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Ausnahmezustand

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Press

Michael Haneke hat sich im Verlauf seiner Karriere als einer bedeutendsten Filmautoren des Weltkinos zu etablieren verstanden. Ein Status, den sich Haneke auch dank einer Kompromisslosigkeit, mit der der Regisseur und Autor an seine Filme herangeht, erarbeitet hat. Sein ausgeprägter Stil mit langen, exakt komponierten Einstellungen prägt seine Arbeit ebenso nachhaltig, wie die unerbittlich präzise Analyse gesellschaftlicher Zustände. Die Wertschätzung seiner letzten Arbeiten hätte nicht größer ausfallen können, gewann er doch mit Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes sowie für ein eindrucksvolles Sterbedrama Amour wieder die Goldene Palme und den Oscar als Bester fremdsprachiger Film. Fünf Jahre hat es nun gedauert, bis Michael Haneke mit Happy End seinen neuen Film fertig stellen konnte. Mit gewohnter Genauigkeit nimmt er darin die Befindlichkeiten und Abgründe einer großbürgerlichen Bauunternehmerfamilie unter die Lupe, die sich rund um den alten Patriarchen Georges in einem luxuriösen Anwesen in Calais versammelt hat. Für die Rolle des Familienoberhaupts konnte Haneke wiederum Jean-Louis Trintignant, der in Amour so großartig agiert hatte, gewinnen, Isabelle Huppert, mit der Haneke schon mehrfach zusammenarbeitete, hat ebenfalls eine der Rollen in Happy End übernommen.

Eines der größten Tennisspiele der Geschichte steht im Mittelpunkt von Borg/McEnroe. Das Finale vom Wimbledon im Sommer 1980 sollte das von Fans und Fachleuten lang herbeigesehnte Duell sein, mit dem der Führungsanspruch in diesem Sport abgesteckt werden sollte. Die Kontrahenten hätten zumindest auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein können:Der Schwede Björn Borg schickte sich an, seinen fünften Titel in Wimbledon zu gewinnen und so seine Position als Nummer eins der Tenniswelt zu verteidigen. Sein Herausforderer war der Amerikaner John McEnroe, ein brillanter Angriffsspieler, der jedoch im Gegensatz zum stets kühl und beherrscht agierenden Borg durch seine Wutausbrüche berüchtigt war. Regisseur Janus Metz fokussiert jedoch nicht so sehr auf das sportliche Ereignis als solches, sondern auf die beiden Protagonisten. Seine Inszenierung begleitet die beiden knapp vor und während des traditionsreichen Turniers, mit einem geschickt montierten Geflecht aus Rückblenden bis in die Kindheit der Rivalen erweist sich Borg/McEnroe mehr als fein nuanciertes psychologisches Drama denn als Sportfilm. Der Druck, der auf Borg und McEnroe lastet, erweist sich als kaum noch zu bewältigende Bürde, die die vermeintlichen Sporthelden zu einsamen Charakteren abseits des Tenniscourts macht. Shia LaBeouf in der Rolle von John McEnroe und der bislang wenig bekannte isländische Schauspieler Sverrir Gudnason als Björn Borg verkörpern ihre Charaktere mit beeindruckender Intensität.

Valeska Grisebach zählt zu den namhaftesten Vertreterinnen der „Berliner Schule“, jener Stilrichtung, die sich im gegenwärtigen europäischen Autorenkino einen bedeutenden Platz verschaffen konnte. In Grisebachs neuer Regiearbeit Western kommt eine Gruppe deutscher Bauarbeiter nach Bulgarien, um in einer ländlichen Region an der Grenze zu Griechenland an der Errichtung eines Wasserkraftwerks mitzuarbeiten. Obwohl es zunächst mit der einheimischen Bevölkerung Missverständnisse und sprachlich bedingte Verständigungsschwierigkeiten gibt, nähert man sich doch nach und nach an.

