Im Leben von Courtney Barnett stehen die Zeichen auf Veränderung. Sie hat in ihrer Heimat Australien und Umgebung jeden Musikpreis, den unabhängige Veröffentlichungen gewinnen können, mehrmals abgeräumt. Ihre Konzerte werden in aller Welt gestürmt, weil hier jemand sein Herz offen zur Schau stellt, und ihr alles, was nach Showbusiness oder Verstellung riecht, einfach ein Graus ist. Egal ob sie ihre Songs im Powertrio oder akustisch auf die Bühne bringt, sie berührt jeden, der den Mut hat, sich auch nur kurz auf ihre Songs einzulassen. Neben der eigenen Karriere spielte sie bis 2018 in der Band ihrer damaligen Freundin Jen Cloher und gründete das Label Milk! Records in Melbourne, um der Szene eine Plattform und Freunden eine Chance zu geben, als Musiker einen Fuß auf den Boden zu bekommen.
Letztes Jahr kam die großartige Dokumentation „Anonymous Club“ über die normalerweise eher scheue Barnett ins Kino und auf die einschlägigen Streamingplattformen – und zeigte einerseits den Kampf einer Musikerin, die Rolle zu erfüllen, die als Ikone der Einsamen und Unverstandenen von ihr verlangt wird, aber auch den Preis, den sie für das Tourleben, das Label und ihre Songs zahlte. Die, die immer alles gab, war auf einmal erschöpft, konnte nicht mehr mit jedem Fan reden und wollte einfach nur ihre Ruhe. Als Begleitung reichten plötzlich das Notizbuch, ein Stift und eine Wasserflasche.
Schweren Herzens verkündete Barnett nun das Ende von Milk! Records: Sie versuchte lange, das Label am Leben zu erhalten, aber der Punkt, an dem es einfach nicht mehr ging, war erreicht. Spotify darf an dieser Stelle wohl als einer der Gründe genannt sein. Um dem Label einen würdigen Schwanengesang zu gönnen, sammelte sie die Instrumentalstücke, die sie für die Dokumentation einspielte und veröffentlichte diese nun unter dem passenden Titel „End of the Day“.
2022 haben Sie Ihr erstes Biopic „Anonymous Club“ veröffentlicht. Die Filmmusik dazu heißt „End of the Day“ Warum bringen Sie das Album jetzt, fast achtzehn Monate später, heraus?
Gute Frage. Ich glaube, die Musik war als Filmmusik gedacht und ich hatte nie vor, sie als Album zu veröffentlichen. Das Hauptaugenmerk lag darauf, die Musik für den Film fertigzustellen und sie bis zum Abgabetermin fertig zu bekommen. Das war ein ziemlich schneller Prozess. Es war alles improvisiert und wir haben es an nur einem Wochenende aufgenommen. Etwa ein Jahr später habe ich die Dateien wiedergefunden, sie mir angehört, und gemerkt, dass sie mir wirklich gut gefallen. (Lacht.) Später habe ich mich dabei ertappt, wie ich sie immer wieder aufgelegt und angehört habe, was ich normalerweise bei meiner eigenen Musik nicht mache. Da dachte ich: „Wäre es nicht schön, das einfach als ein Album zwischen zwei Alben zu veröffentlichen?“
Die Instrumentalstücke sind also im Grunde Outtakes von dieser Wochenendsession? In welcher Weise haben Sie sie bearbeitet oder überarbeitet – wenn überhaupt?
Für den Aufnahmeprozess haben wir den Film auf die Wand des Studios projiziert. Danny Cohen war dabei und hat die Szenen gespielt, zu denen er Musik wollte – und wir haben zu jeder Szene ein paar Mal improvisiert. So entstand diese gewaltige Musik! Aber als ich auf sie zurückkam und sie bearbeitete, war sie halb aus dem Film herausgeschnitten worden. Für das Album wollte ich, dass die Musik ein bisschen zusammenhängender ist, so dass man es in einem Rutsch anhören kann und alles ineinander übergeht. Ich wollte, dass es ein genussvolles Hörerlebnis ist. Es gibt also ein paar kleine Dinge, die wir herausgeschnitten oder hinzugefügt haben, aber im Großen und Ganzen war es dem, was im Film vorkam, ziemlich ähnlich.
Das klingt, als hätten Sie ein riesiges Puzzle in einen Musikfluss verwandelt, nicht wahr?
Ja, so hat es sich auch angefühlt. Es war wirklich schön herauszufinden, wie alle Teile zusammenpassen.
Und was ist das Ergebnis? Eine impressionistische Sound-Art-Collage?
Es fühlt sich wie eine Sammlung von Instrumentalstücken an, die zusammenstimmen. Wir haben die Instrumentierung einfach gehalten. Es gibt nicht zu viele Elemente, so dass es sich für mich so anfühlt, als wäre alles Teil derselben Welt. Etwas an dieser Einfachheit sorgt dafür, dass ich mich konzentriere, wenn ich das Album anhöre …
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Courtney Barnett: End of the Day (Milk! Records)