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Digitale Selfmade-Frauen

Text: Feldkamp Anne | Fotos: Illustration: Franz Suess

Man hat es oder man hat es nicht, das digitale Charisma. Und mit ihm steht und fällt er, der Erfolg der populären Modeblogs, um deren Strahlkraft sie so manche Printpublikation beneidet: Die Französin Garance Doré gehört mit ihrem Modeblog zur internationalen Speerspitze. Wenn sie in einer ihrer Kolumnen ihre Leser und Leserinnen um deren Meinung zur Textilkette „Zara“ bittet, landen 200 Kommentare aus der ganzen Welt unter ihrem Posting.

Was hier allerdings so federleicht und unbeschwert aussieht, nämlich einen Blog aufzubauen, der geliebt und gelesen wird, gelingt längst nicht jedem. Ist ja auch nicht so einfach, ein Händchen für Themen und eine persönliche Note aus dem Ärmel zu schütteln.

Modeblogs sind bis auf wenige, durchaus prominente Ausnahmen eine Frauendomäne. Es sind die Frauen, die bloggen und es sind vor allem die Frauen, die diese Onlineformate lesen. Die Macherin fungiert da mal als gute Freundin und mal als Stilvorbild. Ihre Themen unterliegen zwar keiner Blattlinie, sind aber auch nicht umwerfend neu. Sie sehen sogar ähnlich aus wie die der Frauenzeitschriften „Brigitte“ oder „Maxi“. Meist bieten Blogs zwischen Werbebannern Beratung, Service und ein wenig Modeberichterstattung. Das aber viel schneller und sogar mehrmals täglich. Und die Werbekunden verstehen zunehmend, wie lukrativ es ist, in diese Modebloggerinnen zu investieren: Da sitzen konsumaffine Frauen vor den Rechnern, die sich von Leandra Medine oder Susanna Lau einiges abschauen.

Während die Macherinnen internationaler Blogs wie Stylebubble, Garance Doré, The Man Repeller oder Elin Kling ein internationales Publikum ansprechen, gibt es auch im deutschsprachigen Raum Bloggerinnen, die die Kunst des mitreißenden Bloggens beherrschen. Sie müssen nicht, sie wollen sich was einfallen lassen und sie leben sogar davon. Statt schlecht bezahlte Praktika bei den Modeverlagen zu machen, ist der Einstieg ins Bloggen für Frauen um die Zwanzig eine echte berufliche Option geworden – vor allem für jene, die die Kamera lieben. Denn Modeblogs und ihre Macherinnen funktionieren oft gemäß dem Starprinzip. Dazu passt, was der Modejournalist Tillman Prüfer bereits vor mehr als zwei Jahren in der „Zeit“ schrieb: „Modebloggerin zu sein ist für junge Frauen mittlerweile so begehrenswert, wie es in den neunziger Jahren ein Traum war, MTV-Moderatorin zu werden.“ Da mag heute mehr denn je etwas dran sein.

Der deutschsprachige Modeblog „This is Jane Wayne“ zum Beispiel praktiziert seit gut zwei Jahren das Prinzip der kontrollierten Teilhabe am realen Leben. Die  beiden Mittzwanzigerinnen Sarah Gottschalk und Nike van Dinther, die eine studierte Business Journalismus, die andere Modejournalismus, betreiben ihren Blog hauptberuflich. Das bedeutet: Dort findet eben auch Werbung Platz, es werden Kooperationen mit Unternehmen eingegangen, Produkte oder Events gefeatured. Nebenbei schreiben Gottschalk und van Dinther unter anderem für Corporate Blogs, arbeiten als freie Journalistinnen und machen auch mal Pressearbeit. Ein Grund für die Glaubwürdigkeit, die die beiden Bloggerinnen auf „This is Jane Wayne“ ausstrahlen: Neben subjektiver Modeberichterstattung finden sich persönliche Beiträge, mit denen es Sarah und Nike verstehen, ihre Klientel an sich zu binden. Manchmal geht es da um „Girl Power“, immer wieder aber machen die beiden auf ihrem Blog, den sie ihr „Herzprojekt“ nennen, ihre Freundschaft zum Thema: „(…) du bist nicht jeder für mich, noch nicht mal einer, sondern die Eine. Best fuckin friends 4-eva, haben wir uns damals mit dickem Edding aufs Mäppchen geschrieben – und die Buchstaben sind bis heute da.“ Die Leserinnen identifizieren sich und zeigen Anteil: „Das geht unter die Haut“ schreibt Leserin Mae unter den Beitrag. Nike van Dinther gibt aber auch zu: „Wir befinden uns hier in einem ständigen Zustand der Gratwanderung. Bloggen, auf persönlichem Niveau, das ist Balanceakt.“

