Emilio Pucci (1914–1992) brachte alles mit, was es für ein stilvolles Jet-Set-Leben im 20. Jahrhundert brauchte: blaues Blut, Charisma, Geschmack und Lebenslust. Und natürlich war er Italiener. Dass er zu einer Legende in Sachen Mode werden sollte, war allerdings nicht von Anfang an klar: Pucci studierte zunächst in den USA Sozialwissenschaft und Landwirtschaft (er erhielt ein Stipendium der University of Georgia), außerdem widmete er sich intensiv dem Sport. Eine richtige Ausbildung im Designbereich hatte er nicht. Was er hatte, waren Fantasie und Zeichentalent. Als er 1934 Mitglied der olympischen Skimannschaft Italiens wurde, war es aber gar nicht mehr so weit bis zur Haute Couture, denn Pucci fand hier erste Inspirationen. 1937 entwarf er Teamuniformen für die Skimannschaft des Reed College in Oregon. Die erste Talentprobe wurde gut angenommen, der Zweite Weltkriege sorgte aber für eine kreative Schaffenspause: Der Graf diente zunächst als Pilot in der italienischen Luftwaffe und lernte Edda, Mussolinis älteste Tochter, kennen. Nachdem ihr Mann Galeazzo Ciano, Mussolinis Außenminister, im Faschistischen Rat für die Absetzung seines Schwiegervaters votiert hatte und im Jänner 1944 dafür hingerichtet worden war, verhalf Pucci Edda und ihren Kindern zur Flucht in die Schweiz, wofür er später von den Nationalsozialisten inhaftiert wurde.
Dass er sich danach wieder der Mode widmete, hatte einerseits mit Zufall, andererseits mit seinen Frauenbekanntschaften zu tun: 1947 schaffte es Puccis Skimode – er hatte, noch ganz ohne Absicht, eine Modelinie zu gründen, für eine Freundin einen Ski-Anzug entworfen – in die internationale Modebibel „Harper’s Bazaar“. Mit dieser Aufmerksamkeit im Rücken gründete er auf Capri – das damals noch ein winziger Ferienort für Künstler, Intellektuelle und eine Handvoll europäischer Aristokraten war – eine Mode-Boutique, in der er höchstpersönlich auf die Wünsche der weiblichen Kundschaft einging. Aus einer Boutique wurde schnell eine Kette mit Filialen unter anderem in Rom oder Florenz. In der Folge wurde Pucci zum Millionenunternehmen, das man in der ganzen westlichen Welt kannte.
Puccis Mode gab sich mediterran, luftig und bunt – berühmt etwa die Seidenschals oder die Capri-Hosen, die für ihren besonders guten Sitz geschätzt wurden. Die Hosen ließen sich zudem als Statement der Befreiung interpretieren: Frauen trugen damals viele Schichten und hatten so weniger Bewegungsfreiheit. Puccis Hosen verbanden somit einen Hauch von Freiheit mit Eleganz. Dabei sollten seine Kleider aber nicht hinter den Hosen zurückstehen. „Der Erfolg war darin begründet, dass Emilio Pucci italienische Empfindsamkeit mit amerikanischer Sportswear-Philosophie vermählte“, so Andrew Bolton, Kurator des Costume Institute am Metropolitan Museum of Art. Die Farbe und die Muster standen für Lebensfreude. Anfangs handelte es sich bei Letzteren um Bilder der Insel, Fische oder andere gegenständliche Zeichnungen, später wurden die Muster abstrakter. Inspiration fand Pucci dabei zur Genüge in seinem jahrhundertealten Palazzo, in den Bodenmosaiken etwa oder den Schnörkeln der Eisentore.
Zudem war Puccis Mode von Glamour umgeben wie wenig andere: Zu den berühmten Pucci-Kundinnen zählten beispielsweise Marilyn Monroe, Sophia Loren, Grace Kelly, Brigitte Bardot oder Jacqueline Kennedy. Dazu kam Innovationsgeist: Seine Mode-Linie gehörte etwa zu den ersten mit eigenem Logo – heute eine Selbstverständlichkeit nicht nur im oberen Luxussegment. Zudem bot Pucci neben der Hauptlinie auch Accessoires oder eine sportliche Linie an, sorgte für Diversifizierung. Dies war durchaus nicht selbstverständlich, denn heutige Welt-Modemarken wie etwa Dior verkauften damals hauptsächlich Lederwaren. „Es ging nicht um Stil, sondern um Lebensstil“, brachte es Peter Dundas, von 2008 bis 2015 Artistic Director des Hauses, auf den Punkt. Nicht nur in den Look, auch in die Entwicklung der Stoffe selbst wurde viel investiert …
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