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Domine, quo vadis?

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Constantin Film

Im Jahre des Herrn 1638 erreicht eine Nachricht den Sitz der Jesuiten in Portugal, die die Ordensleute in Aufruhr versetzt. Pater Cristóvão Ferreira (Liam Neeson), der als Missionar im fernen Japan die Lehren der katholischen Kirche verbreiten und die Menschen dort bekehren wollte, soll unter dem Druck der einheimischen Machthaber seinem Glauben abgeschworen haben. Zwar wusste man, dass Christen in Japan mit Folter und Tod bedroht wurden, doch gerade Pater Ferreira galt selbst unter den ohnehin schon glaubensfesten Jesuiten als besonders unerschütterlich. Insbesondere die beiden jungen Padres Sebastião Rodrigues (Andrew Garfield) und Francisco Garupe (Adam Driver) sind felsenfest davon überzeugt, dass ihr ehemaliger Lehrmeister und Mentor Ferreira niemals vom Glauben abfallen würde, ganz gleich wie widrig die Umstände auch sein mögen. Weil zudem der Brief mit besagter Nachricht jahrelang brauchte, um von Japan nach Portugal zu gelangen, weiß man über den aktuellen Verbleib von Ferreira eigentlich nichts.

Also überzeugen die beiden schließlich den Orden, sie nach Japan zu entsenden, um sich Klarheit über Ferreiras Schicksal zu verschaffen. Ein höchst gefährliches Unterfangen, weil viele Priester den angesprochenen Verfolgungen zum Opfer gefallen sind und ihre Missionsarbeit mit dem Leben bezahlen mussten. Weshalb einer der Ordensoberen Rodrigues und Garupe auch klar macht, dass sie einstweilen die letzten Padres sein würden, die man nach Japan schickt – sollten auch sie nicht wiederkehren, sei die Arbeit dort beendet und gescheitert.

Überzeugt von ihrer Aufgabe, machen sich Rodrigues und Garupe unverdrossen auf und erreichen trotz aller Widrigkeiten schließlich Japan. Nicht nur, dass sie das Land vorsichtig und heimlich betreten müssen – was sie dort erwartet, ist mit dem Begriff „Kulturschock“ nur unzureichend beschrieben, denn 1638 erleben die beiden Ordensleute das ferne Land in etwa so, als würden Menschen von heute auf einem fremden Planeten landen. Mit Hilfe eines konvertierten Japaners gelingt es den Padres, ein Dorf zu finden, dass von ebenfalls zum Christentum übergetretenen Menschen bewohnt wird. Dort wird zwar geistlicher Beistand geradezu flehentlich herbeigesehnt, doch alles muss im Verborgenen geschehen. Rodrigues und Garupe sind gezwungen, sich tagsüber in einer einsamen Hütte zu verstecken und können den priesterlichen Pflichten nur nächtens nachgehen. Ganz vorsichtig beginnen sie ihre Suche nach Pater Ferreira, immer bedroht von den Schergen eines ranghohen Samurai, den alle nur den „Inquisitor“ nennen, weil er mit aller Härte gegen Christen in Japan vorgeht.

Mit Silence vermochte Martin Scorsese ein lange gehegtes Wunschprojekt nun endlich zu vollenden. Ruft man sich seine Biografie und sein bisheriges Œuvre in Erinnerung, erscheint es wenig überraschend, dass die Adaption von EndōShūsaku  gleichnamigen Roman, der 1966 veröffentlicht wurde, auf Scorseses Prioritätenliste ganz weit oben stand. Silence, der wie die Buchvorlage auf realen Personen und Begebenheiten basiert, verhandelt nichts weniger als zentrale Fragen von Glauben und Lebensprinzipien – und vor allem bis zu welchem Ausmaß man daran festhalten soll und darf. Aufgewachsen in New Yorks Little Italy, wurde Martin Scorsese schon früh durch den dort vorherrschenden Katholizismus geprägt, ein Einfluss, der sich auf unterschiedliche Weise immer wieder in seinen Filmen manifestieren sollte (Der zweite große Einfluss aus Scorseses Zeit in Little Italy, die Cosa Nostra mit ihren Strukturen und Ritualen, prägt seine filmischen Arbeiten übrigens auch nachhaltig) …

Vollständiger Artikel in der Printausgabe. 

Silence

Drama, USA 2016

Regie Martin Scorsese Drehbuch Jay Cocks, Martin Scorsese nach dem Roman von Endō Shūsaku Kamera Rodrigo Prieto Schnitt Thelma Schoonmaker Musik Kathryn Kluge, Kim Allen Kluge Production Design, Kostüm Dante Ferretti

Mit Andrew Garfield, Adam Driver, Liam Neeson, Kubozuka Yosuke, Asano Tadanobu, Issey Ogata, Tsukamoto Shinya, Ciarán Hinds

Verleih Constantin Film, 161 Minuten

Kinostart 3. März

| FAQ 41 | | Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Constantin Film
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