Startseite » Der Superspion

Der Superspion

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Universal Pictures

Mit „No Time to Die“ feiert der 25. Film aus der James-Bond Reihe seine Kinopremiere. Ein kleiner Rückblick auf die Anfänge des berühmtesten Geheimagenten der Welt.

Sean Connery in Dr. No (1962), Foto: Bert Cann © 1962 Danjaq, LLC and Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved.

Als Harry Saltzman 1961 die Filmrechte an den James-Bond-Büchern erwarb, hätte er sich vermutlich nicht träumen lassen, dass er damit den Grundstein für einen der bekanntesten Charaktere der Populärkultur gelegt hatte. Zwar waren die von Ian Fleming verfassten Romane, in deren Mittelpunkt der titelgebende Agent in Diensten des britischen Auslandsgeheimdienst MI6 steht, schon ziemlich erfolgreich, doch eine für das US-amerikanische Fernsehen produzierte Verfilmung des Romans „Casino Royale“ war auf überschaubare Resonanz gestoßen. Zudem hatte Harry Saltzman in seiner bisherigen Karriere thematisch höchst unterschiedliche Projekte in Angriff genommen. Die von ihm produzierten Projekte Look Back in Anger und Saturday Night and Sunday Morning – Adaptionen der von John Osborne bzw. Alan Sillitoe verfassten literarischen Vorlagen – waren hoch geschätzte Repräsentanten der Bewegung des „Kitchen Sink Realism“, die in den fünfziger und sechziger Jahren in unterschiedlichen Kunstgattungen einen höchst ungeschminkten und kritischen Blick auf soziale Realitäten warf. Weit entfernt also vom Krimi- und Agentengenre, das Ian Fleming in seinen Romanen um James Bond zu entwerfen pflegte. Der gebürtige Kanadier Saltzman fand jedoch mit dem in New York geborenen Albert R. Broccoli einen kongenialen Partner. Brocccoli hatte seine Karriere im Filmgeschäft als Laufbursche des legendären Howard Hughes bei den Dreharbeiten zu The Outlaw (1940) begonnen, zu Beginn der fünfziger Jahre ließ sich Broccoli in England nieder, wo er zusammen mit Irving Allen die Produktionsfirma Warwick Films gründete. Als Broccoli, der sich ebenfalls für die James-Bond-Rechte interessiert hatte, erfuhr, dass die bereits Harry Saltzman erworben hatte, fällten die beiden eine höchst vernünftige Entscheidung: Sie taten sich zusammen und formten jenes Team, das fortan in der gemeinsamen Firma Eon Productions für die Bond-Reihe – zunächst war die Produktion von sechs Filmen vorgesehen – verantwortlich zeichnete.

Cubby und Dana Broccoli, Sean Connery, Jacqueline und Harry Saltzman, 1962 während der Dreharbeiten von Dr. No in Jamaica.
Foto: Bert Cann © 1962 Danjaq, LLC and Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved.

Der erste Einsatz

Doch die Frage, mit welchem von Ian Flemings Romanen die Filmreihe beginnen sollte, erwies sich als gar nicht so unkompliziert. Ausgerechnet für „Casino Royale“, vom Veröffentlichungsdatum her das erste Buch der Reihe, verfügten Saltzman und Broccoli nicht über die Rechte. Zunächst war angedacht, „Thunderball“ zu verfilmen, doch Fleming hatte diese Geschichte schon Jahre zuvor mit zwei anderen Autoren in einem Drehbuch verarbeitet. Erst als sich dieses Filmprojekt zerschlug, verfasste er den gleichnamigen Roman. Die Folge war jedoch ein schwelender, sich lange hinziehender Rechtsstreit mit den beiden Koautoren, der noch zu einem besonderen Kuriosum in der Bond-Historie führen sollte. Noch schwieriger erwies sich die Suche nach einem passenden Hauptdarsteller. Unter den vielen Namen, die für die Rolle des Agenten im Dienst ihrer Majestät kolportiert wurden, befanden sich etwa Cary Grant, Patrick McGoohan, Richard Johnson und David Niven. Schließlich fiel die Wahl auf den Schotten Sean Connery, einen bis dahin nur wenig bekannten Schauspieler. Die Entscheidung sollte sich als goldrichtig herausstellen, gilt Connerys Darstellung von Commander James Bond doch in der Fangemeinde mit ihrer Mischung aus typisch britischer Gelassenheit und tatkräftiger Entschlossenheit als idealtypischer Verkörperung der Romanvorlage. Ian Fleming, der dem Engagement Connerys zunächst eher skeptisch gegenüber stand, war von dessen Leistung in der Titelrolle bald jedoch so begeistert, dass er ihm eine besondere Reverenz erwies, indem er Connerys schottische Wurzeln in die fiktive Biografie von James Bond einfließen ließ und in einem der späteren Romane explizit auf Bonds schottischen Vater verwies.