Als Schauspieler längst eine feste Superstar-Größe, hat George Clooney diesen Status eingesetzt, um in seiner Karriere als Regisseur nicht erwartete Wege einzuschlagen. Das Resultat waren einige wirklich spannende Filme wie die fulminante Mischung aus Biopic, Drama und Krimi mit grotesken Anflügen, Confessions of a Dangerous Mind oder die beiden exzellenten Polit-Thriller, dem auf wahren Begebenheiten basierenden Good Night, and Good Luck und The Ides of March. Clooneys neue Regiearbeit, Suburbicon, spielt in einer der typischen gesichtslosen Vorstadtsiedlungen in den Vereinigten Staaten irgendwann in den fünfziger Jahren. Dort führt der von Matt Damon gespielte Gardner Lodge mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn ein ebenso zufriedenes wie ereignisarmes Leben. Das wird jäh auf den Kopf gestellt, als seine Gattin bei einem Raubüberfall ums Leben kommt. Gardner beschließt, sich zu rächen und dem Verbrechen in seiner Stadt den Kampf anzusagen. Doch eine Reihe weiterer seltsamer Vorfälle nähren bei Gardners Sohn den Verdacht, dass nicht alles ganz zufällig geschehen ist. Neben Damon konnte George Clooney so großartige Schauspieler wie Julianne Moore und Oscar Isaac für Suburbicon gewinnen.

Neben Miss Marple zählt der belgische Detektiv Hercule Poirot zu den berühmtesten Charakteren aus dem Werk von Agatha Christie, bekanntermaßen eine der erfolgreichsten und populärsten Kriminalromanautorinnen aller Zeiten. In „Murder on the Orient Express“, einem der populärsten Bücher Christies, besteigt der exzentrische Ermittler in Istanbul besagten legendären Zug, eine illustre Runde schillernder Charaktere tritt ebenfalls die Reise an. Die wird jäh unterbrochen, als ein Geschäftsmann mit leicht dubiosem Ruf ermordet in seinem Abteil aufgefunden wird. Weil der Zug aufgrund heftiger Schneeverwehungen auf freier Strecke zum Halten gezwungen und von der Außenwelt abgeschnitten ist, nimmt Poirot die Ermittlungen auf. In deren Verlauf kristallisiert sich immer mehr heraus, dass ein dunkles Geheimnis die Tat heraufbeschworen hat. Sidney Lumet gelang 1974 eine brillante filmische Adaption von Agatha Christies Roman, nun hat sich Kenneth Branagh des berühmten Stoffs angenommen. Die Rolle des Hercule Poirot hat Branagh gleich selbst übernommen, mit Judi Dench, Willem Dafoe, Johnny Depp, Penélope Cruz, Derek Jacobi und Michelle Pfeiffer ist sein Murder on the Orient Express auf jeden Fall erstklassig besetzt.

Im Juli 1967 kam es nach einer Polizeirazzia in einem Club zu Protesten, die sich zu gewalttätigen Unruhen ausweiteten, die mehrere Tage andauern sollten. Insbesondere die afroamerikanische Gemeinde wollte die fortgesetzten Diskriminierungen nicht länger hinnehmen. Kathryn Bigelow, die mit The Hurt Locker und Zero Dark Thirty brisante Kapitel US-amerikanischer Politik kongenial mit Mitteln des Genrekinos aufzubereiten verstand, hat sich mit Detroit nun einem weiteren explosiven Stücks Zeitgeschichte angenommen. Angesichts der gegenwärtigen Diskussionen zum Thema Rassismus in den Vereinigten Staaten ein Thema von höchster Aktualität.

Happy End

Kinostart: 6.Oktober

Borg/McEnroe

Kinostart: 13. Oktober

Western

Kinostart: 3. November

Suburbicon

Kinostart:10. November

Mord im Orient Express / Murder on the Orient Express

Kinostart: 10. November

Detroit

Kinostart: 24. November

| FAQ 44 | | Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Press
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