Mit dem Superheldenfilm „Captain America: Civil War“ gelingt Joe und Anthony Russo ein unterhaltsamer Blockbuster mit ernsten Untertönen.
Vor acht Jahren startete der US-Comicverlag Marvel (seit 2009 im Besitz von Disney) mit Iron Man sein filmisches Universum – und damit eine der großen Erfolgsgeschichten der Gegenwart. Filme wie die Iron Man-Trilogie oder die Avengers-Reihe spülten viel Geld in die Kassen und das, obwohl viele der Figuren zuvor einem breiteren Publikum eher unbekannt waren. Die „Marvel formula“ – ein Mix aus Action, Humor und Schauwerten – scheint momentan wirklich alles zu vergolden: Das weltweite Einspielergebnis aller bisherigen Filme nähert sich bereits der 10-Milliarden-Dollar-Grenze. Sogar mit gänzlich obskuren Charakteren wie den Guardians of the Galaxy (2014) oder Ant-Man (2015) konnte man veritable Hits verbuchen.
Eine Figur, die zu Beginn ebenfalls als schwer vermarktbar galt, ist Avengers-Mitglied Steve Rogers, Kampfname Captain America. Die Gründe dafür lagen zum Teil an den Ursprüngen der Comic-Reihe: 1941 von Jack Kirby und Joe Simon ersonnen, diente der Held im Patriotenkostüm zunächst Propagandazwecken und kämpfte im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis. Die Zeitbezogenheit brachte es mit sich, dass die Figur nach Kriegsende zunehmend altmodisch wirkte, eingemottet wurde und erst 1964, nach vielen Jahren im Kälteschlaf, zurückkehrte. Der erste, von Joe Johnston inszenierte Solofilm, Captain America: The First Avenger (2011), spielte denn auch nur 370 Millionen Dollar weltweit ein, doch bereits die Fortsetzung, Captain America: The Winter Soldier (2014), kam mit 714 Millionen auf deutlich mehr. Die von der Kritik hoch gelobte Inszenierung von Joe und Anthony Russo verband die gewohnten Gags mit einer Story um Regierungsverschwörungen, die sich die amerikanischen Paranoiafilme der siebziger Jahre zum Vorbild nahm. Rogers – früher ein schwächlicher Zeichner, dem ein Regierungsexperiment übermenschliche Kräfte verlieh – wurde bewusst als altmodischer, aus der Zeit gefallener Held präsentiert, der vom überzeugten Patrioten zum Systemkritiker wird. Der nun anlaufende, erneut von den Russos inszenierte Civil War (der lose auf einem der bekanntesten Marvel-Comics basiert) ist der bisher epischste und reifste Marvel-Film: Nachdem die Avengers in den letzten Filmen zwar die Welt retteten, aber auch Kollateralschäden verursachten, sollen sie nun unter Kuratel der UNO gestellt werden und nur noch dann einschreiten, wenn sie ein Mandat erhalten. Dies spaltet die Gruppe in zwei Lager: Das Team von Tony Stark aka Iron Man (Robert Downey, Jr.) ist dafür, jenes von Captain America (Chris Evans) dagegen. Ein Terroranschlag in Wien lässt die Lage eskalieren, Rogers wird als Krimineller gejagt und Figuren wie der Winter Soldier – ein Jugendfreund von Rogers, der mittels Gehirnwäsche zum Attentäter gemacht wurde –, der mysteriöse Zemo (Daniel Brühl) sowie der afrikanische Prinz T’Challa alias Black Panther (charismatisch: Chadwick Boseman) sorgen für zusätzliche Komplikationen.
Rache und Freundschaft sowie die Frage nach der moralischen Rechtfertigung von (politischer) Gewaltanwendung gehören zu den dominierenden Themen des Films, in dessen Mittelpunkt der Konflikt zwischen Rogers – gewohnt heroisch: Chris Evans – und Stark – eine Glanzleistung Downeys zwischen Tragik und Egozentrik – steht. Die Konfrontation der beiden sorgt für emotionale Resonanz, nicht zuletzt, weil sie einem mittlerweile vertraut sind und jede Seite überzeugende Argumente vorzuweisen hat. Dazu gibt es packende, temporeiche Actionsequenzen, in denen Neuzugänge wie Black Panther und der blutjunge, ebenso akrobatische wie komische Spider-Man (großartig: Tom Holland) punkten. Einen „großen“ komischen Auftritt hat auch Ant-Man (Paul Rudd).
Der seltene Fall eines Blockbusters mit Herz, der seine ernsten und seine unterhaltsamen Elemente gekonnt ausbalanciert.
The First Avenger: Civil War / Captain America: Civil War
Comic-Verfilmung, USA 2016 – Regie Anthony Russo, Joe Russo
Drehbuch Christopher Markus, Stephen McFeely Kamera Trent Opaloch Schnitt Jeffrey Ford
Musik Henry Jackman Production Design Owen Paterson Kostüm Judianna Makovsky
Mit Chris Evans, Robert Downey Jr., Scarlett Johannson, Sebastian Stan, Daniel Brühl, Anthony Mackie, Don Cheadle, Jeremy Renner
Verleih Walt Disney Studios, 140 Minuten