Ian Fleming on location in Jamaica with Sean Connery while filming Dr. No.
Foto: Bert Cann © 1962 Danjaq, LLC and Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved.

Im Jänner 1962 konnten schließlich die Dreharbeiten zu Dr. No – der deutsche Titel James Bond – 007 jagt Dr. No verweist schon deutlicher auf den zentralen Charakter – mit den Außenaufnahmen auf Jamaika beginnen, als Regisseur fungierte mit Terence Young ein Routinier seines Fachs, der bereits mehrfach mit Albert Broccoli bei Warwick Films zusammengearbeitet hatte. Dr. No enthält bereits einige der charakteristischen Elemente, die die gesamte Bond-Reihe prägen, wie etwa das von Monty Norman komponierte James-Bond-Thema oder die zu Beginn jedes Films verwendete Pistolenlauf-Sequenz. Und auch die knappe Vorstellung – „Bond, James Bond“ –, die mittlerweile ikonischen Status genießt, findet hier bereits Verwendung. Zwei Charaktere, die zum unverzichtbaren Stammpersonal der Filmreihe zählen sollten, hatten ebenfalls schon ihre ersten Auftritte. Bernard Lee in der Rolle von Bonds Vorgesetzten M, dem Leiter des MI6, und Lois Maxwell als dessen Sekretärin Miss Moneypenny prägten mit ihren oft nur kurz in Erscheinung tretenden Charakteren das Erscheinungsbild der Reihe nicht unwesentlich mit. Elfmal sollte Bernard Lee M verkörpern, ehe sein Tod im Jänner 1981 seinen bereits fix geplanten Einsatz in For Your Eyes Only verhinderte, Lois Maxwell trat gleich in den 14 ersten Bond-Filmen auf, ehe sie 1987 in The Living Daylights von Caroline Bliss abgelöst wurde (die jedoch nur zweimal als Moneypenny zum Einsatz kam).

John Wiseman etablierte als Dr. No den Typus des charismatischen, sinistren Superverbrechers, der den prototypischen Antagonisten von James Bond repräsentiert. Die Schweizerin Ursula Andress wiederum prägte mit ihrer Rolle im ersten Bond-Abenteuer jenen Figurentypus, der in der Reihe fortan als „Bond-Girl“ firmieren sollte. Der mit dem vergleichsweise überschaubaren Budget von einer Million Dollar produzierte Dr. No spielte weltweit knapp 60 Millionen ein, der Aufstieg von James Bond zum berühmtesten Geheimagenten der Welt hatte seinen Anfang genommen.

Ursula Andress in Dr. No (1962) Foto: Bert Cann © 1962 Danjaq, LLC and Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved.

Dieser Status festigte sich mit den nachfolgenden Filmen From Russia with Love (1963), Goldfinger (1964) und Thunderball (1965). From Russia with Love – wie Thunderball ebenfalls von Terence Young in Szene gesetzt – erweist sich als besonders schnörkellose Arbeit, die ein wenig an die von der Atmosphäre des Kalten Kriegs geprägten Agententhriller anknüpft. In der Romanvorlage sind die Widersacher James Bonds auch tatsächlich Mitglieder der berüchtigten sowjetischen Geheimdienstorganisation SMERSH – die bis knapp nach Ende des Zweiten Weltkriegs tatsächlich existiert hatte –, die Produzenten ersetzten sie aber vom ersten Film an durch das internationale Verbrecher-Konglomerat SPECTRE, das Fleming erst in seinen späteren Romanen eingeführt hatte. Dass die gebürtige Wienerin und Ehefrau von Kurt Weill, Lotte Lenya, eine begnadete Brecht-Darstellerin, die in einigen seiner Uraufführungen mitgewirkt hatte, als ehemalige KGB-Agentin in From Russia with Love fungierte, mutet wie besonders feine Ironie an.

