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Das süße Leben

Zwischen Sensation und Voyeurismus: Das Fotomuseum WestLicht in Wien zeigt mit der Ausstellung PAPARAZZI! die Ambivalenzen der Ausnahmefotografen.

Ron Galella, Al Pacino vor dem Regency Hotel, New York, 1971. Courtesy Nicola Erni Collection © Ron Galella Ltd.

Ruchlos und schillernd: So könnte man die Arbeit der sogenannten Paparazzi bezeichnen, deren öffentliche Reputation gering, ihr fotografischer Outcome aber berühmt und berüchtigt ist. Den Namen erhielten die Ausnahmekünstler durch Federico Fellinis Film La dolce vita, in dem er dem Fotografen den Namen Paparazzo gab. Von 23. November 2023 bis 11. Februar 2024 zeigt die Galerie WestLicht die Ausstellung PAPARAZZI!, die etwa 120 Arbeiten von über 20 Fotografen und Fotografinnen vereint und einen Bogen von den späten 1950er-Jahren bis in die 2000er spannt. Während der Begriff „Paparazzi“ lange als Schimpfwort galt, wird im Rückblick nun anders auf diese zur Kunstform ästhetisierte Arbeit geschaut. Manche Bilder gelten als ikonisch, andere zeigen die Ironie dieser Berufssparte auf. Ein spezieller Fokus der Ausstellung liegt dabei auf den sechziger und siebziger Jahren, als Fotografen wie Ron Galella, Marcello Geppetti, Tazio Secchiaroli oder Elio Sorci zwischen Rom und Hollywood die Bildsprache des voyeuristischen Genres bestimmten. Unter anderem zeigt die Ausstellung dabei Stars wie Romy Schneider, Alain Delon, Grace Jones, Al Pacino, Sean Penn, Brigitte Bardot, Marlon Brando, Richard Burton, Lauren Hutton, Anita Ekberg oder Jackie Kennedy, denen die hartnäckigen Fotografen teils schamlos auf den Leib rückten.

Ron Galella, Sean Penn schlägt den Fotografen Vinnie Zuffante, New York, 1986. Courtesy Nicola Erni Collection © Ron Galella Ltd.

„I’m Miss American Dream since I was seventeen, don’t matter if I step on the scene or sneak away to the Philippines, they still gon’ put pictures of my derriere in the magazine“ singt Britney Spears in dem von Bloodshy & Avant and Klas Åhlund geschriebenen Song „Piece of Me“ von 2007. Die Produzenten hatten dabei die Sensationalisierung des Privatlebens der US-amerikanischen Sängerin jahrelang selbst miterlebt. Auch PAPARAZZI! nimmt die kontroversiellen Aspekte des Genres anhand von Beispielen wie Spears oder Lady Diana in den Blick. Während Stars das Blitzlichtgewitter bei offizielleren Anlässen wie Galas, Preisverleihungen oder Konzerten nicht nur genießen, sondern auch für ihre Arbeit brauchen, wird die Kamera nach solchen Veranstaltungen zur Waffe, so Kunsthistoriker Matthias Hader: „Und gerade diese Bilder werden kontrovers diskutiert und für viel Geld gehandelt.“ Die Ruchlosigkeit der Paparazzi ist das, was ihre Arbeit gleichzeitig für andere Menschen überhaupt erst zur Faszination machte. Künstler wie Helmut Newton, Anton Corbijn, Alison Jackson oder die österreichische Künstlergruppe G.R.A.M. bezeugen dabei, inwiefern das Paparazzi-Genre Einfluss auf andere Sparten der Kunstwelt hatte.

Paul Schmulbach, Marlon Brando & Ron Galella, Waldorf Hotel, New York 1974 © and Courtesy Ron Galella Ltd.

Dabei gibt es allerhand skurrile Beispiele aus der Paparazzi-Welt: So hörte etwa einer der Vorreiter der Paparazzi – Arthur Fellig, selbst genannt „Weegee“ – den Polizeifunk ab und fotografierte an Tatorten Erschossene, brennende Häuser oder andere Katastrophen, bevor die Polizei dort war. In anderen Fällen wurde das Auflauern der Fotografen zur Gefahr: Während viele der voyeuristischen Aufnahmen aus sicherer Entfernung entstanden, kam es an anderer Stelle zu Handgreiflichkeiten. So etwa bei Marcello Geppetti, der Anita Ekberg, Star aus La dolce vita, auflauerte, die sich aber mit Pfeil und Bogen gegen den aufdringlichen Fotografen wehren wollte. Ron Galella ging es fast noch schlimmer, nachdem er durch einen gezielten Faustschlag von Marlon Brando mehrere Zähne verlor und einen Kieferbruch erlitt, was ihn aber nicht davon abhielt, weiterzumachen. Ganz im Gegenteil: In Zukunft näherte sich der Fotograf dem Schauspieler nur mehr mit einem American-Football-Helm – ein Bild, das auch bei PAPARAZZI! gezeigt wird. Ron Galella ist überhaupt ein gutes Beispiel dafür, wie zwiespältig die externe Wahrnehmung der Paparazzi war. Andy Warhol beispielsweise verehrte den Fotografen, Liz Taylor verwendete seine Bilder sogar für ihre Autobiografie. Dem Leben und Werk von Galella selbst widmet sich übrigens die Doku Smash His Camera (2010) des oscarprämierten Dokumentarfilmemachers Leon Gast.

Helmut Newton, Shooting für die Modezeitschrift Linea Italiana, Rom, 1970 © and Courtesy Helmut Newton Foundation

Helmut Newton war einer derjenigen, die in den siebziger Jahren eine Faszination für die Kunstform der Paparazzi entwickelten. Nachdem er La dolce vita gesehen hatte, interessierte er sich für das Phänomen. So reiste Newton nach Rom, um mit echten Paparazzi zusammenzuarbeiten. Im Auftrag für eine Modezeitschrift engagierte er die Ausnahmefotografen, damit sie gemeinsam mit ihren Modellen vor seiner Kamera posierten. Die Modelle „spielten“ dabei berühmte Personen, weshalb Newtons Bilder so seltsam wie real wirken. Es gab auch Freundschaften zwischen Paparazzi und „ihren“ Celebrities. So hatte etwa Jean Pigozzi, auch aufgrund seines gesellschaftlichen Standes, die Möglichkeit, einen sehr intimen Zugang zur Upper Class zu bekommen, so Matthias Hader: „Auch er dringt in Privatsphären ein, doch die Stars willigen in die fotografische Entlarvung meist mit einem Lächeln ein.“

Die Ausstellung PAPARAZZI! greift das Fotografie-Phänomen also durchaus in seiner Ambivalenz an. Neben kritischer Hinterfragung und kunsthistorischer Auseinandersetzung lässt sich in vielen der Fotos einiges an Humor entdecken.

 

PAPARAZZI!
Noch bis 11. Februar 2024

WestLicht. Schauplatz für Fotografie
www.westlicht.com

 

| FAQ 73 | | Text: Ania Gleich
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