In Texas gibt es sie noch, diese kleinen Bankfilialen an staubigen Dorfstraßen, in denen niemals so viel Geld ist, dass jemand davon reich werden könnte. Man kann als Bankräuber da eigentlich gar nicht anders, als seriell vorzugehen, eine nach der anderen, aber so viele sind es auch wieder nicht, dass nicht irgendwann der Überraschungseffekt aufgebraucht wäre. Zu Beginn von David Mackenzies Hell or High Water reiten Tanner und Toby Howard auf einer Schrottkiste vor einem der besagten Institute ein, der Coup am frühen Morgen dauert nur wenige Minuten, und schon sind sie wieder auf dem Rückweg zu einer Farm irgendwo ganz weit draußen. Dort wartet ein großes Loch, in dem sie das Fluchtfahrzeug vergraben. Dann tun sie wieder das ihre.
Der eine grübelt, der andere brütet. Sie müssen ein wenig warten, bis sie neuerlich zuschlagen können. Das Geld ist ihnen nur insofern wichtig, als sie damit eben der Bank eins auswischen möchten. Denn in wenigen Tagen droht die Pfändung des Familienbetriebs, und die Brüder meinen ganz eindeutig, dass sie es ihrer toten Mutter schuldig sind, dem noch etwas entgegenzusetzen.
Die Formulierung „come hell or high water“ ist im amerikanischen Kino vor allem durch den Kriegsfilm Hell and High Water von Samuel Fuller aus dem Jahr 1954 besetzt. An der Front kommt es tendenziell immer wieder zu Überlastungen, „Hölle“ und „Fluten“ zugleich, „accumulation of everything“, wie es in einer anderen markanten Redewendung bei Fuller heißt. Nur die stärksten Männer bewähren sich da. David Mackenzie und der Drehbuchautor Taylor Sheridan (Sicario) lassen nicht erkennen, ob sie sich des Umstands bewusst sind, dass sie einen Titel gewählt haben, bei dem zumindest ein kleinerer Teil des Publikums an eine ganz andere Geschichte denken wird. Aber in gewisser Weise ist auch ihr Hell or High Water ein Kriegsfilm. Die deutlichen Hinweise auf die Kampagne im Irak sind für ein „We, the people“, das hier zu deutlich schärferen Methoden als einer Stimme für Donald Trump greift, schon einmal ein brauchbares Ausgangsmotiv. Die Idee dahinter ist die eines Verrats. Amerika hat sich und seine Leute an die Banken und an schlechte Regierungen verraten. Zwischen Bush und Obama passt da jedenfalls von der Stimmung her kaum ein Geldschein.
Die Howards sind als Brüder keineswegs einträchtig. Sie sind sogar sehr unterschiedlichen Schlags. Toby (Chris Pine) ist ein feiner Kerl, der allerdings schon eine Familie in den Sand gesetzt hat. Auch da hat er etwas gutzumachen. Tanner (Ben Foster) ist vielleicht auch ein feiner Kerl, er ist aber insgesamt deutlich gröber gestrickt. Für jemand wie ihn hat ein Film wie Hell or High Water gewöhnlich einen Moment bereit, in dem er sich rehabilitieren kann – eventuell ist das auch sein letzter.
Bei des Oscars vor wenigen Wochen war Hell or High Water der qualifizierte Außenseiter. Ein altmodischer Film, der nur am Rande Notiz nimmt von den Fragen der Repräsentation von Minderheiten, die nicht erst in diesem Jahr das große Thema waren. #oscarssowhite, wie der einschlägige Hashtag lautet, markiert einen Befund, den man eigentlich seit den Tagen des klassischen Hollywoodkinos schon überwunden glaubte. Der Western als das klassische Genre der Eroberung des Landes und der Durchsetzung des Gesetzes war die längste Zeit auch ein weißes Genre, denn das Gesetz ist weiß, das Geld ist weiß – und häufig auch die Gewalt, auch wenn diese oft den „wilden“ Ureinwohnern unterstellt wurde …
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Hell or High Water
Drama/Krimi/Thriller, USA 2016 – Regie David Mackenzie Drehbuch Taylor Sheridan Kamera Giles Nuttgens Schnitt Jake Roberts Musik Nick Cave, Warren Ellis Production Design Tom Duffield Kostüm Malgosia Turzanska Mit Chris Pine, Ben Foster, Jeff Bridges, Dale Dickey, William Sterchi, Buck Taylor, Gil Birmingham Verleih Park Circus
Kinostart 19. Mai