Die erwähnten ersten vier Bond-Filme orientierten sich, was den Plot angeht, noch einigermaßen eng an den jeweiligen Romanen. Flemings ökonomischer Erzählduktus mit seiner unprätentiösen Sprache und einer linear verlaufenden Handlung, die oft schon geradezu „filmisch“ geschrieben erscheint, erwiesen sich als ideale Vorlage. Doch beginnend mit You Only Live Twice – das Skript dazu verfasste der für seinen schwarzen Humor bekannte Schriftsteller Roald Dahl –, hatten die Drehbücher zusehends immer weniger mit Ian Flemings Buchvorlagen gemeinsam. Die Plots wurden extravaganter, die Spezialeffekte immer spektakulärer bis hin zum Selbstzweck. Sean Connery stieg nach dem fünften Film aus, als neuer Bond-Darsteller fungierte in On Her Majesty’s Secret Service (1969) der Australier George Lazenby in seiner ersten Filmrolle. Der machte rückblickend betrachtet seine Sache recht ordentlich, On Her Majesty’s Secret Service erlangte im Lauf der Zeit sogar die Reputation als einer der besonders gut gelungenen Filme der Bond-Reihe. Geschuldet ist das zu einem nicht geringen Teil der Leistung von Diana Rigg, die in der Rolle der Teresa „Tracy“ di Vincenzo eine starke Frau etablierte, die entgegen den bis dahin üblichen Bond-Girls auf Augenhöhe mit James Bond zu agieren verstand. Trotz allem blieb dies Lazenbys einziger Auftritt als James Bond, für Diamonds Are Forever (1971) konnte Connery kurzzeitig zu einem Comeback überredet werden. Kurioserweise sollte er jedoch die Bond-Rolle noch einmal übernehmen. Nachdem die rechtlichen Konflikte beigelegt waren, wurde nämlich der „Thunderball“-Stoff unter dem Titel Never Say Never Again 1983 erneut – jedoch nicht unter der Ägide von Eon – verfilmt, als Connerys Gegenspieler fungierte kein Geringerer als Klaus Maria Brandauer.

„NO TIME TO DIE“. Foto: Nicola Dove © 2021 Danjaq, LLC and MGM. All Rights Reserved.

Daniel Craig und Léa Seydoux in „NO TIME TO DIE“. Foto: Nicola Dove © 2021 Danjaq, LLC and MGM. All Rights Reserved.

