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Der Pragmatiker

Text: Timon b. Schaffer | Fotos: Michalsky

Ein Nobelhotel unweit des Potsdamer Platzes, mitten in Berlin. Hektisches Treiben. Die legendäre Michalsky StyleNite findet am selben Abend im Rahmen der Berliner Mercedes Benz Fashion Week statt, die Erwartungen des Publikums sind durch Ankündigung der Premiere der Bademoden-Kollektion „Lascana“ hoch gesteckt. Inmitten des Chaos ein ruhiger Michalsky, der letzte Details kontrolliert. Bei zwei Models im Runway-Look bleibt der unprätentiöse Designer etwas länger hängen und scheint zu plaudern, eines davon ist der vielbeachtete Andrej Pejic. Das androgyne Model läuft für Michalsky als Frau und wird neben der 65-jährigen Eveline Hall wohl die meisten Blicke auf dem Laufsteg auf sich ziehen. Schon ist die Anprobe auch wieder um, und Michalsky empfängt mich – gelassen, ruhig und fast so, als würde nicht wenige Stunden später seine Show im Berliner Tempodrom stattfinden. „Ich bin ein guter Teamplayer und habe bereits früh gelernt, wie wichtig delegieren sein kann. Ich weiß, dass ich mich auf mein Kern-Team von 25 Leuten zu hundert Prozent verlassen kann. Das beruhigt in solchen Situationen ungemein“, sagt der Designer.

Zehn Jahre Michael Michalsky

Der deutsche Modemacher feierte bei der Fashion Week im Juli in Berlin seine mittlerweile zehnte Kollektion – und stellte dort ganz nebenbei einen Zuschauerrekord auf: Zu den 1.500 geladenen Gästen verfolgten an die 20.000 Zuschauer das Spektakel per Online-Live-Übertragung. Ein Rekord, der womöglich mit seiner ersten Bademoden-Kollektion „Lascana by Michalsky“ zusammenhängt, die vorab für viele Spekulationen sorgte. Inmitten des Showprogramms hat Michalsky den Auftakt der Bademoden-Linie gekonnt in einen dramatischen Spannungsbogen eingebaut – die Show war perfekt, die Mode selbst ging da schon mal ein wenig unter. Doch das wird wohl kein Zufall gewesen sein – immerhin hat der Meister der Selbstinszenierung bereits mehrfach bewiesen, dass er genau weiß, an welchen Rädchen er drehen muss, um den Umsatz hochzuschrauben.

Wie alles begann…

Der 1967 geborene Niedersachse aus Göttingen, einem Provinznest, wie Michalsky es gerne nennt, geht gleich nach der Schule ans London College of Fashion, um von dort aus bei Levis Deutschland als Design-Manager anzufangen. Nach diesem eher kurzen Intermezzo landet Michalsky bei Adidas, wo er von insgesamt neun Jahren sechs als Global Creative Director arbeitet und maßgeblich zum Erfolg der Neupositionierung der Retro-Produkte beiträgt. Auch Designer-Kooperationen mit Yohji Yamamoto oder Stella McCartney stammen aus Michalskys Ideenwerkstatt. Nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Adidas gründet der Kreativkopf 2006 sein eigenes Label, schon im nächsten Jahr designed er parallel dazu für Tchibo, eine Kooperation, die zwei Jahre anhält. Rückblickend auf seine Anfänge stellt der 1,95m große Modeschöpfer fest: „Grundsätzlich habe ich von diesen Anfängen vor allem die Marktorientierung mitgenommen. In meinem Unternehmen gibt es eine Product-Management-Struktur – ich designe nicht bloß aus Jux und Tollerei. Was ich mache, hat Hand und Fuß.“

