Wenn man sich durch die neuen Veröffentlichungen auf dem Musikmarkt wühlt, dann fällt neben dem massiven Überangebot an Weihnachtsplatten – ein besonderes Schmankerl: Howard Carpendale singt Weihnachtslieder mit Orchesterbegleitung – vor allem eines auf: Namhafte Songwriter veröffentlichen Alben mit ausgewählten Coverversionen. Das Genre ist nicht neu, aber immer wieder faszinierend. Nick Cave schärfte einst sein Profil mit „Kicking Against the Pricks“ und schaffte damit einen wesentlichen Schritt, um zu jener Ikone zu werden, die er heute ist. Unvergessen dabei sind seine Deutungen von damals eher verpönten Songs wie „Long Black Veil“ oder „Something’s Gotten Hold of My Heart“, denen er die Coolness zurückgab, und sie aus der Abteilung Oldies in die Gegenwart überführte. Aktuell legt auch der Ire Ronan Keating – einst Teenager-Idol mit Boyzone, inzwischen hoch geachteter Superstar in Irland und Großbritannien – mit „Songs from Home“ eine Coverplatte vor. Darauf interpretiert er von U2 über Van Morrison bis hin zum grandiosen „Heyday“ des großen und viel zu früh verstorbenen Mic Christopher eine erstaunlich geschmackssichere Auswahl von Songs.
Das Soloalbum von Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan wird weiter hinten im Heft besprochen, aber die Schlagzeilen verdient sich die ungekrönte Königin dieses Genres: Cat Power. Weil sie nach „Jukebox“ und „The Covers Record“ mit „Covers“ nun schon ihre dritte Platte mit Interpretationen von Kollegen vorlegt, kann sie auf diesem Gebiet durchaus als führende Expertin angesehen werden. Mit dem im Alleingang produzierten Album beweist sie einmal mehr, wie sie in Songs hineinwachsen kann. Ihre Methode der Reduktion funktioniert beim Kitty-Wells-Countryklassiker „It Wasn’t God Who Made Honky Tonk Angels“ fantastisch – kaum zu glauben, dass dieser Song 1952 erstmals die Hitparaden rund um Nashville anführte. Wie auch bei ihren eigenen Songs kann Cat Power gar nicht anders, als das interpretierte Liedgut voller Emotion, und damit auch einer hohen Portion Schutzlosigkeit, in ihr Universum zu holen.
Viel wurde in der Vergangenheit über ihre abgebrochenen Konzerte, ihre Trennungen, Spitalsaufenthalte und finanzielle Schwierigkeiten geschrieben. In Interviews gibt sie freimütig zu, dass das Schreiben eigener Songs ein anstrengender und zehrender Prozess ist, in dem sie alles von sich hergibt. Coverversionen sind da vielleicht eine Art Schutz, um sich diesen Herausforderungen nur in größeren Abständen stellen zu müssen. Wer die schonungslosen Songs ihres letzten Albums „Wanderer“ kennt, der wird diesen Weg verstehen. Kompromisslos ist aber auch ihr Zugang zu den diesmal ausgewählten Liedern, wobei ihr bevorzugtes Stilmittel die Verlangsamung bleibt – was bei Lana Del Reys „White Mustang“ bestens funktioniert, bleibt beim Pogues-Jahrhundertsong „A Pair of Brown Eyes“ eher fragwürdig. Sicher ist, dass hier eine Künstlerin auch bei fremden Songs an ihre Grenzen geht und dabei Risiken in Kauf nimmt, die ihresgleichen suchen.
Cat Power: „Covers“ (Domino)