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Belle and Sebastian

Text: H. Köck Samir | Fotos: Press

Es gibt schon kuriose Bandgründungen. Pink Martini etwa. Bandleader Thomas Lauderdale galt als vielversprechender Nachwuchspolitiker in seiner Heimatstadt Portland. Frustriert vom langweiligen Programm seiner Fundraiser-Kampagnen gründete er in der Not selbst eine Band. Pink Martini sollte ursprünglich nur etwas Farbe in die graue Welt der politisch motivierten Geldeinsammel-Events bringen, schenkt der ganzen Welt aber seit Mitte der Neunzigerjahre opulente Musik mit nostalgischem Mehrwert. Die britische Combo Belle and Sebastian hat einen nicht minder kuriosen Ursprung. Sie wurde zu Beginn des Jahres 1996 im Rahmen eines Sozialprogramms für Arbeitslose in Glasgow geformt. Benannt nach einem französischen Kinderbuch der Autorin Cécile Aubry ging es Belle and Sebastian von Beginn an um Fluchten in bunte Gegenwelten. Bereits im frühen Song „The State I Am“ singt Leader Stuart Murdoch von einem Glückszustand im Jahre 1975, der plötzlich zwanzig Jahre später wieder lebendig wird. Aus der Wechselwirkung von Sünde und Redlichkeit destillierte Murdoch fortan auf Meisterwerken wie Tigermilk und The Boy With The Arab Strap die Basis seiner Seligkeit. „Desperation is the devil’s work“ heißt es da. Von Verzweiflung hat sich die Band seither fern gehalten. Geduldig ästhetisierte sie ihre mannigfaltigen Melancholien und eroberte sich damit eine weltweite Fangemeinde. Murdoch leistet es sich, einfach nicht erwachsen zu werden. Die Geschichten, die er in seinen Liedern erzählt, handeln stets von Halbwüchsigen. Nach einer Phase eher magerer Folkarrangements, die bis zum Jahre 2001 währte, wagte man die Zusammenarbeit mit dem Kommerzschweinchen Trevor Horn. 2003 kam mit Dear Catastrophe Waitress das erste gemeinsame Album heraus und wurde zum Triumph. Mit charmantester Stimmlosigkeit verlieht Murdoch seinen minutiösen Sozialstudien vollendeten Charme. Die Arrangements sind opulent. Nicht einmal an Bläsern und Vibraphonen wurde gespart. Der nächste Streich nannte sich The Life Pursuit und entzückte nicht weniger. Wenn das Leben wirklich hauptsächlich dazu da ist, unsere Träume zu interpretieren, dann lag Stuart Murdoch und seine famose „Group“ (er vermeidet es von „Band“ zu sprechen) hier mit dem jubilierenden Bekenntnis „We Are the Sleepyheads“ goldrichtig. Das nächtliche Albdrücken des so englisch aussehenden Schotten gebar gar viel Personal. Auf diesem, dem siebten Belle and Sebastian-Album ließ er Gothic Girls, White Collar Boys und sogar einen Apostel antreten, um seine gar nicht so fragilen, melodietrunkenen Sonntagmorgen-Popsongs zu bevölkern. Überdies hat er es auf sich genommmen, Teile des wohltönenden Opus im gefährlichen L.A. aufzunehmen. Dorthin gelockt hat ihn Produzent Tony Hoffer (Beck, Air) und irgendwie schien die Sonne dort so intensiv, daß sich der Glasgower Held sogar zuweilen schurriegeln ließ. Da solle er einen Refrain kürzen, dort eine Zeile verlängern – nervig halt. Das wohltönende Ergebnis spricht für die Tortur, Fremden in Gestalt von Big-Business-Produzenten ganz junge Songs anzuvertrauen. Einmal mehr plätschert hier eine Melancholie, die scharf an der Grenze zur Glückseligkeit situiert ist. Murdoch lebt schließlich das Leben eines Poeten. Er darf zu Mädchen alles sagen. Sogar ein „You’re the funny little frog in my throat“. Und egal wie die Reaktion der Angeschmachteten aussieht, Murdoch kann sie in jedem Fall wieder als kleine Katastrophe deuten, die weitere Songs zur Folge hat. Das bislang jüngste Opus Write About Love ist die bislang am kollektivsten klingende Bemühung der Briten. Sängerin Sarah Martin sticht auf Songs wie „I Didn’t See It Coming“ heraus. Harmoniegesang und Kontrapunkt dominieren die raffinierten Gesangsarrangements. Mit dieser neuen Vielschichtigkeit eroberten sie sich neue Publikumsschichten, um abermals wieder auf Jahre zu verschwinden. Die Alben von Belle and Sebastian waren stets das, was der Brite „Grower“ nennt. Erst nach einigen entspannten Hördurchgängen entfalten sie ihre volle Magie. Die hält dann aber (beinah) ewig. Im Vorjahr wurde das wunderbare Third Eye Centre ediert, eine Kollektion an Raritäten. Zudem wurde man eingeladen eine Ausgabe der erfolgreichen CD-Serie „Late Night Tales“ zu gestalten. Die Kompilation zeigt die mannigfaltigen musikalischen Interessen des sympathischen Kollektivs. Von Jazz-Harfinistin Dorothy Ashby über die grimmige The Pop Group bis hin zu butterweichem Stoff von Steve Parks und Lovin’ Spoonful reichte da das Spektrum. So manche dieser Inspirationen kann man im vielgestaltigen Ouvre der Band ausmachen. Belle and Sebastian lassen auf ihrer heurigen Sommertournee jedenfalls unverzagt ihre melodiösen Lüfterln wehen. Sie seufzen ihre romantischen Allzweck-Sentenzen und zeigen Courage mit der ziemlich revolutionären Forderung nach flächendeckender Wiedereinführung des Happy-End. Das ist exakt das, was diese Welt braucht.

 

Belle and Sebastian / Naked Lunch

19 .06. 2014 – Open Air, Arena Wien

arenavie.com/web/

FAQ verlost 3×2 Tickets für das Konzert am 19.6. in der Arena

Senden Sie bis 10.6. eine Mail mit dem Betreff „Belle and Sebastian“ an gewinnspiel@faq-magazine.com 

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