gibt überdies einige Leute, die in einem anderen Bereich der Festwochen, nämlich im Programmteil HYPERREALITY angesiedelt sind. Durch deren Darbietungen im Feld der elektronischen Musik lassen sie sich durchaus als Performancekünstler- und Künstlerinnen sehen. Uns ging es darum, ein Statement zu setzen, für die Wichtigkeit dieser Kunstformen; egal welchen diskursiven Hintergrund sie haben …

Lesen Sie das komplette Interview mit Tomas Zierhofer-Kin in der Printausgabe. 

 

WIENER FESTWOCHEN

12. Mai – 18. Juni

www.festwochen.at

| FAQ 42 | | Text: Schöny Roland | Fotos: Wiener Festwochen
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