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Der rasende Traum

Text: Oliver Stangl | Fotos: Archiv
Ferdinand Alexander „Butzi“ Porsche mit einem Vorentwurf des Modells 911 (1960) © Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Stuttgart

Porsche verkauft Träume und lässt sich schon allein deshalb nicht mit den üblichen Maßstäben des Wirtschaftslebens messen. (…) Porsche, der schnellste Traum der Welt, ein globaler Traum.“, heißt es treffend in „Die Porsche-Saga“ von Stefan Aust und Thomas Ammann (Verlag Quadriga, 2012). Porsche, der vielleicht schönste Wirtschaftsfaktor des Planeten. Der Begründer des „globalen Traums“, Ferdinand Porsche, kam 1875 im böhmischen Maffersdorf als Sohn des Spenglers Anton Porsche und seiner Frau Anna zur Welt. Das Genie Ferdinands zeigte sich bereits im Alter von 13: Seine Experimente mit Elektrizität hatten zur Folge, dass das Haus der Porsches das erste im Ort war, das über elektrische Beleuchtung verfügte. Mit 18 trat Ferdinand als Lehrling bei der Vereinigten Elektrizitäts-AG Béla Egger in Wien ein, in nur vier Jahren brachte er es zum Leiter der Prüfabteilung. Porsche war Autodidakt im wahrsten Wortsinn: Nachdem er den Radnabenelektromotor entworfen hatte, baute er 1899 für die k. u. k. Hoflieferanten Ludwig Lohner den Lohner-Porsche – das weltweit erste Fahrzeug mit Allradantrieb. Betrieben wurde es elektrisch und schaffte eine Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Der Akku sorgte für eine Reichweite von 50 Kilometern, der Verzicht auf Zwischengetriebe, Zahnräder und Ketten war revolutionär. Der Lohner-Porsche (auch bekannt als „Semper Vivus“ – „stets lebendig“) machte auf der Weltausstellung in Paris 1900 Furore und den jungen Konstrukteur berühmt.

Exklusiv war Porsche bereits damals: Der Wagen war wesentlich teurer als ein Benzinauto und wurde bevorzugt von Reichen gekauft. Wie innovativ der Entwurf war, sieht man auch daran, dass die NASA noch siebzig Jahre später für ihre Apollo-Missionen auf das Prinzip des Radnabenmotors zurückgriff. Das große Gewicht und die relativ geringe Reichweite brachten Porsche dazu, den Mixte-Wagen zu konstruieren, das erste Hybridfahrzeug der Welt. Das Hybridkonzept ist hundert Jahre später auf geradezu unheimliche wieder aktuell (2010 präsentierte Porsche auf dem Genfer Autosalon den Porsche 918 Spyder, der sowohl mit Benzin als auch Strom fahren kann). Ferdinand Porsche, ein vom Automobil besessener Visionär.

Als Porsche mit 28 Jahren die Schneidermeistertochter Aloisia Kaes aus Purschau heiratet, wird die Hochzeitsreise standesgemäß mit einem Hybridfahrzeug angetreten. Das Paar wohnte übrigens in der Berggasse in Wien, nur wenige Meter von Sigmund Freud entfernt (die Steigung der Straße diente Porsche auch als Teststrecke). 1906 ging er als Technischer Direktor zu Austro Daimler, Wiener Neustadt, wo unter seiner Aufsicht Vehikel wie Feuerwehrwagen und Militärfahrzeuge produziert wurden. 1909 wurde sein Sohn Anton Ernst, genannt Ferry, geboren – die nächste Legende, wie sich später zeigen sollte.

