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Der neue Dino

Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Sony

Wenn Justin timberlake im Rahmen seiner 20/20 Experience-Welttournee die Bühne betritt, dann steht das Publikum dem wohl komplettesten Entertainer der Gegenwart gegenüber. Der Mann kann schlicht und ergreifend alles, und manchmal noch etwas mehr. Dass er mit seinen 33 Jahren zu diesem Mann für alle Fälle wurde, liegt zum einen Teil daran, dass es wohl der Plan seiner Eltern war, ihn im Showbusiness zu etablieren. Er ließ keine Talentshow aus und als er schließlich bei Starsearch, einer Castingshow für Kinder, schon in der ersten Runde verlor, schien der Traum vom Kinderstar ausgeträumt. Aber wie es der Zufall wollte, suchte der Disney Channel gerade eine Besetzung für eine Wiederauflage der früheren TV-Hitshow Mickey Mouse Club aka MMC. Timberlake wurde dafür 1993 ebenso ausgewählt wie Christine Aguilera, Britney Spears oder der heutige Mr. Cool schlechthin, Ryan Gosling. Die Show für das frühpubertierende Publikum erwies sich zwar als sagenhaft erfolglos und wurde nach zwei Jahren wieder eingestellt, aber die Darsteller galten als Profis und ihre Gesichter hatten einen Eindruck hinterlassen. Timberlake galt als vielseitig talentiert und wurde gleich im Jahr nach der Einstellung des MMC von Lou Perlman, dem Mann der die Backstreet Boys erfand, für deren Nachfolgeprojekt *NSNYC ausgewählt. Die Gruppe startete zuerst in Europa und lernte den Erfolg erst nach zwei Jahren und endlosen Touren kennen. Die ersten beiden Alben verkauften Millionen und Timberlake war schnell der Mittelpunkt und Teennieschwarm der Boyband. Nach den Triumphen verklagte die Band Lou Perlman, da sie nicht einsah, warum sie nur ein Viertel der Einnahmen bekam und der Rest in der Kassa des Managers blieb. Der Fall wurde außergerichtlich geregelt, aber Timberlake hatte eine wichtige Lektion gelernt: Plane deine eigene Karriere, dann bleibt die Kontrolle des Ertrages auch in deinen Händen.

Aber warum setzte sich der junge Timberlake durch? Talent und Ehrgeiz haben viele Kinder, diplomatische Fähigkeiten auch, was macht diesen Kerl also so besonders? Er sang natürlich im baptistischen Kirchenchor und wurde in der Nähe von Memphis geboren. Jenem Ort also, in dem Elvis im Sun Studio den Rock ’n‘ Roll dem weißen Amerika zugänglich machte und damit globalisierte, jenem Ort in dem das Label Stax den Südstaaten Soul neu erfand und Allzeitgrößen wie Otis Redding, Isaac Hayes oder Booker T & The MGs hervorbrachte und in dem auch die Soullabels Ardent und Hi beheimatet waren, die in keiner Musikgeschichte fehlen dürfen. All diese unglaubliche Musik wäre nie entstanden, wenn nicht zumindest die Musiker in Memphis die Rassentrennung ignoriert hätten und so das Beste aus zwei Welten zusammenführten.

Neben minutiöser Karriereplanung und seinem Können als R ’n‘ B Songwriter verbindet ihn im Studio eine schon fast blind funktionierende Arbeitspartnerschaft mit Timbaland, einem der letzten Produzentengötter. Die beiden nahmen in 20 Tagen 20 Songs auf, die nicht sehr originell, aber passend als 20/20 Experience im Herbst veröffentlicht wurden. Darunter finden sich auch Duette mit Jay-Z und Drake und damit beweist sich auch hier die Theorie der zwei Welten.

In seinen Fernsehauftritten promoted Timberlake aber nicht nur unter dem Einsatz der eigenen Leber seine Tequilabrennerei in Mexiko und seine aktuelle Platte, er dürfte auch den nächsten Karriere-schritt vorbereiten. Wenn man sieht mit welcher selbstverständlichen Leichtigkeit er sich in der Tonight Show mit Gastgeber Jimmy Fallon durch die Geschichte des Rap tanzt, dann liegt der Vergleich mit Dean Martin nahe. Keiner vermittelte die Gnade der Leichtigkeit so wie er und auch Timberlake wird in diese Sphären (noch) nicht vorstoßen. Unter den Leistungsprämissen und Dogmen des 21. Jahrhunderts kommt er ihm sehr nahe, auch wenn die einem Dean Martin innewohnende Anarchie natürlich verschwunden ist. Aber der Weg scheint vorgezeichnet. Zu überprüfen sind die vielen Talente des Justin Timberlake auf der aktuellen Europatournee.

Justin Timberlake: „20/20 Experience“ RCA/ Sony

Live: 3.Juni, Prag O2 Arena; 4.Juni,Wien, Stadthalle; 6.Juni, Berlin O2 World Arena

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