In einem kleinen, beschaulichen Küstenstädtchen irgendwo im Süden Italiens könnte Marcello eigentlich ein zufriedenes Leben führen. Mit einem Hundesalon, in dem er sich liebevoll um die Pflege seiner tierischen Klienten kümmert, hat er sich sein eigenes Geschäft aufgebaut. Dieses betreibt er mit Hingabe, auch weil der betont langmütige und stets freundliche Mann mit allen Arten – auch durchaus schwierigen Charakteren – von Hunden umzugehen versteht. Mit seinen Nachbarn pflegt Marcello ein betont freundschaftliches Verhältnis, für seine Tochter, die bei seiner Ex-Frau lebt, ist er bei ihren Zusammentreffen stets ein vorbildlich liebevoller Vater. So stört es auch niemanden, dass Marcello sich einen kleinen Nebenverdienst durch gelegentliches Dealen mit Kokain verschafft. Doch einer seiner Kunden wird zunehmend zum Problem: Der bullige Simone, der dank seiner enormen physischen Kräfte den ganzen Ort terrorisiert, bringt Marcello immer wieder in Schwierigkeiten. Ungeachtet einer Reihe von Einschüchterungen und Demütigungen bleibt der sanftmütige Marcello Simone gegenüber stets amikal und versucht immer wieder, dessen Ausbrüche abzumildern. Simone jedoch treibt es immer schlimmer, er zwingt Marcello sogar, ihm seinen Hundesalon nächtens zu überlassen, um von dort einen Einbruch beim benachbarten Juweliergeschäft orchestrieren zu können. Das hat jedoch katastrophale Folgen: Marcello wird verdächtigt, an dem Verbrechen beteiligt gewesen zu sein. Weil er sich jedoch in einem Gemenge aus Angst und Loyalität beharrlich weigert, den währen Täter zu nennen, muss er ins Gefängnis. Obwohl jedermann weiß, dass Simone der Drahtzieher ist, gerät Marcello nach seiner Haftentlassung auch in seinem sozialen Umfeld ob der Tat immer mehr ins Abseits – sein Leben droht vollends auseinanderzubrechen. Als er von Simone wenigstens eine bescheidene finanzielle Entschädigung fordert, reagiert der wie gewohnt ablehnend und aggressiv. Doch diesmal, zum allerersten Mal, nimmt Marcello nicht mehr alles hin, was eine unfassbare Eskalation nach sich zieht. In Gomorra, der auf der bekannten Buchvorlage von Roberto Saviano basiert, hat sich Regisseur Matteo Garrone bereits höchst eindrucksvoll damit auseinandergesetzt, welchen Einfluss das organisierte Verbrechen – in Gestalt der Camorra – auf das alltägliche Leben und damit auf die Gesellschaft Italiens hat. Mit Dogman widmet sich Garrone erneut diesem Topos, doch seine neue Regiearbeit tut dies in Form einer grimmigen Parabel. Geradezu archetypisch erscheinen dabei die Protagonisten, die Gestalt Simones wirkt in ihrer Urgewalt fast wie das personifizierte Böse schlechthin. Marcello Fonte liefert dagegen in der Verkörperung des malträtierten Marcello eine schauspielerische Tour de Force ab, die einem noch lange im Gedächtnis bleibt und in Cannes verdientermaßen mit dem Darstellerpreis belohnt wurde. Das kleinstädtische Milieu mit seinen Verfallserscheinungen zeichnet Garrones Inszenierung dagegen in der Tradition neorealistischer Direktheit, die dabei streckenweise an Pier Paolo Pasolinis Schilderung der „borgate“ erinnert und gerade durch ihre Reduziertheit besondere Eindringlichkeit erreicht. Mittels dieser kontrastierenden Elemente gelingt es Garrone in Dogman eine bedrückend intensive Atmosphäre zu generieren, die verdeutlicht, wie stark rücksichtslose Gewalt und Macht – ob durch Individuen oder eine Organisation wie die Mafia ausgeübt – auch den kleinsten Bereich einer Gesellschaft durchdringen kann.
DOGMAN
Drama/Krimi/Thriller, Italien/Frankreich, 2018
Regie Matteo Garrone Drehbuch Ugo Chiti, Maurizio Raucci,
Matteo Garrone, Massimo Gaudioso Kamera Nicolai Brüel
Schnitt Marco Spoletini Musik Michele Braga Production
Design Dimitri Capuani Kostüm Massimo Cantini Parrini
Mit Marcello Fonte, Edoardo Pesce, Nunzia Schiano,
Alida Baldari Calabria, Adamo Dionisi
Verleih Thimfilm, 102 Minuten
Kinostart 19. Oktober