Weltkriege und Käfer

Neben Flugmotoren und Personenwagen befasste sich Ferdinand Porsche bald verstärkt mit Sportwagen und entwarf unter Mitarbeit des Flugpioniers Igo Etrich den legendären Prinz-Heinrich-Wagen, ein schnittiges Rennauto, das 138 km/h schnell war. Bei der Prinz-Heinrich-Fahrt im Jahr 1910 – 2000 Kilometer quer durch das deutsche Kaisserreich – belegten Porsches Konstruktionen die erste drei Plätze. Mercedes, Benz und Opel mussten sich geschlagen geben, im Siegerauto saß Porsche selbst. Im Ersten Weltkrieg entwarf Porsche den Landwehr-Train, wurde für seine Verdienste um Österreich mehrfach ausgezeichnet und setzte nach dem Krieg seine Arbeit an den erfolgreichen Rennwagen fort. Mehrere Jahre war Porsche bei der Daimler-Motorengesellschaft in Stuttgart tätig, nach Zwistigkeiten ging er zunächst zu den Steyr-Werken bevor er sich 1930 schließlich selbstständig machte und die Dr. Ing. h.c. F. Porsche Gmbh gründete – der Grundstein des späteren Imperiums. Nachdem er ein Angebot aus der Sowjetunion abgelehnt hatte, dort erster Konstrukteur zu werden, machte sich Porsche mit seinem Mitarbeiterstab, zu dem auch Sohn Ferry gehörte, an die Konstruktion eines Kleinwagens, des Porsche Typ 12. Die Machtübernahme der Nazis – Hitler betrachtete Porsche als seinen Lieblingsingenieur – führte zum Entwurf des legendären Volkswagens, der zunächst auch als KDF-Wagen (benannt nach der Organisation „Kraft durch Freude“) bekannt war, später jedoch als „Käfer“ weltberühmt wurde. Nach Hitlers Vorgaben, die sich nicht an realwirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten hielten, durfte der Wagen nicht mehr als 1000 Reichsmark kosten und sollte für jedermann erschwinglich sein. Doch der Beginn des Zweiten Weltkrieges verhinderte dies zunächst.

Ein düsteres Kapitel der Familiengeschichte: Ferdinand Porsche wusste seine Kontakte zu Hitler zu nutzen und produzierte unter anderem Panzer. Für Arbeiten im Werk Wolfsburg– ein Produktionskomplex von gewaltigen Ausmaßen, als dessen Leiter Porsches Schwiegersohn, der Rechtsanwalt Anton Piëch, fungierte – wurden auch Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter eingesetzt. Letztlich überstand der Käfer als markantes Symbol des Wirtschaftswunders – späterer Werbeslogan: Er läuft und läuft und läuft – die politisch schwierige Gründungsgeschichte, wurde von 1938 bis 2003 produziert und war bis 2002 (als er vom Golf übertroffen wurde) das meistverkaufte Auto der Welt. Nach dem Krieg ging Porsche nach Gmünd, von Mitverantwortung für NS-Verbrechen wurde er freigesprochen.

911

In Gmünd entstand das erste Auto unter der Leitung seines Sohnes Ferry. Der Vater war stolz auf das Modell 356 und meinte: „Keine Schraube hätte ich anders gemacht.“ Schließlich wurde ein lukrativer Vertrag mit dem VW-Werk abgeschlossen, die gewonnenen finanziellen Mittel wurden zur Basis für die Porsche KG in Stuttgart und die Porsche Holding in Österreich. Mit dem Roadster 356 schuf Ferry eine überaus markante Sportwagenform und auch das heute weltberühmte Logo geht auf ihn zurück. Ferry baute das Porsche-Werk zu einem großen Produktionsunternehmen aus, durch anhaltende Rennsporterfolge wurde die Marke endgültig zum Phänomen. Nach dem Tod Ferdinands im Jahr 1951 war das Unternehmen also in guten Händen.

