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Das Jahr des Fahrrads

Text: Oliver Stangl | Fotos: Gestalten Verlag
Martijn Doolaard – 2.891 km, Giurgiu, Romania

Abenteuerlich anmutende Reisen kann man aus vielen Gründen unternehmen: Lust auf Adrenalin, Selbstfindung, Sehnsucht nach Aufmerksamkeit. Für den Holländer Martijn Doolaard war sein 16.000 Kilometer langer, etwa ein Jahr dauernder Fahrradtrip von Amsterdam nach Singapur hauptsächlich ein Zeichen von Selbstständigkeit. Zuvor sei er nie länger als einen Monat von Zuhause weg gewesen, schreibt er im Vorwort des Bildbandes „One Year on a Bike“, in dem er seine Reise in Wort und Bild dokumentiert hat. Der Designer und Filmemacher, der als Freelancer arbeitete, fasste den Entschluss im Jahr 2014 quasi über Nacht. Er brauchte eine Auszeit von der Schreibtischroutine, wollte sehen, inwieweit er die Dinge, die er in seinem Leben angehäuft hatte, reduzieren konnte: „Unser tägliches Leben ist wie ein Kreislauf. Wir gehen zur Arbeit, wir kommen heim. Unter der Woche gehen wir zur Schule, und Freizeit gibt es am Wochenende. Wir fahren auf Urlaub und kommen nach ein bis zwei Wochen zurück. Das ist schon in Ordnung, aber ich musste dieses Muster durchbrechen.“

Zum Reisegefährt Fahrrad inspirierte ihn ein Zeitungsartikel über zwei deutsche Zwillingsbrüder, die von Berlin nach Schanghai geradelt waren. Zudem erschien Doolaard die Einfachheit des Unterfangens verlockend: „Die Freiheit, die Einfachheit, die offene Straße. Es ist nicht so sehr das Radfahren an sich, sondern das größere Ganze, das mich anzog. Immer nach vorne unterwegs, sich niemals umdrehen.“ Er ließ die großen Marken links liegen und entschied sich für ein Surly Long Haul Trucker, ein kanadisches Erzeugnis, das ihm aufgrund seines klassischen Looks gefiel. Nach einer kleinen Testfahrt durch die Schweiz machte er sich schließlich auf den langen Weg, der ihn unter anderem durch Deutschland, Tschechien, Ungarn, Rumänien, die Türkei, den Iran, Indien, Myanmar und schließ-lich Singapur (ein eher zufällig ausgewähltes Ziel) führte. In den Fahrradtaschen hatte Doolaard das Nötigste, darunter Fotoapparat und Laptop (Doolaard betrieb unterwegs einen Reiseblog), Messer, Kaffeekanne und ein Zelt. Navigiert wurde mit dem iPhone. Er erlebte Dramatisches wie Hundeattacken, eine unglückliche Liebe, Frost und Hitze. Er hatte viele schöne Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen Kulturen, sah atemberaubende Landschaften – Berge, Ebenen, Wüsten – und gewann die Erkenntnis, wie viel man mit wenig Geld erleben kann.

Vielleicht war doch auch ein wenig Selbstfindung dabei: „Wenn ich einfach nur in die Pedale trete, werden die Dinge von selbst zu mir kommen“, heißt es einmal im Band. Eine schöne Lektüre, die mit stimmungsvollen Fotos (Panasonic GH4) und ebensolchen Texten ein plastisches Bild der Reise vermittelt. Wem Doolaard mit dem Buch, das er mittels Crowdfunding finanziert hat, Lust auf eine ähnliche Reise gemacht hat, der findet darin auch allerlei praktische Tipps, die sich von der Nahrungsbeschaffung bis zum Visum erstrecken. Inspirierend.

 

One Year on a Bike – From Amsterdam to Singapore

Martijn Doolaard & Gestalten

Gestalten 2017

Gebundene Ausgabe: 368 Seiten

In englischer Sprache

Format: 24 × 32 cm, Eur 39,90

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