Es ist nicht alles nur Andeutung hier: Spiegel, farbige Ellipsoid-Zitate, fotografierte urbane Räume, Bauwerke als Modelle oder in Bildern, Fashion Design, Hemden für Morgen, aus den1990er Jahren rüber gerettet, so als würde Street, als würde Techno, ja vielleicht Punk der Frühzeit erst noch kommen. Fleckig, fetzig, technoid. In Wien wurde darin gleich eine Thriller-Performance nachinszeniert. Auf einem Sockel, dann die Miniatur eines Strandhauses. Zerquetscht? Nein, ein paar Grundelemente zitiert. Pop-Poesie und Architektur-Analyse. Man schaut herum. Das ist keine autistische Welt. Die Künstlerin öffnet sich, bezieht Freunde, für sie, für diese Ausstellung relevante Positionen der zeitgenössischen Kunst ein. Kooperation mit Wolfgang Tillmanns in den neunziger Jahren. Eine Fotografie im Kölner Dom: „Atelier“ (1993). Warum Beten? Hier lässt sich vielleicht nachdenken. Oder bald wieder weiter gehen. Jedenfalls nimmt Genzken in der Kathedrale auf diesem Bild eine fast lässige, souveräne Position ein. Nicht untergeordnet. Im Sakralen schon gar nicht.
Sogleich, wenn man den weiten Raum betritt, fällt ein Gemälde von Jasper Johns auf. Zielscheibe. Target. Grün-Orange. Anker von vielen Blickwinkeln her. Ikone der neueren Kunstgeschichte. Man ist angekommen in einer Halle. Das muss betont werden. Die Kunsthalle Wien wird hier ihrem Charakter voll gerecht. Temporär wird hier alles in Schwebe gehalten. Mit steigendem Adrenalin-Spiegel tastet man sich voran in einer Ausstellung, die vieles, das hier, überhaupt im MuseumsQuartier bisher zu sehen war, steinalt wirken lässt. In der Erinnerung. Hier bewegt sich eine Künstlerin in der Gegenwart, obwohl sie auf ihre eigene Kunst – und auf jene anderer – aus den letzten Jahrzehnten zurückgreift, scheint alles aus dem Jetzt zu kommen. Wie fern und fremd der Ausdruck „Retrospektive“.
Es ist Isa Genzken, die hier überrascht, irritiert. Selbstverständlich war zu erwarten, dass eine derart erfahrene Künstlerin wie Isa Genzken (*1948, Bad Oldesloe) ein derartiges Bravourstück hinlegt. Doch aus der Sicht vieler kommt sie hier noch härter, noch klarer, konzentrierter als vor wenigen Monaten noch im MOMA, New York, wo Genzken eine von Sabine Breitwieser kuratierte Werkschau hatte. Sind es nun die ganz anderen räumlichen Gegebenheiten? Oder ist es ein neuer Schub an Reflexionen zur Frage, was „ausstellen“, was die zusammengefasste Präsentation des eigenen Werks aus mehreren Jahrzehnten eigentlich bedeuten könnte, was die Schau „I’m Isa Genzken, The Only Female Fool“ jetzt aktuell in der Kunsthalle Wien so frisch, so anregend wirken lässt?
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