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Bewegungen eines nahen Landes

Text: Bert Rebhandl | Fotos: Diagonale
Die Bewegungen eines nahen Berges © Mischief Films, Panama Film

Die steirische Stadt Eisenerz hieß früher einmal Innerberg. Sie liegt in einem engen Tal, und sie verdankt sich, wie der Name schon mehr als deutlich sagt, einem Bodenschatz, der in diesem Fall in einem Berg liegt: dem Erzberg. Ortsnamen sind oft umgedrehte Omen, sie machen deutlich, was die Natur für die Geschichte vorbereitet hat. Und so könnte man sagen, dass Eisenerz, eine Stadt an der Straße zwischen Hieflau und Vordernberg, heute auch eine Stadt in einem Netzwerk zwischen Lemberg und Lagos ist. Die Bewegungen eines nahen Berges, wie sie der Titel von Sebastian Brameshubers gleichnamigem Film suggeriert, sind Teil einer globalen Tektonik. Und Österreich findet an diesem Erzberg einmal mehr ein passendes Bild für die größte Versuchung, der dieses kleine Land sich immer wieder gern hingibt: sich für den Mittelpunkt (oder den Gipfel) der Welt zu halten.

Brameshuber erzählt von einem Altmetallhändler namens Cliff, der Werte aus Materialien zu gewinnen versucht, die das Gegenteil von einem Rohstoff sind: alte Stoßstangen sind Schrott. Auch Schrott ist ein Rohstoff, aber einer mit eigenen Ökonomien. Es braucht dafür das Wohlstandgefälle, das schon an den Grenzen Österreichs beginnt, und das an den Grenzen Europas (zur Ukraine, nach Afrika) steiler zu werden beginnt. Heute liegen die Erzberge der Welt in Zentralfrika, und die Stadt Eisenerz teilt ihr Schicksal mit anderen Orten in der Steiermark: Sie braucht Strukturanpassungen.

Man wird ein Filmfestival wie die Diagonale nicht auf einen einzelnen Film oder auf einen einzelnen Begriff bringen können, aber von Brameshubers Die Bewegungen eines nahen Berges strahlt in diesem Jahr eine Menge aus. Man kann Cliff mit den beiden Bauern Gottfried und Elfie aus Othmar Schmiderers Die Tage wie das Jahr vergleichen. In beiden Fällen geht es um ein gewisses Gleichmaß vor großen Veränderungen, die implizit miterzählt werden – bei Schmidinger geht es letztlich um die Frage, ob man heute noch mit der Natur leben kann, oder nur noch auf ihr. Man kann aus Eisenerz auch eine Linie zu Katharina Coponys Dokumentarfilm In der Kaserne ziehen, einer Familiengeschichte, die im Südsteirischen ihren Magnetpunkt hat, und deren historische Adern in einer Bundesheerkaserne neben einem Schloss auf eine bewaffnete Neutralität deuten, in deren Lebenslügen sich die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts brechen.

Von hier wäre es dann nur ein Schritt zu Nils Olgers Eine eiserne Kassette. Sie enthält Fotografien von einem Großvater, der im Zweiten Weltkrieg an Massakern in Italien beteiligt war – die Negative, die er hinterließ, wendet Olger in das Positive einer reflektierten Generationengeschichte, in der jedenfalls die dritte Generation sich all die Fragen stellt, die davor viele Jahrzehnte diskret beschwiegen wurden, die dann aber seit den 1980er Jahren immer unabweisbarer wurden, und die nun schon lange mit den anderen Fragen zusammenwachsen. Das sind die Fragen nach Österreichs Ort in der gegenwärtigen Welt …

Vollständiger Artikel in der Printausgabe.

 

Diagonale’19

Festival des österreichischen Films

19. bis 24. März 2019, Graz

www.diagonale.at

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