Das echte Leben in überschaubaren Portionen mit den Lesern und Leserinnen zu teilen, macht angreifbar, scheint aber trotzdem das entscheidende Stück Klebemasse zwischen den Bloggerinnen und den Rezipientinnen auszumachen. Eine solche Verbindung ist heute unabdingbar, um aus dem Wust an Onlineformaten herauszuragen: Nur die, zu denen ein persönlicher Draht besteht, werden regelmäßig angeklickt. So, wie eben täglich bei der Freundin angeklingelt wird.

Eine andere, die so ziemlich alles richtig zu machen scheint, ist Jessica Weiß. Sie machte zusammen mit Julia Knolle den Blog Lesmads innerhalb weniger Jahre zu einer Mädchenerfolgsgeschichte im Hause Burda, die die beiden Bloggerinnen 2011 im Buch „Modestrecke – unterwegs mit Lesmads“ rekapituliert haben. Nun ist Jessica Weiß nach einem einjährigen Intermezzo als Online-Redakteurin für das deutsche Interview-Magazin zum Bloggen zurückgekehrt. Und das aktuelle Kapitel schließt nahtlos an die Story des smarten Selfmade-Mädchens an. Die Bloggerin hat einen Namen in der Szene, ist bestens vernetzt und besitzt ein Näschen für die Bedürfnisse ihrer Leserschaft. Für einige, die ihren Werdegang verfolgt haben, ist sie sogar eine Art Role Model: Es schafft schließlich nicht jede, sich aus dem Ruhrpott mitten in die Berliner Medien- und Modeszene durchzuboxen und dabei noch gut auszusehen. Denn in der Welt des Internets und der Blogs geht es wie in allen Massenmedien um Aufmerksamkeit. Es gilt: Wer nicht vorkommt, ist nicht relevant. Wer hingegen bei den wichtigen Events dabei ist und attraktive Kooperationen mit Unternehmen abstaubt, gewinnt gemäß dem Starprinzip Aufmerksamkeit und eine ganze Menge digitales Charisma.

Wenn man so will, ist Jessica Weiß in der deutschsprachigen Modewelt längst ein Star: Sie dreht für ihr Blogazine Journelles Filme mit H&M und macht exklusive Fotoshootings mit Unternehmen. Mit einem Mix aus Affiliate, Markenkooperationen und klassischer Bannerwerbung soll sich ihr vor einigen Wochen gelaunchtes Blogazine selbst tragen. Wie sehr an ihrem Namen der Flitter der erfolgreichen Bloggerin hängt, zeigte die Aufregung, die ob der Ankündigung des neuen Formates schon Wochen zuvor herrschte.

Im deutschsprachigen Raum mag das noch ein ungewöhnliches Phänomen sein, in den USA hingegen weniger. Tavi Gevinson, das bloggende Role Model einer jungen Frauengeneration, hat schon als Teenager ein Onlinemagazin gegründet und ein Buch herausgebracht. Sie scheint Maßstäbe gesetzt zu haben. Und das mit sechzehn.

| FAQ 20 | | Text: Feldkamp Anne | Fotos: Illustration: Franz Suess
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