Spektakel und Rückbesinnung

Als Roger Moore 1973 in Live and Let Die die Rolle Bonds übernahm – er sollte sie in sieben Filmen spielen – begann endgültig ein klein wenig ironischer Ton bei der Gestaltung der Rolle und der Inszenierung Einzug zu halten, der dem Image des Superagenten ein Augenzwinkern entgegenhielt. Dem Erfolg an den Kinokassen tat dies keinen Abbruch – Moonraker war etwa, was die Einspielergebnisse betraf, der erfolgreichste Film des Jahres 1979 und der bis dahin ertragreichste der Bond-Reihe  –, doch die bereits angedeutete Entwicklung in Richtung Spektakelkino samt den hoch entwickelten technischen Spielereien bei Bonds Ausrüstung nahm ihren Lauf. Daran konnte das durchaus stilvolle, zwei Filme andauernde Intermezzo von Timothy Dalton als James Bond ebenso wenig ändern wie die Übernahme der Rolle durch Pierce Brosnan. Obwohl die vier Filme, in denen Brosnan als Bond agierte, durchaus hohe Einspielergebnisse zu generieren verstanden, schien sich die Reihe in einem kreativen Sinn totzulaufen. Harry Saltzman war da längst ausgestiegen, er hatte nach der Produktion von The Man With the Golden Gun (1974) seine Rechte an der James-Bond-Franchise verkauft. Albert Broccoli hatte bereits vor seinem Tod im Jahr 1996 seine Nachfolge geregelt und die Verantwortung für die Bond-Filme seiner Tochter Barbara und seinem Stiefsohn Michael G. Wilson übertragen.
Doch mit Daniel Craig nahm die Reihe einen beeindruckenden Neustart vor. Der neue James Bond konnte schon auf eine veritable Karriere verweisen, hatte er doch unter anderem bereits mit Regiegrößen wie Steven Spielberg (Munich) oder Sam Mendes (Road to Perdition) gearbeitet. Seine Darstellung rückte Bond wieder deutlich näher an die literarische Vorlage heran, die von Craig verkörperte Mischung aus cooler Nonchalance und streckenweise unerbittlicher Härte entspricht geradezu kongenial dem von Ian Fleming gezeichneten Bild des britischen Superspions. Casino Royale (2006), in dem Craig sein James-Bond-Debüt gab, orientierte sich, was den Plot  und Grundton angeht, ziemlich eng an der Buchvorlage. Martin Campbell inszenierte Casino Royale als geradlinigen Hochspannungsthriller im Agentenmilieu, der die typische Atmosphäre von Flemings Romanen stilgerecht und durchaus modern adaptiert, zu generieren verstand. Als genialer Schachzug erwies sich auch die Verpflichtung von Eva Green für die Rolle der Vesper Lynd. Die großartige Schauspielerin Green verstand es ihrer Figur, die ein undurchsichtiges Spiel mit Bond treiben muss, eine Vielschichtigkeit zu verleihen, mit der sie das Image des Bond-Girls als dekoratives Beiwerk, das Darstellerinnen in Bond-Filmen lange Zeit anhing, förmlich zertrümmerte. Dass die Reihe in modernen Zeiten anzukommen schien, zeigte sich auch daran, dass James Bond bereits seit 1995 bei einer Frau als seiner Vorgesetzten antreten musste, hatte doch mit Goldeneye Judi Dench die Rolle von M übernommen (die allerdings mittlerweile von Ralph Fiennes abgelöst wurde).     

Die Reorientierung in Richtung Agententhriller klassischen Zuschnitts – wenn auch natürlich weiterhin mit jenen ausgeprägten Charakteristika, die einen Bond-Film unverwechselbar machen – erwies sich jedenfalls als höchst erfolgreich. Waren die Regisseure früherer Filme zumeist höchst solide Routiniers, wurde für Skyfall mit Sam Mendes ein kreativer Kopf verpflichtet, der sich im Verlauf seiner Karriere durch eine höchst ausgeprägte Handschrift ausgezeichnet hatte. Skyfall erntete überwiegend Kritikerlob und spielte zudem 1,1 Milliarden Dollar ein. Auch der demnächst anlaufende, neue Auftritt von James Bond wurde mit Cary Fukunaga von einem Mann inszeniert, der seine Wurzeln mehr im Arthouse-Kino als in High-Budget-Action hat und in seinen Regiearbeiten wie Sin Nombre oder Beasts of No Nation sich zudem nicht scheute, brisante soziale und politische Themen aufzugreifen.

No Time to Die. Foto: Universal Pictures

No Time to Die wird aber auf jeden Fall eine weitere Zäsur in der Bond-Reihe darstellen. Daniel Craigs fünfter Einsatz im Geheimdienst ihrer Majestät wird auch sein letzter sein. Wer immer seine Nachfolge antritt, wird sich an einem hohen Standard messen lassen müssen.

 

KEINE ZEIT ZU STERBEN / NO TIME TO DIE
Agententhriller/Action, USA/Großbritannien 2020
Regie Cary Joji Fukunaga Drehbuch Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga, Phoebe Waller-Bridge Kamera Linus Sandgren Schnitt Elliot Graham, Tom Cross Musik Hans Zimmer Titelsong Billie Eilish Production Design Mark Tildesley Kostüm Suttirat Anne Larlarb
Mit Daniel Craig, Rami Malek, Léa Seydoux, Lashana Lynch, Ben Whishaw, Naomie Harris, Ralph Fiennes, Ana de Armas, Christoph Waltz, Jeffrey Wright
Verleih Universal Pictures
Kinostart 30. September 2021

| FAQ 56 | | Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Universal Pictures
Share