Ferrys Sohn Ferdinand Alexander (1935–2012) schließlich prägte mit dem Porsche 911 die unverwechselbare Formensprache der Autos bis heute. Das Markenzeichen der vorangegangenen Porsche-Wagen – Heckmotor und Lüftkühlung – behielt man auch hier bei. Der neue Wagen sollte mehr Leistung haben, mehr Platz und Fahrkomfort bieten sowie eine verbesserte Straßenlage aufweisen. All diese Punkte wurden genial gelöst, der Porsche 911 – auch bekannt als Elfer – wurde zu einer Erfolgsgeschichte ohnegleichen, ein wirtschaftlicher und ästhetischer Triumph. (Obwohl es natürlich auch hier anfangs Puristen gab, die sich an den Änderungen stießen, zudem war der 911 deutlich teurer als der Vorgänger.) Bis heute ist der Porsche 911 ein Synonym für die Marke, bekannte Karosserievarianten sind das Cabriolet und das Coupé. Mit dem Porsche 991 ist man mittlerweile bereits in der siebten Generation des Elfer angekommen.

1963 trat Ferdinand Piëch, Sohn von Porsche-Tocher Louise und Anton Piëch, ins Unternehmen ein und arbeitete am Motor des 911 mit. Die nächste Legende des Clans, auch wenn sein Nachname nicht Porsche ist. Piëch nahm sofort großen Einfluss auf die Entwicklung und erwies sich als überaus visionär und vorausschauend. Auch setzte er durch, dass Porsche beim legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilnahm – und gewann. Auch in Lee H. Katzins Filmversion des Rennens, Le Mans (1971), wurde Porsche verewigt, am Steuer des Modells 917 saß in vielen Szenen kein Geringerer als Hollywoodlegende Steve McQueen. Der Schauspieler galt zu Lebzeiten stets als Mann, der aufs Ganze geht, ähnliches könnte man wohl auch von Piëch (zwölf Kinder aus vier Beziehungen) behaupten, der gerne als überaus tough beschrieben wird und heute unter anderem Vorsitzender des Aufsichtsrates von Volkswagen ist. Ausgeglichen wird Piëchs Härte wohl durch seine Offenheit, gehört er doch zu den wenigen Menschen im deutschsprachigen Raum, die zu ihrer Legasthenie stehen.

Krise und Neustart

Als sich Ferry Porsche anfang der siebziger Jahre allmählich zurückzog, entbrannte ein Kampf um die Nachfolge. Unerlässliche Bedingung: Der Familienname musste Porsche lauten, Piëch kam daher nicht in Frage. Schließlich wurde die Porsche KG 1972 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und Ernst Fuhrmann wurde Vorstandschef. Die Familie zog sich zurück, um einem Manager eine Chance zu geben und Familienstreitigkeiten zu vermeiden. Die siebziger und achtziger Jahre waren schwierige Jahrzehnte für das erfolgsverwöhnte Unternehmen: Ölschock, aufkommende Okölogiebewegung, Wirtschaftskrisen. Nach Jahrzehnten, in denen das Auto als Symbol von Freiheit und Unabhängigkeit galt, erschienen Sportwagen plötzlich dekadent. Durch Umstrukturierungen und Hilfe des VW-Konzerns (der mit Marken wie Audi mittlerweile immer größer geworden war) konnte man oft nur knapp überleben.

1993 übernahm der hemdsärmelige Wendelin Wiedeking den Vorstand; bereits ein Jahr darauf wurden wieder Gewinne ausgewiesen, Porsche wurde der weltweite rentabelste Autoproduzent und der größte Steuerzahler Stuttgarts. Unter Wiedeking wurden an die 100.000 Wagen pro Jahr verkauft. Schließlich wollte man gar den Volkswagenkonzern (immerhin fünfzehnmal größer) übernehmen, doch diverse Faktoren – darunter Wirtschaftskrise und politischer Einspruch – ließen den Plan scheitern. Schließlich wurde Porsche selbst von Volkswagen übernommen. Nun ist auch offiziell zusammengewachsen, was zusammengehört, die Porsches und die Piëchs wohnen sinnbildlich gesprochen unter einem Dach, auch wenn in der Presse des Öfteren Spannungen kolportiert werden. Doch auch dies kann die Legende nicht stoppen: Wie gut es Porsche geht, erkennt man daran, dass der Konzern vor kurzem bekanntgab, innerhalb von fünf Jahren 3000 neue Mitarbeiter einstellen zu wollen. Der Mythos ist lebendig wie eh und je.

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