Marktorientiertes Design

Dass Michalsky mit diesem Kurs gut fährt, beweisen die Geschäftszahlen und die große Nachfrage an Kooperationen – sei es mit der von Michalsky selbst neu positionierten Modemarke MCM oder mit Sony. „Klar denke ich, dass man als Designer auch wirtschaften können muss. Immerhin kommen meine Mitarbeiter ja nicht jeden Tag in die Arbeit, weil die mich so toll finden – die wollen auch bezahlt werden“, gibt sich Michalsky realistisch. Doch gerade durch seinen sehr marktorientierten Zugang zum Designprozess sei das Unternehmen solide aufgestellt – neben dem primären Markt Deutschland wird für die kommenden Jahre vor allem auf Expansion gesetzt: Neben den unmittelbaren Nachbarländern (darunter auch Österreich) setzt der Stratege vor allem auf China und Korea, denn die „emerging markets“ in Asien nehmen immer mehr an Kaufkraft – und dadurch an Bedeutung – zu. „Einfluss auf unsere Designs lässt sich dadurch aber nicht erkennen. Immerhin kaufen Asiaten gerne europäische Marken, weil sie auf europäischen Geschmack abfahren“, bloß die Kleidergrößen würden zum Teil an die anderen körperlichen Bedürfnisse angepasst werden. Was den Designer besonders locken könnte, in asiatische Märkte zu expandieren, ist die rasant steigende Kaufkraft – und der vorhandene Wille, Geld für Luxusgüter auszugeben. Michalsky selbst weiß, dass etwa für chinesische Kunden „nichts edel genug und nichts teuer genug“ sein kann, eine Einstellung, die in Europa heute immer rarer gesät zu sein scheint.

Das Konzept der Nachhaltigkeit

Auch wenn die Exporte immer mehr Richtung Osten vorstoßen, produziert wird weiterhin zu hundert Prozent in Europa. Etwa drei Viertel der Kollektionsteile werden überhaupt in Deutschland gefertigt. Doch Organic Cotton oder neue Techniken des Wassersparens versprechen für den Designer nicht die Lösung der zukünftigen Umweltprobleme zu sein. „Ich glaube, der Schlüssel liegt im Konsum selbst. Hochwertige und dafür weniger Stücke zu besitzen, ist langfristig sicher die nachhaltigere Methode, als jede Woche 15 Öko-Baumwoll-Shirts von Mass-Market-Anbietern zu kaufen“, erklärt Michalsky seine Überlegungen. Er wolle lieber Lieblingsteile für seine Träger kreieren, die öfter getragen und gut kombiniert werden können – und die vor allem auch einen zeitlosen Aspekt berücksichtigen und nicht bloß eine Saison lang tragbar seien. Schaut man sich nach persönlichen oder professionellen Kritiken der Stücke des deutschen Designers um, stößt man vor allem auf positives Feedback. Die Teile seien klassisch, würden die Persönlichkeit der Träger betonen und seien gut kombinierbar. Michalsky präge mit seiner Mode einen gewissen Berliner Stil. An einer Stelle wird die Mischung aus Premium Segment und Streetwear hervorgehoben, an einer anderen vor allem die gute Qualität bei der Verarbeitung. Natürlich gibt es auch Kritik am Modemacher – etwa, dass er zu berechnend und zu profitorientiert agiere und das Künstlerische am Modeentwurf zu kurz käme.

Dass Michalsky und seine Arbeitsweise polarisieren, ist dem bekennenden Berlin-Liebhaber bewusst. Ein Umstand, mit dem der Selbstdarsteller gerne spielt – etwa, indem er das Männermodel Andrej Pejic in Frauenmode über den Catwalk defilieren lässt. „Für mich sind die Grenzen heute bereits verschwommen. Zugegeben, man sieht nicht viele Männer in Kleidern, aber Frauen in Jeans – vor ein paar Jahrzehnten noch völlig unvorstellbar – sind mittlerweile selbstverständlich“, verteidigt Michalsky die Entscheidung. Für ihn sei Frauen- und Männermode gleichsam interessant, gerade eben weil die Teilbereiche immer mehr zu einem großen Ganzen verschmelzen. Fragt man den Designer nach seinem persönlichen Lieblingskleidungsstück, gibt sich Michalsky ganz allürenfrei. Die Antwort „Jeans, T-Shirt und Sneakers“ wirkt privat und natürlich. Fragt man ihn daraufhin nach den Marken, die er trägt, meldet sich sofort wieder das Verkaufsgenie, wenn Michalsky antwortet: „Also, außer Michalsky trage ich eigentlich nichts …“

| FAQ 14 | | Text: Timon b. Schaffer | Fotos: Michalsky
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